Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) als Prüfungsmaßstab für Beschränkungen des Vereinswechsels im Profifußball. Anwendbarkeit des Art. 45 AEUV, Beschränkung der Freizügigkeit und Rechtfertigung der Beschränkung. EU-rechtliches Prinzip der Verhältnismäßigkeit

EuGH
Urteil vom 16. 3. 2010 (C-325/08)

Fall (Ausbildungskosten von Fußballprofis)

In Frankreich sind die Rechtsverhältnisse von Berufsfußballspielern in einem als Charta bezeichneten Tarifvertrag geregelt. Eine spezielle Regelung betrifft Spieler zwischen 16 und 22 Jahren, die von einem im Bereich des Profisports tätigen Verein auf Grund eines befristeten Vertrages als Berufsfußballspieler ausgebildet werden (sog. Espoir-Spieler). Dazu bestimmt Art. 23 der Charta: Nach Ablauf der Ausbildungszeit ist der Verein berechtigt, von dem Espoir-Spieler den Abschluss eines Vertrages als Berufsfußballspieler mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr zu verlangen. Eine ausdrückliche Regelung der Erstattung von Ausbildungskosten enthält die Charta nicht. Verletzt der Spieler die Verpflichtung aus Art. 23 der Charta, kann der Verein in Anwendung des französischen Arbeitsgesetzbuchs Schadensersatz verlangen. Den Schaden berechnen die Gerichte so, dass sie das Gehalt, das der Spieler im Falle eines Vertragsschlusses während eines Jahres erhalten hätte, als den Vermögenswert zugrunde legen, der dem Verein entgangen ist.

Der Fußballspieler Bernard (B) wollte Profi werden und schloss mit dem Verein Olympique Lyonnais (OL) einen Vertrag als Espoir-Spieler für drei Spielzeiten. Gegen Ende der Laufzeit schlug OL dem B den Abschluss eines Vertrages als Berufsfußballspieler mit einer Laufzeit von einem Jahr vor. B verweigerte den Abschluss des Vertrags und wechselte statt dessen zu dem englischen Klub Newcastle United, mit dem er einen Vertrag als Berufsfußballspieler schloss. Als OL davon erfuhr, verklagte er B auf Schadensersatz in Höhe von 53.000 EUR. Der eingeklagte Betrag entsprach dem Entgelt, das B während eines Jahres erhalten hätte, wenn er den von OL vorgeschlagenen Vertrag geschlossen hätte. Der Rechtsstreit gelangte an das höchste französische Gericht, das das Verfahren aussetzte und dem EuGH in zulässiger Weise die Frage vorlegte, ob die die Espoir-Spieler betreffenden Regelungen des französischen Rechts mit den Grundfreiheiten des europäischen Rechts in Einklang stehen. Wie wird der EuGH entscheiden ?

I. Es handelt sich um eine zulässige Vorlage nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Nach Art. 267 I a) entscheidet der EuGH über die Auslegung der Verträge (EU-Vertrag und AEUV). Die Auslegungsfrage im vorliegenden Fall lautet, ob Art. 23 der Charta sowie die daran anknüpfende Schadensersatzregelung gegen die Garantie der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) verstößt. Die genaue Formulierung lautete: Steht der in Art. 45 AEUV aufgestellte Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegen, wonach sich ein „Espoir“-Spieler, der nach Abschluss seiner Ausbildungszeit einen Vertrag als Berufsspieler mit einem Verein eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union schließt, einer Verurteilung zur Schadensersatzleistung aussetzt ?

II. Art. 45 AEUV kann nur verletzt sein, wenn diese Vorschrift im vorliegenden Fall anwendbar ist.

1. Die Anwendbarkeit der Vorschrift über die Arbeitnehmerfreizügigkeit - in Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten freier Warenverkehr, Niederlassungsrecht, freier Dienstleistungsverkehr, freier Kapital- und Zahlungsverkehr (vgl. Art. 26 II AEUV) - hat zur Voraussetzung, dass Arbeitnehmer von einer Regelung betroffen sind.

a) Arbeitnehmer gibt es wiederum nur im wirtschaftlichen Bereich, in dem Unternehmen und Arbeitgeber tätig sind. Der Bereich des professionell betriebenen Sports, insbesondere des Fußballsports ist seit langem Teil der Wirtschaft, weil hier ein wesentliches Ziel ist, durch sportliche Veranstaltungen Einnahmen und Gewinne zu erzielen.

EuGH Rdnr. 27: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach den Zielen der Union die Ausübung des Sports insoweit unter das Unionsrecht fällt, als sie zum Wirtschaftsleben gehört (vgl. insbesondere Urteile Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 73, und Meca-Medina und Majcen/Kommission, Slg. 2006, I-6991, Randnr. 22).

b) Arbeitnehmer ist eine Person, die für einen anderen, den Arbeitgeber, weisungsgebundene Leistungen erbringt und dafür eine Vergütung erhält. Berufsfußballspieler erbringen mit ihrer sportlichen Betätigung für ihren Verein die Leistungen, mit denen der Verein Einnahmen und Gewinne erzielt. Sie sind hinsichtlich der Zeit, zu der sie spielen, und im Hinblick auf die Art ihres Einsatzes weisungsgebunden. Sie erhalten auch eine - vielfach hohe - Vergütung für ihre Tätigkeit. Somit sind Profifußballer Arbeitnehmer.

EuGH Rdnr. 28: Hat eine sportliche Betätigung den Charakter einer entgeltlichen Arbeits- oder Dienstleistung wie bei professionellen oder semiprofessionellen Sportlern, so gelten für sie die Art. 45 ff. AEUV oder die Art. 56 ff. AEUV (vgl. insbesondere Urteil Meca-Medina und Majcen/Kommission, Randnr. 23 und die dort angeführte Rspr.).

2. Unanwendbar ist Art. 45 IV AEUV im Bereich der öffentlichen Verwaltung, zu dem der Profi-Fußballbereich aber nicht gehört.

3. Eine Anwendung einer Grundfreiheit als Teil der Regelung des Binnenmarktes (Art. 26 AEUV) setzt grundsätzlich voraus, dass ein grenzüberschreitender Vorgang vorliegt, d. h. dass der Sachverhalt zumindest zwei Mitgliedstaaten betrifft. Art. 23 der Charta verfolgt zunächst das Ziel, den Spieler von einem Wechsel zu einem anderen französischen Verein abzuhalten. Er erfasst, wie der Ausgangsfall B gegen OL zeigt, aber auch den Wechsel zu einem ausländischen Verein, der seinen Tätigkeitsbereich in einem Mitgliedstaat der EU hat. Damit hat Art. 23 der Charta eine grenzüberschreitende Wirkung.

4. Die hier zu prüfende Regelung müsste von einem Rechtssubjekt erlassen worden sein, das durch Art. 45 AEUV verpflichtet wird, das also Adressat des Art. 45 AEUV ist.

a) Grundsätzlich wenden sich die Grundfreiheiten - ebenso wie die Grundrechte - an einen Hoheitsträger. Das sind im EU-Recht die EU und ihre Organe sowie die Mitgliedstaaten (vgl. auch Art. 51 I Grundrechte-Charta). Die Charta hat den Rechtscharakter eines Tarifvertrages. Dieser wird nicht von einer staatliche Stelle erlassen, sondern kommt durch Vereinbarung der privatrechtlich verfassten Tarifvertragsparteien (ausgehandelt durch Vertreter der Vereine und der Spieler) zustande. Grundsätzlich werden Private nicht durch die Grundfreiheiten gebunden. Danach könnte die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf die Regelung der Charta verneint werden.

b) In gewissen Fällen haben aber auch die Grundfreiheiten Drittwirkung. EuGH Rdnrn. 30 - 32: Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich nach st. Rspr. Art. 45 AEUV nicht nur auf behördliche Maßnahmen erstreckt, sondern auch auf Vorschriften anderer Art, die zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit dienen (vgl. Urteil Bosman, Randnr. 82 und die dort angeführte Rspr.). Da die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten teilweise durch Gesetze oder Verordnungen und teilweise durch Tarifverträge und sonstige Maßnahmen, die von Privatpersonen geschlossen bzw. vorgenommen werden, geregelt sind, bestünde andernfalls die Gefahr, dass eine Beschränkung der in Art. 45 AEUV vorgesehenen Verbote auf behördliche Maßnahmen zu Ungleichheiten bei seiner Anwendung führen würde (vgl. Urteil Bosman, Randnr. 84). Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Charta den Charakter eines nationalen Tarifvertrags hat, so dass sie unter Art. 45 AEUV fällt. Somit sind die Parteien der Charta Adressaten des Art. 45 AEUV. Ihnen gegenüber haben die Grundfreiheiten Drittwirkung.

Art. 45 AEUV ist auf den vorliegenden Fall anwendbar.

III. Es müsste eine Beschränkung der in Art. 45 AEUV gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit vorliegen.

1. Art. 45 I AEUV enthält ein grundsätzliches Verbot der Beschränkung der Freizügigkeit. Die Freizügigkeit wird zunächst dadurch beschränkt, dass die Suche nach Arbeit oder die Aufnahme von Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat untersagt wird. Ein solches direktes Verbot enthält Art. 23 der Charta nicht. Wie auch der Fall des B zeigt, bleibt es rechtlich möglich, zu einem Verein in England (Newcastle United) zu wechseln.

2. Der Wechsel wird aber mit einer Ersatzverpflichtung belastet. Ein Spieler, der diese Verpflichtung nicht riskieren will, wird den Wechsel nicht vornehmen. Darin liegt eine Beschränkung der Freizügigkeit.

EuGH Rdnrn. 33 - 35: Was die Frage betrifft, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine Beschränkung im Sinne von Art. 45 AEUV darstellt, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit insgesamt den Angehörigen der Mitgliedstaaten die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die diese Staatsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen (vgl. insbesondere Urteile Bosman, Randnr. 94; Kranemann, Slg. 2005, I-2421, Randnr. 25, und Slg. 2007, I-181, Randnr. 31). Nationale Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Arbeitnehmer angewandt werden (vgl. insbesondere Urteile Bosman, Randnr. 96, Kranemann, Randnr. 26). Es ist festzustellen, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, wonach ein „Espoir“-Spieler nach Abschluss seiner Ausbildungszeit verpflichtet ist, seinen ersten Vertrag als Berufsspieler bei Meidung von Schadensersatz mit dem Verein abzuschließen, der ihn ausgebildet hat, diesen Spieler davon abhalten kann, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen.

Rdnr. 37: Daher stellt diese Regelung eine Beschränkung der durch Art. 45 AEUV gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union dar.

IV. Die Beschränkung könnte gerechtfertigt sein.

1. Nach Art. 45 III AEUV sind Einschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulässig. Keiner dieser Gesichtspunkte kann die Regelung des Art. 23 der Charta rechtfertigen.

2. Ebenso wie bei der Warenverkehrsfreiheit erkennt der EuGH in st. Rspr. auch bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit ungeschriebene Rechtfertigungsgründe an, die aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten sind. EuGH Rdnr. 38: Eine Maßnahme, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beeinträchtigt, ist zulässig, wenn mit ihr ein berechtigter, mit dem Vertrag vereinbarer Zweck verfolgt wird und sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem derartigen Fall muss aber die Anwendung einer solchen Maßnahme auch geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zwecks zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. insbesondere Slg. 1993, I-1663, Randnr. 32, sowie Urteile Bosman, Randnr. 104, Kranemann, Randnr. 33).

a) Zweck der in Art. 23 Charta getroffenen Regelung ist, die Vereine dazu anzuhalten, junge Spieler anzuwerben und auszubilden. Da diese Aktivitäten Kosten verursachen, insbesondere Personalkosten durch Beschäftigung von Trainern, müssen den Vereinen diese Kosten zumindest teilweise ersetzt werden. Art. 23 Charta verfolgt das Ziel, eine gewisse Entschädigung für die Anwerbung und Ausbildung junger Spieler zu gewähren. EuGH Rdnr. 39: Was den Berufssport anbelangt, hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass angesichts der beträchtlichen sozialen Bedeutung, die dem Sport und insbesondere dem Fußball in der Union zukommt, der Zweck, die Anwerbung und die Ausbildung junger Spieler zu fördern, als legitim anzuerkennen ist (vgl. Urteil Bosman, Randnr. 106).

b) Wie oben 2. wiedergegeben wurde, verlangt der EuGH, dass die Regelung verhältnismäßig ist. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist normiert in Art. 5 IV EUV. Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall aber nicht anwendbar, weil sie sich an die Organe der EU wendet, im vorliegenden Fall aber Parteien aus dem französischen Sport und der Wirtschaft tätig geworden sind. Die Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch auf Beschränkungen der Grundfreiheiten durch Maßnahmen aus den Mitgliedstaaten lässt sich damit begründen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bestandteil jeder rechtsstaatlich geprägten Rechtsordnung ist und daher auch Eingriffe in die Grundfreiheiten begrenzen muss. Der EuGH wendet das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei Beschränkungen der Grundfreiheiten durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder ihnen zuzurechnende Maßnahmen mit demselben Inhalt an, wie er in Art. 5 IV EUV enthalten ist, also mit den Aspekten der Geeignetheit und der Erforderlichkeit (Verbot des Übermaßes) und ohne explizite Prüfung der Angemessenheit.

aa) Die Regelung des Art. 23 Charta müsste zur Förderung des mit ihr verfolgten Zweckes geeignet sein. EuGH Rdnrn. 41 - 45: In diesem Zusammenhang ist anzuerkennen, dass, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, die Aussicht auf die Erlangung von Ausbildungsentschädigungen geeignet ist, die Fußballvereine zu ermutigen, nach Talenten zu suchen und für die Ausbildung junger Spieler zu sorgen (vgl. Urteil Bosman, Randnr. 108). Die Erträge aus den von den ausbildenden Vereinen zu diesem Zweck getätigten Investitionen sind nämlich durch ihren aleatorischen Charakter gekennzeichnet, da diese Vereine hinsichtlich aller Nachwuchsspieler, die sie anwerben und gegebenenfalls mehrere Jahre lang ausbilden, die Ausgaben tragen, während diese Spieler nach Abschluss ihrer Ausbildung nur zum Teil eine Karriere als Berufsspieler entweder bei dem Verein, der sie ausgebildet hat, oder bei einem anderen Verein einschlagen (vgl. in diesem Sinne Urteil Bosman, Randnr. 109). Außerdem werden die mit der Ausbildung von Nachwuchsspielern verbundenen Kosten im Allgemeinen nur teilweise durch den Gewinn ausgeglichen, den der ausbildende Verein aus diesen Spielern während der Ausbildungszeit ziehen kann. Vor diesem Hintergrund könnten ausbildende Vereine davon abgehalten werden, in die Ausbildung junger Spieler zu investieren, wenn sie keinen Ersatz der dafür aufgewendeten Beträge erhalten könnten, falls ein Spieler nach Abschluss seiner Ausbildung einen Vertrag als Berufsspieler mit einem anderen Verein abschließt. Dies ist insbesondere bei kleinen ausbildenden Vereinen der Fall, deren Investitionen in die Anwerbung und Ausbildung von Nachwuchsspielern auf lokaler Ebene von erheblicher Bedeutung für die Erfüllung der sozialen und erzieherischen Funktion des Sports sind. Daraus folgt, dass eine Regelung, die eine Ausbildungsentschädigung für den Fall vorsieht, dass ein Nachwuchsspieler nach Abschluss seiner Ausbildung einen Vertrag als Berufsspieler mit einem anderen Verein als dem abschließt, der ihn ausgebildet hat, grundsätzlich durch den Zweck gerechtfertigt werden kann, die Anwerbung und die Ausbildung von Nachwuchsspielern zu fördern.

bb) Fraglich ist aber, ob die Folgeregelungen des Art. 23 Charta durch den Aspekt der Erforderlichkeit gedeckt sind. Wie im Sachverhalt dargelegt, bestehen sie darin, dass der Spieler bei Verletzung des Art. 23 Schadensersatz in Höhe des Jahresgehalts zu zahlen hat. Dieser Betrag wird vielfach über die Ausbildungskosten hinausgehen und enthält dadurch eine nicht erforderliche Belastung. EuGH Rdnrn. 46 - 50: Die hier zu prüfende Regelung geht dahin, dass sie nicht durch die Zahlung einer Ausbildungsentschädigung an den ausbildenden Verein, sondern durch eine Verpflichtung zur Schadensersatzleistung gekennzeichnet ist, der sich der betreffende Spieler wegen Verletzung seiner vertraglichen Verpflichtungen aussetzt und deren Höhe von den tatsächlichen Ausbildungskosten, die diesem Verein entstanden waren, unabhängig war. Wie die französische Regierung dargelegt hat, wurde dieser Schadensersatz nach Art. L. 122-3-8 des Code du travail nicht anhand der dem ausbildenden Verein entstandenen Ausbildungskosten, sondern anhand des gesamten diesem Verein entstandenen Schadens berechnet… Unter diesen Umständen ging die Aussicht auf den Erhalt eines solchen Schadensersatzes über das hinaus, was zur Förderung der Anwerbung und Ausbildung von Nachwuchsspielern und zur Finanzierung dieser Tätigkeiten erforderlich war. Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 45 AEUV einer Regelung nicht entgegensteht, die für den Fall, dass ein Nachwuchsspieler nach Abschluss seiner Ausbildung einen Vertrag als Berufsspieler mit einem Verein eines anderen Mitgliedstaats abschließt, zum Zweck der Förderung der Anwerbung und Ausbildung von Nachwuchsspielern die Entschädigung des ausbildenden Vereins gewährleistet, sofern diese Regelung geeignet ist, die Verwirklichung dieses Zwecks zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zu seiner Erreichung erforderlich ist. Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, wonach ein „Espoir“-Spieler, der nach Abschluss seiner Ausbildungszeit einen Vertrag als Berufsspieler mit einem Verein eines anderen Mitgliedstaats abschließt, sich einer Verurteilung zur Schadensersatzleistung aussetzt, deren Höhe von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängig ist, ist nicht erforderlich, um zu gewährleisten, dass dieser Zweck verwirklicht wird. Folglich enthält Art. 23 Charta im Zusammenhang mit der Folgeregelung des französischen Arbeitsrechts eine Verletzung des Art. 45 AEUV.

Der Tenor des Urteils des EuGH lautet:

(1) Art. 45 AEUV steht einer Regelung nicht entgegen, die für den Fall, dass ein Nachwuchsspieler nach Abschluss seiner Ausbildung einen Vertrag als Berufsspieler mit einem Verein eines anderen Mitgliedstaats abschließt, zum Zweck der Förderung der Anwerbung und Ausbildung von Nachwuchsspielern die Entschädigung des ausbildenden Vereins gewährleistet, vorausgesetzt, dass diese Regelung geeignet ist, die Verwirklichung dieses Zwecks zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zu seiner Erreichung erforderlich ist.

(2) Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, wonach ein „Espoir“-Spieler, der nach Abschluss seiner Ausbildungszeit einen Vertrag als Berufsspieler mit einem Verein eines anderen Mitgliedstaats abschließt, sich einer Verurteilung zur Schadensersatzleistung aussetzt, deren Höhe von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängig ist, ist nicht erforderlich, um zu gewährleisten, dass dieser Zweck verwirklicht wird.



Zusammenfassung