Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Vertragsverletzungsklage, Art. 226 EG-Vertrag. Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 EG; Maßnahme gleicher Wirkung. Behandlung von Verkaufsmodalitäten. Ausnahmen von der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 30 zum Zwecke des Gesundheitsschutzes. Verhältnismäßigkeit einer Ausnahme

EuGH Urteil 11. 9. 2008 (C-141/07) NVwZ 2008, 1225

Fall
(Deutsches Apothekengesetz)

§ 14 Abs. 1 bis 6 des Apothekengesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (ApoG) regelt die Arzneimittelversorgung der Krankenhäuser. Danach hat das Krankenhaus zwei Möglichkeiten: Es kann eine eigene (Krankenhaus-) Apotheke betreiben (interne Apotheke). Es kann sich auch durch eine externe Apotheke versorgen lassen. Für den letzteren Fall bestimmt § 14 ApoG in Abs. (4) bis (6):

 

(4) Wer als Träger eines Krankenhauses beabsichtigt, das Krankenhaus von dem Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke…versorgen zu lassen, hat mit dem Inhaber dieser Erlaubnis einen schriftlichen Vertrag zu schließen…

(5) Der nach Absatz…4 geschlossene Vertrag bedarf zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde. Diese Genehmigung ist zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass das Krankenhaus…einen Vertrag über die Arzneimittelversorgung des Krankenhauses durch diese Apotheke geschlossen hat, der folgende Voraussetzungen erfüllt:

1. Die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung ist gewährleistet…;

2. …

3. die Apotheke stellt Arzneimittel, die das Krankenhaus zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigt, unverzüglich und bedarfsgerecht zur Verfügung;

4. eine persönliche Beratung des Personals des Krankenhauses durch den Leiter der Apotheke…erfolgt bedarfsgerecht und im Notfall unverzüglich;

5. die versorgende Apotheke gewährleistet, dass das Personal des Krankenhauses im Hinblick auf eine zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie von ihr kontinuierlich beraten wird;

6. der Leiter der versorgenden Apotheke…ist Mitglied der Arzneimittelkommission des Krankenhauses.

(6) Der Leiter…einer Apotheke nach Absatz 4 oder ein von ihm beauftragter Apotheker hat die Arzneimittelvorräte des zu versorgenden Krankenhauses nach Maßgabe der Apothekenbetriebsordnung zu überprüfen und dabei insbesondere auf die einwandfreie Beschaffenheit und ordnungsgemäße Aufbewahrung der Arzneimittel zu achten. …“

Die EU-Kommission ist zu dem Ergebnis gekommen, die Anforderungen nach § 14 Abs. 4 bis 6 ApoG seien mit dem europäischen Binnenmarkt unvereinbar. Nach Durchlaufen des Verfahrens nach Art. 226 I EG hat sie Klage nach Art. 226 II EG vor dem EuGH erhoben. Sie beantragt festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 EG verstoßen hat, indem sie in § 14 Abs. 5 und 6 des Apothekengesetzes Anforderungen an einen Arzneimittelversorgungsvertrag stellt, die dazu führen, dass die reguläre Versorgung eines Krankenhauses durch Apotheken aus anderen Mitgliedstaaten als der BRD praktisch unmöglich gemacht wird. Ist die Klage begründet ?

Die Klage gemäß Art. 226 EG ist begründet, wenn die Bundesrepublik Deutschland durch § 14 ApoG gegen Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat. Verletzt sein könnte die in Art. 28 EG gewährleistete Warenverkehrsfreiheit, ein wesentliches Element des Binnenmarktes (Art. 14 II EG).

I. Es sind die Voraussetzungen für ein Verbot gemäß Art. 28 EG zu prüfen.

1. Art. 23 ff., 28 EG behandeln den freien Warenverkehr, so dass Waren vorliegen müssen. Arzneimittel (Medikamente) sind Waren.

2. Entscheidende Voraussetzung ist das Vorliegen eines Handelshemmnisses für den zwischenstaatlichen Warenverkehr. Handelshemmnisse sind nach Art. 28 mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung. Eine mengenmäßige Beschränkung ist - wie meist - im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es kommt eine Maßnahme gleicher Wirkung in Betracht.

a) EuGH Rdnr. 27, 28: Der freie Warenverkehr ist ein elementarer Grundsatz des Vertrags, der in dem in Art. 28 EG niedergelegten Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung seinen Ausdruck gefunden hat (Urteil vom 5. Juni 2007, Rosengren u. a., C‑170/04, Slg. 2007, I‑4071, Rdnr. 31). Das in Art. 28 EG aufgestellte Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen erfasst nach ständiger Rechtsprechung jede Regelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 1974, 837, Rdnr. 5,…Rosengren u. a., Rdnr. 32, vom 20. September 2007, Kommission/Niederlande, C‑297/05, Slg. 2007, I‑7467, Rdnr. 53, und vom 8. November 2007, Ludwigs-Apotheke, C‑143/06, Slg. 2007, I‑9623, Rdnr. 26).

b) Jedoch bezieht sich Art. 28 primär auf Produktanforderungen, beispielsweise wenn bei Bier verlangt wird, dass es nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wurde. Auf die davon zu unterscheidenden Verkaufsmodalitäten bezieht es sich nur unter bestimmten Voraussetzungen; Verkaufsmodalitäten sind vom Anwendungsbereich des Art. 28 grundsätzlich ausgenommen (Anwendungsfall: Ladenschlussregelungen). EuGH Rdnr. 29: Der Gerichtshof hat klargestellt, dass nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten und die zum einen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und zum anderen den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren, nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne der Dassonville-Rechtsprechung unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. in diesem Sinne EuGH Slg. 1993, I-6097, Urteil Keck und Mithouard, Rdnr. 16).

aa) Erforderlich ist zunächst eine bloße Verkaufsmodalität, die vom EuGH für die Regelung in § 14 Abs. 4 bis 6 ApoG bejaht wird. Rdnr. 30, 31: Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass § 14 ApoG die Anforderungen definiert, denen die externen Apotheken genügen müssen, wenn sie Krankenhauseinrichtungen in Deutschland mit Arzneimitteln versorgen wollen. Die streitigen Bestimmungen beziehen sich nicht auf Merkmale der Arzneimittel, sondern betreffen lediglich die Modalitäten für deren Verkauf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2008, Dynamic Medien, C‑244/06, Slg. 2008, I‑0000, Rdnr. 31). Folglich beziehen sie sich auf Verkaufsmodalitäten…

bb) Verkaufsmodalitäten sind unter den zwei oben b) aufgeführten Voraussetzungen von Art. 28 freigestellt:

(1) Sie müssen für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die im Inland tätig werden. EuGH Rdnr. 33: Zur ersten Voraussetzung ist zu bemerken, dass die streitigen Bestimmungen unterschiedslos für sämtliche betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit in deutschem Hoheitsgebiet ausüben, da sie für alle Apotheken gelten, die deutsche Krankenhäuser mit Arzneimitteln versorgen möchten, ganz gleich, ob sich ihre Niederlassung in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat befindet.

(2) Sie müssen „den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren“, d. h. sie dürfen für die importierten Waren keine ungünstigeren Wirkungen haben. Dazu gilt für den vorliegenden Fall: Das unverzügliche Zur-Verfügung-Stellen von Arzneimitteln (§ 14 Abs. 5 Nr. 3), die persönliche Beratung (Nr. 4 und 5), die Mitgliedschaft des versorgenden Apothekers in einer Kommission des Krankenhauses (Nr. 6) sowie die Überprüfung gemäß § 14 Abs. 6 sind Anforderungen, die es Apotheken aus weiter entfernt liegenden Ländern erschweren, ein Krankenhaus in Deutschland zu versorgen. Somit wird der Absatz aus ausländischen Apotheken stärker erschwert als der aus inländischen. EuGH Rdnr. 34: In Bezug auf die zweite Voraussetzung steht fest, dass die streitigen Bestimmungen eine Reihe kumulativer Kriterien aufstellen, die de facto…eine gewisse räumliche Nähe zwischen der Apotheke, die die Arzneimittel liefert, und dem Krankenhaus, für das sie bestimmt sind, verlangen.


Rdnr. 35, 36: Die streitigen Bestimmungen sind also geeignet, die Versorgung der deutschen Krankenhäuser mit Arzneimitteln für in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland niedergelassene Apotheken schwieriger und kostspieliger als für in Deutschland niedergelassene Apotheken zu gestalten. Abgesehen von den Apotheken, die sich in einer Grenzregion nahe dem betreffenden deutschen Krankenhaus befinden, müssen in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Apotheken, die einen Versorgungsvertrag mit diesem Krankenhaus schließen möchten, entweder ihre Niederlassung in die Nähe des betreffenden Krankenhauses verlegen oder in dessen Nähe eine weitere Apotheke eröffnen. Bezüglich der Arzneimittelversorgung der deutschen Krankenhäuser berühren somit die genannten Bestimmungen die Erzeugnisse, die von in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Apotheken vertrieben werden, nicht in gleicher Weise wie die Erzeugnisse, die von in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Apotheken vertrieben werden.

Rdnr. 37 - 39: Dieses Ergebnis wird nicht durch die von der Bundesrepublik Deutschland angeführte Tatsache hinfällig, dass die streitigen Bestimmungen die außerhalb Deutschlands niedergelassenen Apotheken beim Verkauf von Arzneimitteln an deutsche Krankenhäuser nicht gegenüber inländischen Apotheken, deren Niederlassung von dem Krankenhaus, für das die Arzneimittel bestimmt sind, weiter entfernt liegt, benachteiligen. Diese Bestimmungen verlieren nämlich ihren beschränkenden Charakter nicht schon dadurch, dass sie in einem Teilgebiet des betreffenden Mitgliedstaats, nämlich dem, das von dem zu versorgenden Krankenhaus weiter entfernt ist, den Vertrieb von Arzneimitteln durch in Deutschland niedergelassene Apotheken in gleicher Weise wie den Vertrieb durch in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Apotheken beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Januar 2000, TK-Heimdienst, C‑254/98, Slg. 2000, I‑151, Rdnr. 28). Ebenso wenig kann geltend gemacht werden, dass der Vertrieb von Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten nicht stärker betroffen sei als der Vertrieb von Arzneimitteln aus Gegenden Deutschlands, die von dem zu versorgenden Krankenhaus weiter entfernt lägen. Denn für die Einstufung einer staatlichen Maßnahme als diskriminierend oder protektionistisch im Sinne der Vorschriften über den freien Warenverkehr ist es nicht erforderlich, dass diese Maßnahme sämtliche inländischen Erzeugnisse begünstigt oder nur eingeführte Erzeugnisse, nicht aber die nationalen Erzeugnisse benachteiligt (Urteile vom 25. Juli 1991, Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivía, C‑1/90 und C‑176/90, Slg. 1991, I‑4151, Rdnr. 24, und TK-Heimdienst, Rdnr. 27).

c) Ergebnis zu bb): Die in § 14 ApoG enthaltenen Verkaufsmodalitäten erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine Freistellung von Art. 28 EG. Es bleibt somit beim grundsätzlichen Verbot des § 14 Abs. 4 - 6 ApoG durch Art. 28 (oben a). EuGH Rdnr. 44: Aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen folgt, dass die streitigen Bestimmungen geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, und eine nach Art. 28 EG verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung darstellen.

II. Die Regelung des § 14 ApoG könnte aber durch Art. 30, 1 EG gerechtfertigt sein.

1. Danach sind Beschränkungen des freien Warenverkehrs u. a. aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen zulässig.

a) EuGH Rdnr. 46: Es ist daran zu erinnern, dass unter den in Art. 30 EG geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den ersten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll (Urteile Deutscher Apothekerverband, Rdnr. 103, vom 13. Juli 2004, Kommission/Frankreich, C‑262/02, Slg. 2004, I‑6569, Rdnr. 24, Rosengren u. a., Rdnr. 39, sowie Ludwigs‑Apotheke, Rdnr. 27).

b) Rdnr. 47: Es steht fest, dass die streitigen Bestimmungen, die nach Aussage der Bundesrepublik Deutschland gewährleisten sollen, dass die Arzneimittelversorgung der Krankenhäuser durch eine externe Apotheke sicher und qualitativ hochwertig ist, den in Art. 30 EG anerkannten Belangen des Gesundheitsschutzes Rechnung tragen und somit grundsätzlich eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs rechtfertigen können.

2. Nach Art. 30, 2 EG dürfen die Beschränkungen keine willkürliche Diskriminierung und keine verschleierte Beschränkung des Handels aus protektionistischen Gründen darstellen. Für eine dahingehende Annahme gibt § 14 ApoG keinen Anlass. Dieser Aspekt wurde vom EuGH auch nicht angesprochen.

3. Die Regelung müsste auch verhältnismäßig sein (Art. 5 III EG). Dabei prüft der EuGH die Geeignetheit der Maßnahme und - entsprechend dem Wortlaut des Art. 5 III - die Erforderlichkeit. Rdnr. 48: Jedoch lässt sich eine Regelung, die eine durch den Vertrag gewährleistete Grundfreiheit wie den freien Warenverkehr beschränken kann, nur dann rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteile vom 8. Mai 2003, ATRAL, C‑14/02, Slg. 2003, I‑4431, Rdnr. 64,…vom 10. April 2008, Kommission/Portugal, C‑265/06, Slg. 2008, I‑0000, Rdnr. 37).

a) Rdnr. 49: Zur Geeignetheit der streitigen Bestimmungen ist zu bemerken, dass derartige Bestimmungen, soweit sie verlangen, dass sämtliche mit dem Versorgungsvertrag zusammenhängenden Leistungen einem Apotheker in der Nähe übertragen werden, geeignet sind, das Ziel einer sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung der deutschen Krankenhäuser zu erreichen und somit die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen….

b) Rdnr. 50 - 62: Bezüglich der Frage der Erforderlichkeit der genannten Bestimmungen ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 30 EG eine eng auszulegende Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft ist und daher die nationalen Behörden darzutun haben, dass diese Bestimmungen erforderlich sind, um das geltend gemachte Ziel zu erreichen, und dass dieses Ziel nicht durch Verbote oder Beschränkungen erreicht werden kann, die weniger weit gehen oder den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juli 1994, van der Veldt, C‑17/93, Slg. 1994, I‑3537, Rdnr. 15,…Rosengren u. a., Rdnr. 50).

aa) Nach der…ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bei der Prüfung, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung beachtet worden ist, zu berücksichtigen, dass der Mitgliedstaat bestimmen kann, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da dieses Niveau sich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein entsprechender Beurteilungsspielraum zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2004, Kommission/Niederlande, C‑41/02, Slg. 2004, I‑11375, Rdnrn. 46 und 51), so dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Vorschriften erlässt, die weniger streng sind als die in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen, nicht bedeutet, dass Letztere unverhältnismäßig wären (Urteile vom 13. Juli 2004, Kommission/Frankreich, Rdnr. 37, und vom 15. Juli 2004, Schreiber, C‑443/02, Slg. 2004, I‑7275, Rdnr. 48).

bb) Nach § 14 ApoG kann das Krankenhaus zwischen einer internen und einer externen Arzneimittelversorgung wählen. Im System der internen Versorgung ist der Krankenhausapotheker für sämtliche Leistungen verantwortlich, die mit der Arzneimittelversorgung in Zusammenhang stehen. Da sich seine Apotheke im Krankenhaus befindet, steht er diesem weitgehend und schnell zur Verfügung… Entscheidet sich ein Krankenhaus für das System der externen Versorgung, muss es einen Vertrag mit der Apotheke, für die es sich entschieden hat, schließen; dieser Vertrag unterliegt den in § 14 ApoG vorgesehenen kumulativen Voraussetzungen, die ebenfalls verlangen, dass sämtliche mit dieser Art der Versorgung in Zusammenhang stehenden Leistungen von einem vertragsschließenden Apotheker erbracht werden, der weitgehend und schnell vor Ort zur Verfügung steht. Somit übertragen die streitigen Bestimmungen Anforderungen auf das System der externen Versorgung, die denen entsprechen, die das System der internen Versorgung kennzeichnen.

Folglich stellen diese Bestimmungen die Gleichwertigkeit und Vereinbarkeit sämtlicher Bestandteile des Arzneimittelversorgungssystems für die Krankenhäuser in Deutschland sicher und garantieren somit die Einheit und das Gleichgewicht dieses Systems. Daher erweisen sich die streitigen Bestimmungen als erforderlich, um das Ziel zu erreichen, für die Gesundheit der Bevölkerung ein hohes Schutzniveau sicherzustellen, und gehen nicht über das hierzu Erforderliche hinaus. Demgegenüber liefe der Ansatz der Kommission, der es erlaubt, die Erbringung von Leistungen, die mit dem System der externen Versorgung in Zusammenhang stehen, vertragsschließenden Apothekern anzuvertrauen, deren Apotheke nicht in der Nähe des zu versorgenden Krankenhauses liegt, Gefahr, die Einheit und das Gleichgewicht des Arzneimittelversorgungssystems für die Krankenhäuser in Deutschland und somit das hohe Niveau des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu beeinträchtigen, das die Bundesrepublik Deutschland erreichen möchte.

Somit erweist sich das Erfordernis, dass einem Apotheker in der Nähe zum Krankenhaus die Verantwortung über sämtliche Aufgaben übertragen wird, die zur Arzneimittelversorgung des betreffenden Krankenhauses gehören, nicht als Maßnahme, die über das hinausgeht, was zur Erreichung des von der Bundesrepublik Deutschland verfolgten Ziels, nämlich des Erreichens eines hohen Niveaus des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung, erforderlich ist.

Ergebnis zu II, EuGH Rdnr 63: Im Hinblick darauf ist festzustellen, dass die streitigen Bestimmungen als aus Gründen des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt anzusehen sind. Gesamtergebnis: Art. 28 EG ist nicht verletzt. Die Klage der Kommission gegen die BRD ist unbegründet und abzuweisen.


Zusammenfassung