Bearbeiter: RA Prof. Dieter Schmalz

► Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG. ► Abgrenzung der Prüfungsbefugnisse von BVerfG und EuGH bei Rechtsakten mit Bezug auf europäisches Gemeinschaftsrecht. ► Prüfungsbefugnisse des BVerfG bei abgeleitetem Gemeinschaftsrecht. ► Umsetzung einer EU-Richtlinie mit Regelungsspielraum. ► Eingriffsbegriff bei Freiheitsrechten, Art. 12 I und 14 I GG. ► Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 I GG; unterschiedliche Bindung des Gesetzgebers. ► Art. 3 I GG als Willkürverbot

BVerfG Beschluss vom 13. 3. 2007 (1 BvF 1/05) DVBl 2007, 821

Fall (Normenkontrolle beim Emissionshandel)

Im Kyoto-Protokoll von 1997 sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, um den Ausstoß von Treibhausgasen, vornehmlich Kohlendioxid (CO 2), zu senken. Die Europäische Gemeinschaft (EG / EU, künftig: EU) und ihre Mitgliedstaaten sind übereingekommen, ein System einzuführen, nach dem große Emittenten von CO 2, insbesondere Kraftwerksbetreiber, für den Ausstoß solcher Abgase entsprechende Emissionszertifikate vorlegen müssen. Die Grundlagen hierfür wurden in der Richtlinie 2003/87/EG niedergelegt. Danach wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, für die Zuteilungsperioden 2005 - 2007 und für 2008 - 2012 nationale Zuteilungspläne aufzustellen und dabei bestimmte Gesamtmengen an CO 2 nicht zu überschreiten. In der ersten Periode konnten bis 95 % und in der zweiten Periode bis 90 % der Zertifikate kostenlos zugeteilt werden. Da die Gefahr bestand, dass Unternehmen mit einem besonders hohen Ausstoß von Gasen bei der Zuteilung von Verschmutzungsrechten gegenüber solchen bevorzugt werden, die bereits durch Modernisierungsmaßnahmen Reduktionen erreicht haben, bestimmte die RiLi in Anhang III unter Ziff. 7: „Der Plan kann Vorleistungen berücksichtigen…“

Die Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2004 erfolgte durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) und durch das „Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 - 2007“ (Zuteilungsplangesetz = ZuG). Aus § 4 TEHG ergibt sich, dass Anlagenbetreiber CO 2-Emissionen nur bei Vorweisen entsprechender - zugeteilter oder hinzugekaufter - Zertifikate vornehmen dürfen. Auf die Zuteilung von Zertifikaten besteht ein Anspruch, der sich für bestehende Anlagen grundsätzlich nach den früheren („historischen“) Emissionen richtet (sog. Grandfathering-Verfahren; näher geregelt in § 7 ZuG). Die sich daraus ergebende Basis wird modifiziert durch den sog. Erfüllungsfaktor (§ 5 ZuG), der sicherstellen soll, dass die für Deutschland vorgesehenen Gesamtmenge nicht überschritten wird. Er beträgt grundsätzlich weniger als „1“ und bewirkt eine Verminderung der Emissionsbefugnisse. Wird der Erfüllungsfaktor für eine Anlage erhöht (z. B. auf „1“), bedeutet das eine Besserstellung. Die Zuteilungen der ersten Periode erfolgten in vollem Umfang kostenlos. Im einzelnen dargestellt wird das Emissionszertifikate-System vom BVerfG unter Rdnrn. 10 - 45. Ein Zweck dieses Systems ist auch, den Anlagenbetreibern Anreize zu bieten, durch Modernisierungsmaßnahmen den Abgas-Ausstoß zu vermindern, so dass sie nicht alle zugeteilten Zertifikate benötigen und die überschüssigen Berechtigungen verkaufen können. Wesentlich ist auch, dass die Zertifikate nur befristet gelten und dass die sich daraus ergebenden Emissionsberechtigungen künftig herabgesetzt werden.

Entsprechend der in der RiLi 2003/87 Anhang III unter Ziff. 7 enthaltenen Ermächtigung bestimmt § 12 ZuG, dass Emissionsminderungen aufgrund von nach dem 1. 1. 1994 vorgenommenen Modernisierungsmaßnahmen dadurch berücksichtigt werden, dass der regelmäßige Erfüllungsfaktor auf den Betrag 1 erhöht wird. Die in dieser Weise begünstigten Anlagenbetreiber werden denjenigen gleichgestellt, die die Modernisierung nach der Zuteilung vorgenommen haben, und erhalten dadurch die Möglichkeit, nicht benötigte Zertifikate zu veräußern.

Die Regierung des Landes Sachsen-Anhalt macht geltend, durch die in § 12 ZuG enthaltene Frist würden die Anlagenbetreiber in den neuen Bundesländern benachteiligt. Sie hätten die Modernisierungen alsbald nach der Wiedervereinigung und noch vor dem 1. 1. 1994 vorgenommen, ohne dass dies berücksichtigt würde. Darin liege eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12, 14 und 3 I GG. Die Landesregierung hat beim BVerfG beantragt, § 12 ZuG für verfassungswidrig und nichtig zu erklären. Wie wird das BVerfG entscheiden ?

A. Zulässigkeit des Antrags

Als Verfassungsbeschwerde ist der Antrag nicht zulässig, weil ein Bundesland nicht zur Erhebung einer VfB befugt ist und außerdem das Land nicht geltend machen kann, in eigenen Grundrechten verletzt zu sein. Der Antrag könnte aber auf eine abstrakte Normenkontrolle i. S. von Art 93 I Nr. 2 GG, §§ 76 ff. BVerfGG gerichtet sein Hierfür bestehen die folgenden Zulässigkeitsvoraussetzungen.

I. Die Streitigkeit muss die Vereinbarkeit von Recht mit höherrangigem Recht betreffen. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob § 12 ZuG, der Teil eines formellen Bundesgesetzes und damit „Recht“ ist, mit den Grundrechten des GG, die höherrangig als ein Bundesgesetz sind, vereinbar ist.

II. Antragsteller kann nur sein: die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages. Im vorliegenden Fall ist eine Landesregierung Antragsteller. Einen Antragsgegner gibt es in diesem Verfahren nicht; es handelt sich um ein nicht kontradiktorisches, objektives Verfahren. Allerdings gibt es Äußerungsberechtigte (§ 77 BVerfGG), die angehört werden. So hat im vorliegenden Fall das Bundesumweltministerium Stellung genommen (vgl. BVerfG Rdnr. 55 - 60).

III. Nach Art 93 I Nr. 2 GG ist Zulässigkeitsvoraussetzung, dass Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel über die Gültigkeit der Rechtsnorm bestehen. Nach § 76 BVerfGG ist das der Fall, wenn der Antragsteller die Rechtsnorm entweder für nichtig hält oder für gültig hält, nachdem ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein sonstiges Staatsorgan das Recht als unvereinbar mit dem GG oder sonstigem Bundesrecht nicht angewendet hat. Hier liegt die erste Variante vor: die antragstellende Landesregierung hält § 12 ZuG für nichtig. Auf einen konkreten Anwendungsfall der Norm kommt es bei der abstrakten Normenkontrolle nicht an, also abweichend von der konkreten Normenkontrolle (Art. 100 GG) und von der Verfassungsbeschwerde.

Der Antrag im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ist somit zulässig.

B. Begründet ist der Antrag, wenn § 12 ZuG verfassungswidrig und entweder nichtig oder mit höherrangigem Recht unvereinbar ist (§ 78 BVerfGG).

I. Das BVerfG prüft grundsätzlich sämtliche formellen und materiellen Gesichtspunkte, von denen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes abhängt.

1. Formelle Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes ist zunächst die Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

a) Sie ergibt sich für das ZuG aus Art. 74 I Nr. 24 GG, weil der Schutz der Atmosphäre vor klimaschädlichen Abgasen zum Sachgebiet der Luftreinhaltung gehört.

b) Das ZuG wurde noch vor der Föderalismusreform erlassen, so dass die Voraussetzungen des Art. 72 II GG vorliegen mussten. Das war aber der Fall, denn bei der Einführung des Zertifikatsystems verlangte die Wirtschaftseinheit eine bundeseinheitliche Regelung. Bei einem heute erlassenen Gesetz wäre diese Voraussetzung allerdings nicht mehr zu prüfen, weil die Bundeskompetenz aus Art. 74 I Nr. 24 in Art. 72 II nicht aufgeführt und damit von dem Erfordernis des Art. 72 II freigestellt ist.

2. Bedenken dagegen, dass das Gesetzgebungsverfahren (Art. 76, 77, 78, 82 GG) ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, sind nicht ersichtlich.

II. Die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zur materiellen Überprüfung des § 12 ZuG könnte mit Rücksicht darauf eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen sein, dass der gesamte Regelungskomplex des TEHG und des ZuG auf europarechtliche Vorgaben zurückgeht. Das BVerfG behandelt an dieser Stelle die Aufteilung der Kontrolle von Hoheitsakten zwischen dem EuGH und dem BVerfG.

1. BVerfG Rdnr. 67: Das BVerfG ist grundsätzlich gehindert, über die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht zu entscheiden, da es sich hierbei nicht um einen Akt deutscher Staatsgewalt handelt (vgl. BVerfGE 22, 293 [295 ff.]; 37, 271 [281 f.]). Die Prüfung und die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit der Rechtsakte nach EU-Recht (Art. 249 EG: Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen) obliegt allein dem EuGH nach Art. 226 ff. EG. Dass diese Rechtsakte Rechtswirkungen auch in Deutschland haben, ist unerheblich und begründet keine Zuständigkeit zur primären Gültigkeitskontrolle durch ein deutsches Gericht. Kommt es allerdings in einem Verfahren vor einem deutschen Gericht auf die Gültigkeit (oder auch Auslegung) eines Gemeinschafts-Rechtsakts an und bestehen Bedenken gegen die Gültigkeit, so muss jedenfalls ein letztinstanzliches Gericht eine Prüfung des Rechtsakts mit dem Ziel vornehmen, die Frage der Gültigkeit nach Art. 234 EG dem EuGH vorzulegen (vgl. BVerfG Rdnr. 72). - Im vorliegenden Fall geht es nicht um einen Rechtsakt nach Gemeinschaftsrecht, sondern um § 12 ZuG, ein deutsches Gesetz.

2. TEHG und ZuG sind von europäischem Recht abgeleitetes deutsches Recht. Auch bei diesem wirkt sich aus, dass Art. 23 I 2 GG eine Übertragung von Hoheitsrechten auf die Gemeinschaft gestattet, dass diese auf den von den europäischen Verträgen erfassten Sachgebieten erfolgt ist und dass das Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang vor dem nationalen deutschen Recht hat.

a) BVerfG Rdnr. 68: Über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit nicht mehr aus und überprüft dieses Recht mithin nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, solange [deshalb wird diese Rspr. auch als „Solange-Rspr.“ bezeichnet] die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der jeweiligen Grundrechte generell verbürgt (vgl. BVerfGE 73, 339 [387]; 102, 147 [162 ff.]). Nach Auffassung des BVerfG gewährt der EuGH generell diesen Grundrechtsschutz (BVerfGE 73, 378; 102, 162/3), so dass der mit „solange“ eingeleitete Satzteil derzeit und voraussichtlich auch in Zukunft keine einschränkende Wirkung entfaltet.

 Rdnr. 69: Diese…bisher nur in Bezug auf Verordnungen…getroffenen Aussagen gelten auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 GG auch für Richtlinien. Auch eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, die eine Richtlinie in deutsches Recht umsetzt, wird insoweit nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes gemessen, als das Gemeinschaftsrecht keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben machtHierfür ist nicht erforderlich, dass die Richtlinie ausnahmsweise (insbesondere wegen nicht rechtzeitiger Umsetzung) unmittelbare Wirkung hat (BVerfG Rdnr. 71). Gleiches gilt auch für den Fall einer an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Entscheidung nach Art. 249 Abs. 4 EG, beispielsweise im Fall eines Beihilferückforderungsverlangens der Kommission…

Auch hier müssen deutsche Gerichte aber das Gemeinschaftsrecht im Falle von Gültigkeitsbedenken mit dem Ziel einer Vorlage nach Art. 234 EG prüfen. BVerfG Rdnr. Erklärt daraufhin der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine Richtlinie für ungültig, wird zwar das deutsche Umsetzungsgesetz nicht automatisch ebenfalls unbeachtlich. Jedoch ist dann Raum für eine Prüfung an den deutschen Grundrechten und gegebenenfalls für ein Vorlage nach Art. 100 GG… Nach der Nichtigkeitserklärung der RiLi durch den EuGH lebt also das bis dahin in der Anwendbarkeit gehinderte deutsche Verfassungsrecht wieder auf (vgl. auch Pajandeh DVBl 2007, 741 ff.).

b) Danach ist für die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des BVerfG wesentlich, ob die vorgenommene Umsetzung des europäischen Rechts durch deutsches Recht zwingend zu erfolgen hatte (auch als „1 zu 1-Umsetzung bezeichnet) - dann erfolgt keine Überprüfung des deutschen Rechts - oder ob der deutsche Gesetzgeber über einen Spielraum verfügte. Zum vorliegenden Fall BVerfG Rdnrn. 73, 74:

aa) Die Einführung des Emissionshandelssystems, das grundsätzliche Erfordernis der quantitativen Begrenzung und sukzessiven Minderung der Emissionen sowie die Genehmigungspflicht der Emissionen beruhen auf europäischem Gemeinschaftsrecht… Insoweit handelt es sich um die Umsetzung zwingenden Gemeinschaftsrechts.Derlei freiheitsverkürzende Maßnahmen, die ausschließlich auf Gemeinschaftsrecht beruhen, können folglich für sich genommen nur anhand der Gemeinschaftsgrundrechte gemessen werden. Insoweit übt das Bundesverfassungsgericht seine Jurisdiktion nicht aus.

bb) Die Anerkennung frühzeitiger Emissionsminderungen, wie § 12 ZuG sie vorsieht, ist dagegen ausdrücklich in das Gestaltungsermessen der Mitgliedstaaten gestellt. Nach Ziff. 7 des Anhangs III der RiLi 2003/87/EG kann der nationale Zuteilungsplan…Vorleistungen berücksichtigen.

§ 12 ZuG ist folglich anhand der Grundrechte des GG zu überprüfen. Die oben II. erwogene Beschränkung der Überprüfungsbefugnis des BVerfG besteht nicht.

III. Eine Verletzung des Art. 12 I GG und des Art. 14 I GG hat zur Voraussetzung, dass ein Eingriff in den Schutzbereich dieser Grundrechte vorliegt. Eingriff ist jeder Hoheitsakt, der nachteilig für die Ausübung der geschützten Freiheit ist.

1. Das BVerfG verneint eine nachteilige Wirkung des § 12 ZuG. Rdnr.76: § 12 ZuG hat ausschließlich privilegierende Funktion. Er erkennt frühzeitige Emissionsminderungen an und stellt die betreffenden Anlagenbetreiber besser als die Betreiber nicht modernisierter Bestandsanlagen, indem er sie keiner Kürzung durch den in § 5 ZuG grundsätzlich vorgesehenen Erfüllungsfaktor unterwirft… Soweit die Ast. hiergegen einwendet, im Zusammenhang mit der Begründung einer auf der Zuteilung von Rechten beruhenden neuen Marktordnung könne ein Grundrechtseingriff auch in einer unzureichenden Begünstigung liegen, kann dem nicht gefolgt werden.

2. Vielmehr ergibt sich der Eingriff in die Rechtsstellung der nicht durch § 12 ZuG begünstigten Unternehmen aus der Limitierung der zulässigen Emissionen und der Einführung des Handelssystems. Hiergegen richtet der Antrag aber nicht, sondern nur gegen § 12 ZuG, woran das BVerfG gebunden ist (BVerfG Rdnr. 64). Auch könnte dieser Eingriff vom BVerfG nach den Grundsätzen oben II 2 b aa) nicht überprüft werden.

3. Dass § 12 ZuG keinen Eingriff enthält, begründet das BVerfG unter Rdnr. 77 zusätzlich mit einem Blick auf die Rechtsfolge, die eintreten würde, wenn der Antrag Erfolg hätte. Dann wäre § 12 ZuG nichtig mit der Folge, dass überhaupt keine Vorleistungen berücksichtigt würden. Die von § 12 begünstigenden Unternehmen würden diese Begünstigung verlieren, ohne dass die anderen Unternehmen in den Genuss einer Begünstigung kämen.

Somit enthält § 12 ZuG keinen Eingriff in den Schutzbereich der Freiheitsrechte aus Art. 12 und 14 GG und kann diese nicht verletzen.

IV. Die durch § 12 ZuG vorgenommene Beschränkung der Begünstigung von Vorleistungen könnte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) verstoßen.

(Das BVerfG prüft die teilweise stark differenzierenden und hier nur vereinfacht wiedergegebenen Regelungen des ZuG vollständig nach und kommt zu fünf Ungleichbehandlungen, die es auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 I untersucht und sämtliche als verfassungsmäßig erkennt, vgl. Rdnrn. 86 - 109. Nach obigem Sachverhalt braucht nur auf die vom BVerfG als 4. Fall unter d) behandelte Ungleichbehandlung eingegangen zu werden.)

1. Ungleich behandelt werden diejenigen Unternehmen, die ihre Anlagen nach dem 1. 1. 1994 modernisiert haben, im Vergleich zu denen, die die Modernisierung bereits früher vorgenommen haben; letzteren wird die Anrechnung dieser Maßnahmen durch Ansatz des günstigeren Erfüllungsfaktors 1 versagt, so dass sie weniger Zertifikate und Emissionskontingente zugeteilt erhalten.

2. Die Ungleichbehandlung könnte aber gerechtfertigt sein.

a) Zunächst ist der Maßstab für die Beurteilung dieser Frage genauer zu bestimmen. Er entspricht dem Maß an Bindung, den der Gleichheitssatz für den Gesetzgeber bedeutet.

aa) BVerfG Rdnr. 79: Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen [also nach dem betroffenen Sachgebiet und danach, woran der Gesetzgeber bei der Ungleichbehandlung anknüpft] unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Kommt das Willkürverbot zur Anwendung, reichen für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sachliche Gründe jeder Art aus. Besteht eine Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse, so ist zu fragen, ob Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (BVerfG Rdnr. 80 mit Nachw.). Hierbei werden Art und Gewicht der Gründe bewertet und in ein Verhältnis zu der belastenden Seite der Ungleichbehandlung gesetzt, was zu einer strengeren Bindung des Gesetzgebers führt.

bb) Die strengere Bindung nimmt das BVerfG bei zwei Fallgruppen an: (1) Rdnr. 80: Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen [im Unterschied zur Ungleichbehandlung von Sachverhalten, vgl. noch unten cc (1)] unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. (2) Dem Gesetzgeber sind je engere Grenzen gesetzt, desto stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 99, 367 [388]).

cc) Zunächst sind die Grundsätze bb) auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

(1) BVerfG Rdnr. 81: Eine an personelle Merkmale anknüpfende Ungleichbehandlung ist nicht gegeben. Vielmehr knüpfen die Zuteilungsregeln des ZuG an sachliche Unterschiede zwischen den dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallenden Anlagen an. Hierdurch wird auch keine mittelbare Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Zwar entfielen laut der Stellungnahme der Bundesregierung zum vorliegenden Verfahren 84 % der Zuteilungen nach § 12 ZuG auf Anlagen in den neuen Bundesländern. Gleichwohl wird damit keine abgrenzbare Gruppe von Personen betroffen. Denn maßgeblich ist allein die Anlage als solche. Von ihrer Modernisierung und deren Zeitpunkt hängt die Ungleichbehandlung ab.

(2) Schließlich hat die hier zur Prüfung gestellte Vorschrift des § 12 ZuG - wie bereits festgestellt [oben III 1] - keinen Eingriffscharakter [= kein Eingriff in Freiheitsgrundrechte], so dass auch insoweit im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keine Bindung des Gesetzgebers an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angezeigt ist.

dd) Es besteht also keine strengere Bindung, sondern es gilt lediglich das Willkürverbot. Für einen weiten Spielraum des Gesetzgebers spricht auch, dass es sich um Vorschriften mit Lenkungswirkung im Interesse des Klimaschutzes handelt. BVerfG Rdnr. 82: Will der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten…fördern, das ihm aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist, hat er einen großen Gestaltungsspielraum.

b) Somit reicht für die Rechtfertigung der oben 1. aufgezeigten Ungleichbehandlung aus, dass für sie ein sachlicher Grund besteht.

aa) Im Einklang mit der Begründung der Bundesregierung und des Gesetzgebers sieht das BVerfG einen solchen Grund bereits darin, dass zur Feststellung einer relevanten Modernisierung von Anlagen vor dem Jahre 1994 Emissionsdaten aus weit zurückliegenden Zeiten, teilweise noch aus DDR-Zeiten, benötigt würden (zum Datenbedarf im einzelnen BVerfG Rdnr. 102), dass diese aber nicht zur Verfügung standen.

bb) BVerfG Rdnr. 103: Im Übrigen ist auch die Erwägung des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass er solche Maßnahmen unter klimapolitischem Blickwinkel aus Sicht des heutigen Standes der Technik nicht mehr für besonders förderungswürdig hält, die bei Inkrafttreten des Emissionshandels mindestens elf Jahre zurück liegen und von denen heute kein zusätzlicher Nutzen für eine weitere Reduktion der Treibhausgasemissionen mehr ausgeht. Deshalb sollten nur Modernisierungen gefördert werden, die in einer überschaubaren Zeit vorgenommen wurden. Bedurfte es danach eines Stichtages, so lässt sich die Festlegung auf den 1. 1. 1994 nicht als willkürlich bezeichnen. Folglich bestand für die in § 12 ZuG vorgenommene Differenzierung ein hinreichender sachlicher Grund.

3. Somit ist auch Art. 3 I nicht verletzt. § 12 ZuG verletzt kein Grundrecht. Er ist formell und materiell verfassungsmäßig. Der Antrag im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ist als unbegründet zurückzuweisen.

Zusammenfassung