Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 76 ff. BVerfGG. Beschränkungen der Prüfungsbefugnis des BVerfG aus EU-Recht. Faktisch-mittelbare Wirkungen eines Verwaltungshandelns als Eingriff in ein Grundrecht. Informationshandeln (behördliche Warnung) als Eingriff in die Berufsfreiheit, Art. 12 I GG. Veröffentlichung von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht zum Zwecke des Verbraucherschutzes. Verhältnismäßigkeitsprüfung; Unangemessenheit einer unbefristeten Warnung.

Nach BVerfG Beschluss vom 21. 3. 2018 (1 BvF 1/13) NJW 2018, 2109

Fall (Lebensmittelbranche am Pranger)

In § 40 Absatz 1 a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches des Bundes (LFGB) ist bestimmt:

Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels (künftig nur noch: Lebensmittel) sowie unter Nennung des Lebensmittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen…hinreichend begründete Verdacht besteht, dass
1.…
2. gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschungen oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.

Nach Absatz 3 ist das betroffene Unternehmen vorher anzuhören. Absatz 4 bestimmt: Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch heraus, ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen.

Die Vorschrift war eine Reaktion des Gesetzgebers auf diverse Lebensmittelskandale und auf den Vorwurf, die Kontrolle durch die Behörden sei nicht effektiv. Begründet wurde sie damit, die vorgeschriebenen Informationen seien zum Schutz der Verbraucher geboten, damit Konsumentscheidungen auf verlässlichen Tatsachengrundlagen möglich seien. Die Vorschrift schaffe die Rechtsgrundlage für Internet-Portale der Länder zur Veröffentlichung von negativen Ergebnissen amtlicher Lebensmittelkontrollen. Sie sei auch durch das EU-Recht geboten, da Art. 10 der EU-Verordnung 178/2002 (sog. BasisVO) die Verpflichtung enthält, die Öffentlichkeit bei einem hinreichenden Verdacht über ein Gesundheitsrisiko durch ein Lebensmittel aufzuklären.

Der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft hat ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des § 40 I a LFGB eingeholt, in dem ausgeführt wird, ein bloßer Verdacht könne nicht ausreichen, um ein Unternehmen an den Pranger zu stellen. Auch hätten Vorschriften, die vor Täuschung schützen oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, kein hinreichendes Gewicht, um einen möglicherweise existenzvernichtenden Eingriff zu rechtfertigen. Wenn § 40 I a LFGB es zulasse, dass Beanstandungen, die längst abgestellt sind, noch für längere Zeit im Internet zugänglich sind, führe das zu einer sinnlosen Belastung des Betroffenen. Zumindest müsste es auch bei solchen Verstößen eine Art Verjährung geben. Die Landesregierung des Landes L schließt sich diesen Argumenten an, hält die Vorschriften des § 40 I a LFGB deshalb für verfassungswidrig und will das BVerfG anrufen. Hätte ein dahingehender Antrag Aussicht auf Erfolg?

Lösung

Vorbemerkung: Der Fall ist auch abgedruckt in NVwZ 2018, 1056; DVBl 2018, 1063; JZ 2018, 994. Er wird besprochen von Wollenschläger JZ 2018, 980; Hamm NJW 2018, 2099; Wiemers NVwZ 2018, 1062; Becker NVwZ 2018, 1032; Kühn DVBl 2018, 1071; Sachs JuS 2018, 827; Muckel JA 2018, 638; Starke DVBl 2018, 1469.

A. Der Antrag müsste zulässig sein.

Für die Zulässigkeit eines Verfahrens vor dem BVerfG gibt es keine Generalklausel, insbesondere ist das BVerfG nicht bereits dann zuständig, wenn es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt. Vielmehr sind die einzelnen Zuständigkeitsfälle im GG und in einfachen Gesetzen aufgeführt und werden in § 13 BVerfGG zusammengestellt; es gilt das Enumerationsprinzip. Es ist daher zu prüfen, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine bestimmte Verfahrensart erfüllt sind. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sowie der Einstieg in die Begründetheitsprüfung ergeben sich teilweise aus dem GG, teilweise - aufgrund des Art. 94 II GG - aus dem BVerfGG. Im vorliegenden Fall könnte ein Verfahren der abstrakten Normenkontrolle zulässig sein.

Übersicht zu den Fällen der Normenkontrolle (NK) aufgrund Bundesrechts

(1) Bei einer prinzipalen NK (NK i. e. S.) zielt der Antrag direkt auf die Prüfung der Gültigkeit einer Norm. Solche Fälle sind
(a) die abstrakte NK nach Art. 93 I Nr. 2 und 2 a GG, §§ 76 ff. BVerfGG, die keinen konkreten Streitfall voraussetzt;
(b) die konkrete NK nach Art. 100 GG, §§ 80 ff. BVerfGG, der ein Vorlagebeschluss eines Fachgerichts in einem konkreten Streitfall zugrunde liegt;
(c) die gegen eine Norm gerichtete Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr. 4 a GG, §§ 90 ff. BVerfGG), wenn der Antragsteller durch die Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist;
(d) die Kommunalverfassungsbeschwerde zum BVerfG (Art. 93 I Nr. 4 b GG, § 91 BVerfGG);
(d) die verwaltungsgerichtliche NK gegen untergesetzliche Rechtsnormen (Bebauungspläne, Satzungen) zum OVG (§ 47 VwGO).

(2) Bei der Inzidenter-Kontrolle handelt es sich um einen Streitfall, der primär nicht auf die Gültigkeit einer Norm zielt, sondern z. B. auf die Rechtmäßigkeit eines VA, dessen Entscheidung aber von der Gültigkeit einer Norm abhängt, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm Vorfrage ist. Eine Inzidenter-Kontrolle kann in jedem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren und in jedem Rechtsgutachten erfolgen. Wichtige Fälle sind
(a) die Überprüfung eines Gesetzes durch das Fachgericht, die zu einem Vorlagebeschluss nach Art 100 GG führen kann;
(b) die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage bei einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen einen VA, ein Urteil oder einen anderen Einzelakt richtet (vgl. § 95 III 2 BVerfGG).

Im vorliegenden Fall könnte ein Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 ff. BVerfGG) zulässig sein.

I. Bei diesem Verfahren muss Streitgegenstand die Vereinbarkeit von Recht mit höherrangigem Recht sein (Art. 93 I Nr. 2 GG, Antragsgegenstand).

1. Der von der Landesregierung L zu stellende Antrag betrifft die Vereinbarkeit von Bundesrecht, des § 40 I a LFGB, mit dem Grundgesetz, gegen das nach Auffassung der Landesregierung die Vorschrift verstößt.

2. Das BVerfG wäre aber nicht zur Überprüfung der Vorschrift befugt, wenn diese auf der Umsetzung zwingenden EU-Rechts beruhte. Denn EU-Recht und darauf beruhendes nationales deutsches Recht ist nicht am Maßstab des GG zu prüfen und fällt nicht in die Prüfungskompetenz des BVerfG.

a) Soweit das LFGB das Informieren der Öffentlichkeit zum Schutz vor Gesundheitsgefährdungen vorschreibt, wird Art. 10 der EU-BasisVO umgesetzt, nach dem über einen Verdacht wegen eines Gesundheitsrisikos aufgeklärt werden soll. Insoweit erfolgt daher keine Überprüfung durch das BVerfG. § 40 I a LFGB betrifft aber auch den Schutz vor Täuschungen und der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen, der von der BasisVO nicht behandelt wird. BVerfG [20] § 40 Abs. 1 a LFGB beruht nicht auf zwingenden Vorgaben des Unionsrechts, sondern geht über diese hinaus und kann daher an den Grundrechten des GG gemessen werden (vgl. dazu BVerfGE 118, 79, 95 ff.; 121, 1, 15;…129, 78, 90 f.; 133, 127, 313; 142, 74, 112 Rn. 115;…). Zwar verpflichtet Art. 10 BasisVO die Behörde, Maßnahmen zur Aufklärung der Öffentlichkeit zu ergreifen, wenn ein hinreichender Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel oder Futtermittel ein Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier mit sich bringen kann… Die Veröffentlichungspflicht nach § 40 Abs. 1 a LFGB geht hingegen deutlich weiter. Sie betrifft Verstöße gegen die dort genannten lebensmittelrechtlichen Vorschriften, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Gesundheitsrisiko vorliegt.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich auch, dass die für den Erlass des § 40 I a LFGB angeführte Begründung, die Vorschrift sei durch EU-Recht geboten, nur auf Informationen wegen eines Gesundheitsrisikos zutrifft und nicht auf die anderen von § 40 I a LFGB erfassten Fälle (Becker NVwZ 2018, 1032).

b) Eine Sperrwirkung hätte Art. 10 BasisVO auch dann, wenn die Vorschrift die Information der Öffentlichkeit bei lebensmittelrechtlichen Verstößen abschließend regeln würde (zu den dahingehenden Auffassungen Wollenschläger JZ 2018, 981 Fn. 6 und S. 985). Das kann aber der Vorschrift, die lediglich eine bestimmte Verpflichtung wegen Gesundheitsrisiken normiert, nicht entnommen werden (vgl. EuGH NVwZ 2013, 1002). BVerfG [22] Selbst wenn neben den verfassungsrechtlichen Bedenken weiterhin Zweifel an der Vereinbarkeit von § 40 Abs. 1 a LFGB mit europäischem Sekundärrecht bestünden, könnte das BVerfG unabhängig hiervon auf einen Normenkontrollantrag hin die Vereinbarkeit von § 40 Abs. 1 a LFGB mit dem Grundgesetz überprüfen. (Ausführlich zum Verhältnis zwischen deutschen Grundrechten und EU-Recht insbesondere unter dem Aspekt der Prüfungskompetenz des BVerfG Wollenschläger JZ 2018, 984 ff.)

§ 40 a I LFGB ist daher ein zulässiger Antragsgegenstand in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle.

II. Wer Antragsteller (beteiligungsfähig) sein kann, ist in Art. 93 I Nr. 2 GG, § 76 I BVerfGG geregelt. Danach kann - neben der Bundesregierung und einem Drittel der Mitglieder des Bundestages - auch eine Landesregierung Antragsteller sein, also auch die Landesregierung L. Einen Antragsgegner gibt es in diesem Verfahren nicht; es handelt sich um ein nicht kontradiktorisches, objektives Verfahren. Die „Verteidigung“ des Bundesgesetzes übernimmt die Bundesregierung kraft ihrer Äußerungsberechtigung gemäß § 77 BVerfGG (vgl. BVerfG [9-11]).

III. Nach Art 93 I Nr 2 GG ist besondere Zulässigkeitsvoraussetzung (Antragsgrund), dass Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel über die Gültigkeit der Rechtsnorm bestehen. Nach § 76 ist das der Fall, wenn der Antragsteller die Rechtsnorm für nichtig hält (§ 76 I Nr. 1 BVerfGG) oder

für gültig hält, nachdem ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Organ des Bundes oder des Landes die Norm als unvereinbar mit dem GG oder sonstigem Bundesrecht nicht angewendet hat (§ 76 I Nr. 2 BVerfGG). Die Landesregierung L hält das Gesetz für verfassungswidrig, also für nichtig (§ 76 I Nr. 1).

IV. Für die abstrakte Normenkontrolle besteht keine Frist. Die Form des § 23 BVerfGG - Antrag schriftlich und mit Begründung - kann eingehalten werden.

Ein Antrag der Landesregierung im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ist zulässig.

B. Begründet ist der Normenkontrollantrag nach § 78 BVerfGG, wenn das angegriffene Gesetz mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist, bei einem Bundesgesetz: wenn es gegen das GG verstößt und verfassungswidrig ist. Das BVerfG prüft sämtliche formellen und materiellen Gesichtspunkte, nicht nur solche, die mit der Rechtsstellung des Antragstellers zusammenhängen.

I. In formeller Hinsicht muss dem Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz zustehen (Art. 70 ff. GG).

1. Nach Art. 74 I Nr. 20 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Lebensmittel.

2. In diesem Fall müssen auch die Voraussetzungen des Art. 72 II GG erfüllt sein. BVerfG [23] Die bundesrechtliche Regelung der Öffentlichkeitsinformation ist zur Wahrung der Wirtschaftseinheit erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG (vgl. dazu BVerfGE 138, 136, 176 f. Rn. 109), weil sie die Einheitlichkeit und Verständlichkeit der Information für ein bundesweites Marktgeschehen sichert. Eine solche Transparenz ist Voraussetzung für das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Informationen (…).

§ 40 I a LFGB ist also formell verfassungsmäßig.

II. In materieller Hinsicht könnte § 40 I a LFGB gegen ein Grundrecht verstoßen.

Auf welches Grundrecht schwerpunktmäßig abzustellen ist, ist nicht von vornherein klar. Im Originalfall hatte die Landesregierung als Antragstellerin sich primär auf eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I GG) berufen (BVerfG [7]). Das BVerfG stellt dagegen auf Art. 12 I GG als das speziellere Grundrecht ab (vgl. noch unten B IV); dem wird hier gefolgt.

§ 40 a I LFGB könnte das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) verletzen. Dafür müsste ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegen.

1. Beruf ist jede auf eine gewisse Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung oder Erhaltung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage.

a) Die von § 40 a I LFGB erfassten Lebensmittelunternehmen üben eine Erwerbstätigkeit in diesem Sinne aus, indem sie Lebensmittel gegen Entgelt anbieten. BVerfG [26] Art. 12 GG gewährt das Recht der freien Berufswahl und -ausübung und ist gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht (…).

b) Da § 4 I a LFGB die Erwerbstätigkeit der Unternehmen nicht grundsätzlich in Frage stellt, sondern sie lediglich gewissen Bedingungen unterwirft, bedarf es einer genaueren Bestimmung des Schutzbereichs. Diese nimmt das BVerfG zunächst negativ vor, [27] Allerdings schützt die Berufsfreiheit grundsätzlich nicht vor bloßen Veränderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit. In der bestehenden Wirtschaftsordnung umschließt das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs. Marktteilnehmer haben keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben… Regelungen, die die Wettbewerbssituation der Unternehmen lediglich im Wege faktisch-mittelbarer Auswirkungen beeinflussen, berühren den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGE 134, 204, 238 m. w. N.). Demgemäß ist nicht jedes staatliche Informationshandeln, das die Wettbewerbschancen von Unternehmen am Markt nachteilig verändert, ohne Weiteres als Grundrechtseingriff zu bewerten (vgl. BVerfGE 113, 63, 76).

Wie die Formulierung „als Grundrechtseingriff zu bewerten“ deutlich macht, kann die genauere Bestimmung des Schutzbereichs nur unter Bezugnahme auf bestimmte Eingriffe erfolgen; erforderlich ist eine eingriffsbezogene Abgrenzung des Schutzbereichs (ähnlich Sachs JuS 2018, 828 unter 2: „Frage des Grundrechtseingriffs). Deshalb ist nachfolgend zur Prüfung des Eingriffs überzugehen.

2. Ein Eingriff in ein Grundrecht erfolgt im Normalfall durch eine Regelung, die unmittelbare und final die grundrechtlich geschützte Freiheit beschränkt oder eine solche Beschränkung gestattet (sog. klassischer Eingriff). § 4 a I LFGB ist keine derartige Regelung. Weder der Erlass des § 4 a I LFGB noch die darauf gestützte Veröffentlichung verkürzen unmittelbar die Berufsfreiheit eines Unternehmens. Nachteilig für ein Unternehmen ist erst, wenn potenzielle Kunden von der Veröffentlichung Kenntnis erhalten und daraus Konsequenzen für ihr Konsumverhalten ziehen, beispielsweise in dem Lebensmittelgeschäft nicht mehr einkaufen. Diese Wirkung ist faktisch-mittelbarer Natur und ist die typische Wirkung eines staatlichen Informationshandelns durch Warnung. Im Fall BVerwG NVwZ 2018, 433 („Licht aus“) ging es um ein Informationshandeln des Bürgermeisters ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage, im vorliegenden Fall geht es um ein vom Gesetzgeber zugelassenes Informationshandeln.

a) Wann ein Informationshandeln ein Grundrechtseingriff ist, ist seit langem umstritten (vgl. BVerfGE 105, 252, Glykol; 105, 279, Osho; vgl. Sachs JuS 2018, 827 Fn. 1-4; Kühn DVBl 2018, 1071-1073; Muckel JA 2018, 639 unter B; Starke DVBl 2018, 1469). Das BVerfG knüpft an die oben B II 1 b [27] wiedergegebenen Ausführungen an, wonach ein Informationshandeln nicht stets ein Eingriff ist, bejaht aber einen Eingriff, wenn das Handeln nach seiner Zielsetzung und seiner Wirkung einem klassischen Eingriff gleichkommt. [28] Eingriffe liegen vor, wenn Normen, die zwar selbst die Berufstätigkeit nicht unmittelbar berühren, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, in ihrer Zielsetzung und ihren faktisch mittelbaren Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen (vgl. BVerfGE 105, 252, 273; 105, 279, 303; 113, 63, 76; 116, 135, 153; 118, 1, 20;…), wenn also die mittelbaren Folgen kein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind (vgl. BVerfGE 116, 202, 222 m. w. N.)… Die amtliche Information der Öffentlichkeit kommt in ihrer Zielsetzung und ihren faktisch-mittelbaren Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent jedenfalls dann gleich, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielt, indem sie die Grundlagen der Entscheidungen am Markt zweckgerichtet beeinflusst und so die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändert.

b) [29] § 40 Abs. 1 a LFGB verpflichtet die Behörden, der Öffentlichkeit lebensmittelrechtliche Verstöße von Unternehmen umfassend und in unternehmensspezifisch individualisierter Form mitzuteilen. Die umfassende Information der Verbraucher erfolgt zu dem Zweck, diese in die Lage zu versetzen, ihre Konsumentscheidung in Kenntnis der veröffentlichten Missstände zu treffen und gegebenenfalls vom Vertragsschluss mit den benannten Unternehmen abzusehen. Die Information zielt also direkt auf eine Veränderung der Marktbedingungen konkret adressierter Unternehmen. Diese Veränderungen sind für die betroffenen Unternehmen nicht bloßer Reflex einer nicht auf sie ausgerichteten gesetzlichen Regelung. Die informationellen Grundlagen von Konsumentscheidungen zu verändern, ist vielmehr der originäre Zweck der Regelung.Folglich kommen Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1 a LFGB… einem Eingriff in die Berufsfreiheit in ihrer Zielgerichtetheit und Wirkung gleich und sind darum an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Damit steht zugleich fest, dass die Maßnahme die für einen Eingriff in Art. 12 I GG erforderliche berufsregelnde Tendenz hat. (Mit diesen Ausführungen hat das BVerfG den sonderweg der Glykolentscheidung E 105, 252 aufgegeben und ist zur klassischen Grundrechtsdogmatik zurückgekehrt, dazu Wollenschläger JZ 2018, JZ 2018, 983/4.)

§ 40 I a LFGB enthält somit einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 I GG.

III. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein. Rechtfertigungsgrundlage ist der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 GG. Obwohl er nach seinem Wortlaut nur für die Berufsausübung gilt, wird er seit BVerfGE 7, 377, 401 (Apothekenurteil) auf den gesamten, als einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit verstandenen Art. 12 I GG ausgedehnt, also auch auf die Berufswahl. Im vorliegenden Fall betrifft § 40 I a LFGB nur die Berufsausübung.

Seit BVerfGE 7, 377 und über lange Zeit wurden unterschiedliche Anforderungen an Regelungen der Berufswahl und der Berufsausübung gestellt und bei der Berufswahl wiederum zwischen objektiven und subjektiven Zulassungsvoraussetzungen unterschieden, was zu einer Drei-Stufen-Lehre führte. Seit einiger Zeit wendet das BVerfG diese aber nicht mehr an. Auch in der hier behandelten Entscheidung taucht der Begriff nicht auf, geprüft wird ausschließlich die Verhältnismäßigkeit (vgl. [30]); ebenso im Fall BVerfG NJW 2018, 2542, wo es sogar um eine Einschränkung der Berufswahl ging, vgl. [40] und [42]. Die Drei-Stufen-Lehre ist auch entbehrlich. Denn dass an Zulassungsvoraussetzungen strengere Anforderungen zu stellen sind als an bloße Ausübungsregelungen, kann innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden. Dementsprechend wird hier die Drei-Stufen-Lehre nicht herangezogen.

Der Eingriff ist materiell gerechtfertigt, soweit § 40 I a LFGB dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht. Das ist nach BVerfG [30] der Fall, wenn § 40 I a LFGB legitime Zwecke verfolgt, …die Informationsverbreitung dafür…geeignet und erforderlich… sowie verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen) ist. Daraus folgt eine vierstufige Prüfung.

1. Die Information der Öffentlichkeit über Missstände im Lebensmittelbereich muss legitimen Zwecken dienen. Ein Zweck ist, Verbrauchern zu ermöglichen, Konsumentscheidungen auf verlässlichen Tatsachengrundlagen zu treffen. Zu diesen Tatsachen gehört, ob in einem Lebensmittel anbietenden Betrieb die Vorschriften über den Schutz vor Täuschungen oder über hygienische Anforderungen beachtet oder nicht beachtet werden. Ein weiterer Zweck geht dahin, durch den drohenden Nachteil der Veröffentlichung die Unternehmen dazu zu veranlassen, ihr Unternehmen im Einklang mit den lebensmittelmittelrechtlichen Vorschriften zu betreiben. Insofern hat das § 40 I a LFGB einen generalpräventiven Zweck. BVerfG [31] Die Information der Öffentlichkeit über lebensmittelrechtliche Missstände dient legitimen Zwecken.

2. Die Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB muss zur Erreichung der unter 1. genannten Zwecke geeignet sein. BVerfG [37] Eine gesetzliche Regelung ist bereits dann verfassungsrechtlich geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung ausreichend ist (vgl. BVerfGE 126, 112, 144; st. Rspr.).


a) Die Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB ermöglicht den Verbrauchern, bei betroffenen Unternehmen sich genauere Gedanken zu machen, ob sie mit diesen in einen Geschäftsverkehr treten wollen. Auch kann eine drohende Veröffentlichung Unternehmen dazu anhalten, stärker gesetzlichen Anforderungen nachzukommen. Insoweit ist die Veröffentlichung geeignet.

b) Allerdings wendet sich das im Sachverhalt wiedergegebene Gutachten dagegen, dass Beanstandungen, die abgestellt sind, noch für längere Zeit in einem Internet-Portal zugänglich sind. Das sieht BVerfG [38] aber anders: Nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist zur Zweckerreichung geeignet… Die Publikation behobener Verstöße erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften. Daneben dient die Veröffentlichung behobener Verstöße auch dem Ziel der Verbraucherinformation, weil auch Informationen über rechtsverletzendes Verhalten in der Vergangenheit für die Konsumentscheidung Bedeutung haben können.

c) Als Grundlage für Konsumentenentscheidungen sind Publikationen nur geeignet, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht richtig sind. Dass sie bei ihrer Veröffentlichung nicht falsch sein dürfen, ist selbstverständlich (Becker NVwZ 2018, 1033) und brauchte im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt zu werden. Den Fall, dass sich nachträglich die Unrichtigkeit herausstellt, regelt § 40 IV LFGB.

aa) Eine solche Regelung ist nötig, damit die Gesamtregelung geeignet ist. BVerfG [39] Der Gesetzgeber hat auch hinreichend berücksichtigt, dass nur die Verbreitung richtiger Information zur Erreichung des Informationszwecks geeignet ist (vgl. BVerfGE 105, 252, 272). Nach § 40 Abs. 4 LFGB ist die Behörde gegebenenfalls zur Richtigstellung verpflichtet.

bb) Das BVerfG hält diese Regelung aber nicht für ausreichend und entnimmt der Vorschrift eine weitergehende Verpflichtung, [39-41]: Zur Sicherstellung der Eignung müssen die Behörden bei der Rechtsanwendung von Verfassungs wegen weitere Vorkehrungen treffen, um die Richtigkeit der Information zu sichern und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden. Die zuständigen Behörden müssen die Information mit der Mitteilung verbinden, ob und wann ein Verstoß behoben wurde…. Für die Verbraucherentscheidung wird es regelmäßig eine Rolle spielen, ob und wie schnell ein Verstoß abgestellt wurde. Zwar sieht das Gesetz eine solche Mitteilung nicht ausdrücklich vor. Die zuständigen Behörden haben die Regelung insoweit verfassungskonform anzuwenden. (Die Entscheidung enthält drei Fälle einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung, worin Wiemers NVwZ 2018, 1063 das Bestreben des BVerfG sieht, „die Regelung zu retten“; das ist der 1. Fall.)

Mit dieser Maßgabe ist § 40 I a LFGB geeignet.

3. Die Regelung des § 40 I a LFGB muss erforderlich sein. BVerfG [47] Eine staatliche Maßnahme darf nicht über das zur Verfolgung ihres Zwecks erforderliche Maß hinaus- und nicht weitergehen, als der mit ihr intendierte Schutzzweck reicht (…). An der Erforderlichkeit fehlt es, wenn dem Normgeber ein gleich wirksames, aber für den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastendes Mittel zur Erreichung des Ziels zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 113, 167, 259; 135, 90, 118; st. Rspr.).

a) Liegt ein Verstoß erwiesenermaßen vor, könnte dem Unternehmen überlassen bleiben, wie es das Publikum warnt (sog. Selbsteintrittsrecht). BVerfG [47] Ein Selbsteintrittsrecht wäre zwar ein milderes Mittel als die behördliche Information, wäre aber nicht ebenso effektiv. Insbesondere birgt es die Gefahr lückenhafter Verbraucherinformation. Denn dem Unternehmen würde es schwerfallen, seine Kunden vor sich selbst zu warnen.

b) Wie im Sachverhalt angesprochen wird, liegt eine besondere Belastung darin, dass § 40 I a LFGB ermöglicht, die Veröffentlichung bereits bei einem bloßen Verdacht vorzunehmen.

aa) BVerfG [43] Die Einbeziehung von Verdachtsfällen in die Informationsregelung ist nicht zu beanstanden, weil dies zur Erreichung der Gesetzeszwecke unverzichtbar ist. Dürfte eine Veröffentlichung erst dann erfolgen, wenn ein Verstoß bestandskräftig oder rechtskräftig festgestellt wäre, würde die Information der Öffentlichkeit durch die vielfach zu erwartende Einlegung von Rechtsbehelfen häufig hinausgezögert und die Informationsregelung damit um ihre Effektivität gebracht (…). Um eigenverantwortliche Konsumentscheidungen treffen zu können, benötigen Verbraucherinnen und Verbraucher aktuelle Informationen.

bb) [42, 44] Um zu verhindern, dass Informationen verbreitet werden, die nicht richtig und damit zur Erreichung der Gesetzeszwecke ungeeignet sind, darf von der nach § 40 Abs. 1 a LFGB bestehenden Möglichkeit, die Öffentlichkeit bereits im Fall des Verdachts eines Verstoßes zu informieren, nur unter strengen Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden. (2. Fall der verfassungskonformen Auslegung.) Insbesondere sind an die Tatsachengrundlage des Verdachts von Verfassungs wegen hohe Anforderungen zu stellen. Dem wird § 40 Abs. 1 a LFGB bei entsprechender Anwendung gerecht. § 40 Abs. 1 a LFGB verlangt einen hinreichend begründeten Verdacht. Ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht der Behörde genügt nicht (…). Im Fall der Entnahme von Proben hat der Gesetzgeber die Behörde praktisch zu einer abschließenden Ermittlung der Tatsachen verpflichtet. Hieran hat sich das Maß erforderlicher Tatsachenaufklärung auch für den Fall zu orientieren, dass dem Verdacht eines Verstoßes nicht durch Proben, sondern auf andere Weise, etwa durch Betriebskontrollen, nachgegangen wird. Auch dann müssen die den Verdacht begründenden Tatsachen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sein. (Kritisch dazu, dass ein Verdacht ausreicht: Hamm NJW 2018, 2101/2.)

Mit dieser Maßgabe ist § 40 I a LFGB erforderlich.

4. § 40 I a LFGB müsste auch dem Gebot der Angemessenheit entsprechen, vom BVerfG als Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn bezeichnet. [49] Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die Schwere der gesetzgeberischen Grundrechtsbeschränkung bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsgewicht der Regelung und dem verfolgten gesetzgeberischen Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen (vgl. nur BVerfGE 133, 277, 322 m. w. N.; st. Rspr.).

a) Die zur Rechtfertigung des Eingriffs heranzuziehenden Gründe ergeben sich aus den oben B III 1 aufgeführten Zielen. Großes Gewicht hat zunächst der Schutz vor Gesundheitsgefahren. Zu den anderen Zielen BVerfG [49] Die angegriffene Regelung verfolgt wichtige Ziele… Dass die Rechtsverstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind, steht dem nicht entgegen, weil auch der Schutz vor Täuschung und der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind. Dass einzelne Vorschriften, die vor Täuschung schützen oder die der Einhaltung der Hygiene dienen, weniger Gewicht haben, ist zwar richtig. Jedoch muss im Falle einer Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB hinzukommen, dass in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist, was Verschulden voraussetzt. BVerfG [54] Neben der Bußgelderwartung muss der Verstoß von nicht nur unerheblichem Ausmaß sein. Dem kommt für die verfassungskonforme Anwendung [3. Fall] der Regelung entscheidende Bedeutung zu…. Deshalb können nur solche Verstöße als erheblich gelten, die von hinreichendem Gewicht sind, um für die betroffenen Unternehmen potentiell gravierende Folgen zu rechtfertigen.

b) Die Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung bei den betroffenen Unternehmen ist unterschiedlich. Weniger gravierend sind beispielsweise Hygieneverstöße, bei denen vermerkt wird, dass sie bereits behoben sind. Zu schwerwiegenderen Folgen BVerfG [34] Die mit der Information der Öffentlichkeit einhergehende Beeinträchtigung der betroffenen Unternehmen kann von großem Gewicht sein. Je nach technischer Ausgestaltung können die Informationen insbesondere durch die Veröffentlichung im Internet sehr weite Verbreitung finden (vgl. dazu bereits BVerfGE 104, 65, 72)… Diese weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung von teilweise nicht endgültig festgestellten… Rechtsverstößen kann zu einem erheblichen Verlust des Ansehens des Unternehmens und zu Umsatzeinbußen führen, was im Einzelfall bis hin zur Existenzvernichtung reichen kann. Dabei ist auch zu bedenken, dass § 40 I a LFGB kein Ermessen einräumt, sondern die Behörden bei Vorliegen der Voraussetzungen zu einer Veröffentlichung verpflichtet sind.

c) Im Ergebnis rechtfertigen aber die gewichtigen Ziele des § 40 I a LFGB, insbesondere der Gesundheits- und Verbraucherschutz, und die aufgezeigten strengen Voraussetzungen für eine Veröffentlichung die Belastungen. Dabei ist wesentlich die Überlegung, dass das betroffene Unternehmen die Maßnahme veranlasst hat und dass es sie hätte vermeiden können. Nach BVerfG [36] wird das Gewicht des Grundrechtseingriffs dadurch vermindert, dass die betroffenen Unternehmen negative Öffentlichkeitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlassen und den Eingriff durch rechtstreues Verhalten verhindern können, und dass ihr Fehlverhalten angesichts seiner Konsequenzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (… zur Verhältnismäßigkeit der Regelung auch Wollenschläger JZ 2018, 982; kritisch insoweit Becker NVwZ 2018, 1033). BVerfG [49] Im Grundsatz ist es angemessen, die Interessen der Unternehmen im Fall eines im Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurücktreten zu lassen.

d) Nicht mehr angemessen könnte aber sein, dass für eine Veröffentlichung nach § 40 I a LFGB keine Frist bestimmt ist, nach der sie zu löschen ist.

BVerfG [57, 58] Die mit der Regelung einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen geraten mit der Dauer der Veröffentlichung außer Verhältnis zu den mit der Veröffentlichung erreichbaren Zwecken…. Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer ist auf der einen Seite noch der objektive Informationswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt. Je länger eine für das Unternehmen negative Information in der Öffentlichkeit verbreitet wird, desto größer ist auf der anderen Seite dessen Belastung, weil umso mehr Verbraucherinnen und Verbraucher im Laufe der Zeit von dieser Information zuungunsten des Unternehmens beeinflusst werden können… Eine zeitliche Begrenzung der Veröffentlichung ist daher verfassungsrechtlich geboten. Dem steht nicht entgegen, dass eine zeitliche Begrenzung im Fall der Verbreitung im Internet nicht vollständig realisiert werden könnte. Eine Befristung hätte jedenfalls zur Folge, dass die zeitliche Begrenzung der unmittelbaren Verbreitung die Belastung abmildert und darum zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit geboten ist.

BVerfG [63] Danach ist § 40 Abs. 1 a LFGB insoweit mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, als die Information der Öffentlichkeit nicht gesetzlich befristet ist. Art. 12 I GG ist verletzt.

IV. BVerfG [63] Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung tritt hinter Art. 12 Abs. 1 GG zurück, weil der Schutz von Unternehmen im Wettbewerb hier von der sachlich spezielleren Grundrechtsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG vollständig erfasst wird (vgl. BVerfGE 105, 252, 279 m. w. N.). Würde - umgekehrt - statt des Art. 12 I GG schwerpunktmäßig das Recht auf informelle Selbstbestimmung geprüft, so würde die Prüfung im Prinzip wie die des Art. 12 I GG verlaufen, weil auch Art. 2 I GG als verfassungsrechtliche Grundlage dieses Rechts unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Rechtsordnung und damit unter Gesetzesvorbehalt steht. Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keine geringeren Anforderungen als Art. 12 I GG stellt (vgl. Becker NVwZ 2018, 1033), wäre auch danach eine Befristung geboten.

C. Es ist die weitere Rechtsfolge zu bestimmen, die die Konsequenzen daraus zieht, dass das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle wegen Verletzung des Art. 12 I GG begründet ist, und die sich im Tenor der Entscheidung des BVerfG ausdrückt. Zugleich wird damit die Frage des Sachverhalts beantwortet, ob ein Antrag vor dem BVerfG Aussicht auf Erfolg hat.

I. Nach § 78, 1 BVerfGG ist das gegen das GG verstoßende Gesetz für nichtig zu erklären. Doch wäre dieser Ausspruch durch die festgestellte Verfassungswidrigkeit nicht gerechtfertigt:

1. Verfassungswidrig ist das Fehlen der Befristung, also ein Unterlassen des Gesetzgebers. Ein solches kann nicht für nichtig erklärt werden.

2. Das ganze Gesetz für nichtig zu erklären, ist nicht zulässig, weil (so BVerfG [63]) § 40 Abs. 1 a LFGB verfassungsrechtlichen Schutzaufträgen dient (oben B III 1), die größeres Gewicht haben als das Befristungsgebot (vgl. BVerfGE 127, 293, 333 f. m. w. N.).

II. Die Befristung in das Gesetz einzufügen, ist eine Maßnahme, die aus Gründen der Gewaltenteilung dem Gesetzgeber vorbehalten und dem BVerfG versagt ist. Die Entscheidung des BVerfG kommt dem aber ziemlich nahe.

1. Das BVerfG erklärt § 40 I a LFGB insofern für mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, als die dort angeordnete Veröffentlichung nicht zeitlich begrenzt ist. (Zur Möglichkeit einer bloßen Unvereinbarkeitserklärung vgl. § 31 II 2 BVerfGG.)

2. Zur Abwendung der Nichtigkeit der Regelung obliegt es dem Gesetzgeber, bis zum 30. April 2019 eine Regelung zur Dauer der Veröffentlichung zu treffen.

3. Bis zu einer solchen Neuregelung, längstens aber bis zum 30. April 2019, darf die angegriffene Vorschrift nach Maßgabe der Gründe weiter angewandt werden.

4. „Nach Maßgabe der Gründe“ bedeutet die Erwartung, dass die Behörden eine Veröffentlichung auf 12 Monate begrenzen (Sachs JuS 2018, 829 unter 3).

Ergebnis: Der Antrag hat nur im Hinblick auf das Fehlen einer Befristung Aussicht auf Erfolg. Die in § 40 I a LFGB grundsätzlich getroffene Regelung ist nicht nichtig, insoweit bleibt der Antrag ohne Erfolg.

Zusätzlicher Hinweis: Die Informationsverschaffung und die Rechtsfolgen falscher Informationen im Privatrecht werden behandelt von Regenfus NJW 2018, 2225.


Zusammenfassung