Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

► Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG); Datenschutz. ► Eingriff durch automatischen Kfz.-Kennzeichenabgleich. ► Rechtfertigung; Verhältnismäßigkeit. ► Schleierfahndung als Ausgleich für Wegfall der Grenzkontrollen. ► Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr

BVerfG Beschlüsse vom 18. 12. 2018: 1 BvR 142/15 = NJW 2019, 827, 1 BvR 2795/09 und 3187/10 = NJW 2019, 842

Fall (Kennzeichenkontrolle)

§ 22 Abs. 1 PolG des Landes L ermächtigt die Polizei zu automatisierten Kontrollen von Kraftfahrzeugkennzeichen unter folgenden Voraussetzungen: nach Nr. 1 zur Abwehr einer Gefahr, nach Nr. 2 zur Kontrolle an - näher bezeichneten - gefährlichen Orten, nach Nr. 3 bei Verdacht einer Straftat für Zwecke der Strafverfolgung und nach Nr. 4 zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität auf Durchgangsstraßen (Bundesautobahnen, Bundesstraßen und anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität). Nach § 22 Abs. 2 dürfen Kontrollen nicht flächendeckend und nicht dauerhaft erfolgen.

Bei der Kennzeichenkontrolle erfasst eine Kamera verdeckt das Kennzeichen eines vorbeifahrenden Kraftfahrzeugs, speichert es kurzzeitig, zusammen mit Angaben zu Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung, und sendet es an einen für die Kontrolle vorbereiteten Computer. Dieser enthält eine Datei mit den Kennzeichen der vom Landeskriminalamt zur Fahndung ausgeschriebenen Fahrzeuge. Mit diesen Daten wird das erfasste Kennzeichen abgeglichen. Ergibt der Abgleich nicht, dass das Kennzeichen in der Fahndungsdatei enthalten ist (Nichttreffer), wird der Datensatz automatisch und sofort gelöscht. Meldet das System einen Treffer, überprüft ein Polizeibeamter an einem Bildschirm visuell, ob das aufgenommene Bild des Kennzeichens mit dem Kennzeichen aus der Fahndungsdatei übereinstimmt. Ist das nicht der Fall, etwa wegen eines Fehlers bei der Erfassung (unechter Treffer), wird der Datensatz durch den Polizeibeamten manuell gelöscht. Bei einer Übereinstimmung (echter Treffer) bleiben die Daten gespeichert und werden für weitere Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften verwendet.

B, der im Lande L zwei Wohnsitze hat und regelmäßig mit dem Auto zwischen ihnen auf der Autobahn unterwegs ist, geht davon aus, dass er in eine solche Kennzeichenkontrolle gerät. Er sieht darin einen Eingriff in seine Grundrechte, den er für verfassungswidrig hält. Nach seiner Kenntnis führten die Kennzeichenkontrollen überwiegend dazu, nicht versicherte oder gestohlene Fahrzeuge aufzuspüren, und seien deshalb solche der Überwachung des Straßenverkehrs und der Strafverfolgung, für die das Land keine Gesetzgebungskompetenz habe. Auch sei § 22 I PolG unverhältnismäßig, insbesondere weil § 22 I Nr. 1 PolG einfache Gefahren wie solche der Alltagskriminalität ausreichen lasse, um massenhaft unbescholtene Bürger zu kontrollieren, und Nr. 4 eine anlasslose Kontrolle auf praktisch allen bedeutsamen Straßen zulasse. Auch verstoße es gegen die Rechtsschutzgarantie, dass die Kontrolle verdeckt erfolge, der Betroffene davon nichts erfahre und sich dagegen auch nicht wehren könne, zumal die Kontrolle nicht einmal dokumentiert werde. Gestützt auf diese Gründe hat B im Wege einer verwaltungsgerichtlichen Klage vom Land Unterlassung der Kontrollen verlangt. Für das beklagte Land hat die Landesregierung Stellung genommen und ausgeführt, B könne durch die Kontrollen nicht in einem Recht verletzt sein, weil sein Fahrzeug - wie er selbst vorträgt - nicht auf der Fahndungsliste stehe und deshalb nicht als „Treffer“ gespeichert werden könne. Im Übrigen sei § 22 PolG verfassungsmäßig. Die Ermächtigungen in § 22 I Nr. 1, 2, 3 beruhten auf bewährten Grundsätzen des Polizeirechts, Nr. 4 sei ein Ausgleich wegen des unionsbedingten Wegfalls der innereuropäischen Grenzkontrollen. Die Klage ist in allen drei Instanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob der von B geltend gemachte Unterlassungsanspruch anerkannt werden könne; jedenfalls verstoße § 22 PolG weder gegen Grundrechte noch gegen andere Vorschriften des Grundgesetzes.

Nach Zustellung des klageabweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts beabsichtigt B die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Er bittet um eine Prüfung der Erfolgsaussichten. Dabei soll mit Rücksicht darauf, dass sein eigentliches Anliegen die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 22 PolG ist, auch der Frage nachgegangen werden, ob die VfB direkt gegen § 22 PolG gerichtet werden kann.

Lösung

Vorbemerkung: Im Originalfall lagen den Entscheidungen des BVerfG drei Verfassungsbeschwerden zugrunde. Die im Beschluss NJW 2019, 827 behandelte VfB 142/15 richtete sich gegen die im Bayer. Polizeiaufgabengesetz zugelassene Kennzeichenkontrolle. Der Beschluss NJW 2019, 842 fasst die beiden anderen VfBen zusammen, von denen sich die VfB 2795/09 gegen Vorschriften des Bad.-Württ. PolG und die VfB 3187/10 gegen Vorschriften des HessSOG richtete. Die nachfolgenden Zitate stammen primär aus dem Beschluss NJW 2019, 827; soweit sie dem anderen Beschluss entnommen werden, werden sie als „BVerfG NJW 842“ gekennzeichnet. – Die gesetzlichen Vorschriften in den Originalfällen waren für die hier vorzunehmende Fallbearbeitung zu umfangreich und auch durch Verweisungen zu unübersichtlich. Sie sind deshalb im Sachverhalt wesentlich vereinfacht worden. Der vereinfachten Gesetzesfassung sind auch die Originalzitate angepasst worden. – Die Begründungen der Beschlüsse sind sehr ausführlich und sprechen zahlreiche Probleme an (sie füllen in der NJW - teilweise bereits gekürzt - 21 Seiten); daraus können nachfolgend nur die Teile behandelt werden, die für den vereinfachten Sachverhalt wesentlich sind. – Die Entscheidungen sind auch abgedruckt in NVwZ 2019, 381 mit Anm. Schnieders und NVwZ 2019, 398 mit Anm. Wiemers. Besprechungen: Roggan NVwZ 2019, 344; Muckel JA 2019, 311; Sachs JuS 2019, 504 und 730 (zur prozessualen Seite).

A. Zulässigkeit der VfB

I. Beschwerdegegenstand der VfB muss ein Akt der öffentlichen Gewalt (§ 90 I BVerfGG) sein, besser bezeichnet als Hoheitsakt. Ergangene Hoheitsakte sind im vorliegenden Fall § 22 PolG und die verwaltungsgerichtlichen Urteile. Als möglicherweise angreifbarer Hoheitsakt ist auch eine Kennzeichenkontrolle selbst in Betracht zu ziehen.

1. Ist ein Gesetz erlassen und sind Urteile ergangen, die dieses Gesetz anwenden, richtet sich die VfB grundsätzlich primär gegen die Urteile oder, wenn nur das letztinstanzliche Urteil für den Betroffenen ungünstig ist, gegen dieses. Denn ein Urteil konkretisiert die Betroffenheit des Beschwerdeführers und legt dadurch fest, in welchem Umfang eine Grundrechtsverletzung möglich ist oder tatsächlich vorliegt. Dessen Regelung ist spezieller als die des allgemeinen Gesetzes. Im vorliegenden Fall wurde das erlassene Gesetz (§ 22 PolG) vom BVerwG für verfassungsmäßig erklärt, darauf die Klageabweisung gestützt, und dadurch angewendet. Danach ist die von B zu erhebende VfB gegen die Urteile, primär gegen das Urteil des BVerwG zu richten; sie ist eine Urteilsverfassungsbeschwerde.

Dass vielfach und auch im Fall des B der wesentliche Einwand sich gegen das zugrunde liegenden Gesetz richtet, hat zur Folge, dass das Gesetz innerhalb des dem Urteil zugrunde liegenden Gedankengangs - inzidenter - überprüft wird. Das BVerfG erkennt das regelmäßig und auch im vorliegenden Fall dadurch an, dass es die VfB a) unmittelbar gegen die verwaltungsgerichtlichen Urteile und b) mittelbar gegen § 22 PolG richtet (vgl. auch § 95 III 2 BVerfGG). Auf diese Weise kann dem Anliegen des B, die Verfassungsmäßigkeit des § 22 PolG überprüfen zu lassen, bereits im Wesentlichen Rechnung getragen werden. Zugleich wird die Voraussetzung für eine Urteilsverfassungsbeschwerde erfüllt, wonach eine spezifische Verfassungsverletzung gerügt werden muss, da die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes stets eine verfassungsspezifische - und keine einfachgesetzliche - Frage ist.

2. Da nach dem Auftrag des B auch der Frage nachgegangen werden soll, ob die VfB direkt gegen § 22 PolG gerichtet werden kann, ist festzustellen, dass auch ein Gesetz ein mit der VfB angreifbarer Hoheitsakt ist (vgl. § 95 III 1 BVerfGG). Insoweit handelt es sich um eine gegen § 22 PolG gerichtete (Normenkontroll- oder Rechtssatz-) VfB.

3. Eine Notwendigkeit, daneben die Kennzeichenkontrolle selbst als Beschwerdegegenstand zu betrachten, besteht nicht, zumal sich aus dem Sachverhalt nicht ergibt, dass eine Kennzeichenkontrolle gegenüber B tatsächlich durchgeführt wurde.

II. B muss geltend machen, in einem Grundrecht verletzt zu sein (§ 90 I BVerfGG).

1. BVerfG [31] B macht geltend, durch automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen, denen er als Verkehrsteilnehmer ausgesetzt sei, …in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt zu sein. Die Frage, ob eine Kennzeichenkontrolle gegenüber B tatsächlich einen Grundrechtseingriff begründet, ist wesentlicher Gegenstand des vorliegenden Verfahrens… Insoweit ist eine Grundrechtsverletzung jedenfalls möglich.

2. Soweit die VfB gegen § 22 PolG gerichtet wird (oben I 2), muss B durch § 22 PolG unmittelbar, selbst und gegenwärtig betroffen sein.

a) § 22 PolG bedarf, um eine Wirkung gegenüber B zu haben, noch einer Umsetzung durch die Anordnung und Durchführung einer Kontrolle. Grundsätzlich wird in einem solchen Fall die Unmittelbarkeit verneint. Der Betroffene muss den Vollzugsakt abwarten und kann erst gegen diesen vorgehen. Anders liegt es aber im vorliegenden Fall. BVerfG NJW 842 [35]: Es fehlt nicht an einer unmittelbaren Betroffenheit. Zwar bedürfen die angegriffenen Regelungen der Umsetzung durch weitere Vollzugsakte. Von einer unmittelbaren Betroffenheit durch ein vollziehungsbedürftiges Gesetz ist jedoch auch dann auszugehen, wenn ein Bf. den Rechtsweg nicht beschreiten kann, weil er keine Kenntnis von der Maßnahme erlangt… (…). So liegt es hier. B ist also unmittelbar betroffen.

b) [38, 39] Der Bf. ist durch die angegriffenen Vorschriften auch selbst und gegenwärtig betroffen. Ergibt sich die konkrete Beeinträchtigung erst durch die Vollziehung des angegriffenen Gesetzes und erlangen die Betroffenen keine Kenntnis von den Vollzugsakten, besteht jedenfalls die Möglichkeit der eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit, wenn der Bf. darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Rechtsnormen beruhenden Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird. Hier trägt der Bf. vor, Halter eines Pkw zu sein und mit ihm regelmäßig auf Straßen in dem Bundesland unterwegs zu sein. Dies reicht für die Annahme einer eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit aus (vgl. BVerfGE 120, 378, 396 f.).

BVerfG NJW 842 [34] Folglich ist der Bf. durch die angegriffenen Vorschriften unmittelbar, selbst und gegenwärtig in seinen Grundrechten betroffen. Die VfB erfüllt damit die spezifischen Anforderungen für die VfB gegen ein Gesetz.

III. Grundsätzlich muss vor Erhebung einer VfB der Rechtsweg erschöpft sein, sofern er zulässig ist (§ 90 II 1 BVerfGG).

1. Soweit die VfB als Urteilsverfassungsbeschwerde erhoben wird (oben I 1), richtet sie sich wesentlich gegen das letztinstanzliche Urteil des BVerwG, gegenüber dem kein (einfacher) Rechtsweg mehr zulässig ist.

2. Wird die VfB direkt gegen § 22 PolG gerichtet (oben I 2), ist ein (einfacher) Rechtsweg dagegen nicht vorgesehen (vgl. § 93 III BVerfGG) und braucht nicht ausgeschöpft zu werden. Die von B durchgeführte Klage auf Unterlassung der Kontrollen ist kein unmittelbar gegen § 22 PolG gerichteter Rechtsweg (sie hat aber Bedeutung im Rahmen der nachfolgenden Subsidiaritätsprüfung).

IV. Soweit die VfB direkt gegen § 22 PolG gerichtet wird und eine Rechtswegerschöpfung nicht vorzuliegen braucht, könnte das Prinzip der Subsidiarität einer Zulässigkeit der VfB entgegenstehen.

1. BVerfG NJW 842 [41-45] Auch vor der Erhebung von Rechtssatzverfassungsbeschwerden sind nach dem Grundsatz der Subsidiarität grundsätzlich alle Mittel zu ergreifen, die der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abhelfen können.

a) Wenn sich eine VfB unmittelbar gegen ein Gesetz wendet, kann daher auch die Erhebung einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage zu den zuvor zu ergreifenden Rechtsbehelfen gehören. Das ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die Vorschriften abschließend gefasst sind und die fachgerichtliche Prüfung für den Bf. günstigstenfalls dazu führen kann, dass das angegriffene Gesetz gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorgelegt wird. Entscheidend ist, ob die fachgerichtliche Klärung erforderlich ist, um zu vermeiden, dass das BVerfG seine Entscheidungen auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage trifft. Ein solcher Fall wird in der Regel dann gegeben sein, wenn die angegriffenen Vorschriften auslegungsbedürftige und -fähige Rechtsbegriffe enthalten, von deren Auslegung und Anwendung es maßgeblich abhängt, inwieweit ein Bf. durch die angegriffenen Vorschriften tatsächlich und rechtlich beschwert ist (…).

b) Soweit jedoch die Beurteilung einer Norm allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das BVerfG zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären, bedarf es einer vorangehenden fachgerichtlichen Entscheidung nicht (…st. Rspr.). Insoweit bleibt es dabei, dass eine VfB unmittelbar gegen ein Gesetz auch ohne vorherige Anrufung der Fachgerichte zulässig ist. Eine Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte besteht auch in folgenden Fällen nicht: wenn die angegriffene Regelung den Bf. zu gewichtigen Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können (…); wenn die Anrufung der Fachgerichte offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre (…) oder sie sonst nicht zumutbar ist; wenn der Bf. zunächst ein Straf- oder Bußgeldverfahren gegen sich ergehen lassen müsste und erst in diesem Rahmen die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen könnte (…).

2. Ob danach im vorliegenden Fall eine Anrufung der Verwaltungsgerichte erforderlich war, kann offen bleiben. Tatsächlich hat B die Verwaltungsgerichte angerufen und die Klärung erreicht, die ihm möglich war. BVerfG NJW 842 [51]: Eine Verweisung des Bf. auf den Rechtsweg könnte die Entscheidungsgrundlagen für die Beurteilung der Vorschriften heute nicht mehr verbreitern. Die Subsidiarität der VfB steht daher einer VfB des B nicht entgegen.

V. Für die Erhebung der VfB gelten Fristen.

1. Soweit die VfB gegen das Urteil des BVerwG gerichtet wird, gilt die Monatsfrist des § 93 I 1 BVerfGG und kann eingehalten werden.

2. Für eine VfB gegen ein Gesetz gilt die Jahresfrist des § 93 III BVerfGG. Sie kann nicht eingehalten werden, weil allein der Verwaltungsrechtsstreit durch drei Instanzen jedenfalls länger als ein Jahr gedauert hat. BVerfG NJW 842 [48] Es bedarf einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung, wenn ein Bf. mit Rücksicht auf die genannten Subsidiaritätsanforderungen gegenüber den unmittelbaren Wirkungen eines Gesetzes zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz gegenüber den von ihm gerügten Grundrechtsverletzungen sucht… Einer VfB derselben Person, die diese anschließend unmittelbar gegen das Gesetz erhebt, kann die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht entgegengehalten werden. Sofern die Person den fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen das Gesetz innerhalb eines Jahres nach dessen Inkrafttreten anhängig gemacht hat, gilt vielmehr - bezogen auf die abschließende fachgerichtliche Entscheidung - die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für die Einlegung der Rechtssatzverfassungsbeschwerde entsprechend. Somit gilt für eine direkt gegen § 22 PolG gerichtete VfB im vorliegenden Fall dieselbe Frist wie oben 1 und kann eingehalten werden.

VI. Da davon ausgegangen werden kann, dass B die VfB formgerecht (Schriftform, § 23 BVerfGG) und mit der von § 92 BVerfGG geforderten Begründung erhebt, ist eine VfB zulässig.

VII. Allerdings dürfte kein Rechtsschutzbedürfnis dafür bestehen, die VfB sowohl gegen das Urteil des BVerwG (oben I 1) als auch direkt gegen § 22 PolG (oben I 2) zu richten. Da bei der UrteilsVfB die Gefahr besteht, dass nach einer Rückverweisung an das BVerwG (vgl. § 95 II BVerfGG) dieses die Klage wegen der Nichtanerkennung eines Unterlassungsanspruchs abweist, ist einer direkt gegen § 22 PolG gerichteten Rechtssatz-VfB der Vorzug zu geben (so wie im Fall BVerfG NJW 2019, 842, in dem der Bf. zuvor keinen Rechtsweg beschritten hatte; demgegenüber hat BVerfG NJW 2019, 827 eine UrteilsVfB angenommen).

B. Begründet ist die VfB, soweit § 22 PolG ein Grundrecht des B verletzt. Diese Ausgangsüberlegung gilt ohne weiteres für eine RechtssatzVfB direkt gegen § 22 PolG. Sie gilt im vorliegenden Fall aber auch für die UrteilsVfB. Denn das BVerwG hat die Klage deshalb abgewiesen, weil § 22 PolG kein Grundrecht verletze. Falls das unzutreffend ist, verletzt nicht nur § 22 PolG ein Grundrecht, sondern auch das auf das grundrechtsverletzende Gesetz gestützte Urteil.

I. Verletzt sein könnte das Grundrecht des B auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht ist seit dem Volkszählungsurteil BVerfGE 65, 1 anerkannt, wurde vom BVerfG aus dem Persönlichkeitsrecht entwickelt und wird dementsprechend auf Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG gestützt. Es schützt den Einzelnen vor dem Erheben, Speichern und Verwenden - auch: Verarbeiten - personenbezogener Daten. BVerfG [37-39] Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben… Der mit solchen technischen Möglichkeiten einhergehenden gesteigerten Gefährdungslage entspricht der hierauf bezogene Grundrechtsschutz (BVerfGE 120, 378, 397 f. m. w. N.; st. Rspr.). Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten, die für sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach seinem Ziel und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, grundrechtserhebliche Auswirkungen auf die Privatheit und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben. Insofern gibt es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum mehr (…). Auch entfällt der grundrechtliche Schutz nicht schon deshalb, weil die betroffene Information öffentlich zugänglich ist. Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dessen Interesse, dass die damit verbundenen personenbezogenen Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden (…).

1. Die in § 22 PolG geregelte Kennzeichenkontrolle müsste unter den Schutzbereich dieses Grundrechts fallen. Das setzt voraus, dass personenbezogene Daten betroffen sind.

BVerfG [40] Bei der Kennzeichenkontrolle werden einzelne, einem Fahrzeug und über dieses dem Halter zuzuordnende Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und zur öffentlichen Aufgabenwahrnehmung mit weiteren Daten abgeglichen. Insoweit handelt es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Kennzeichen sind den jeweiligen Haltern individuell zugeordnet. Mit ihnen lassen sich deren Name, Anschrift sowie weitere Informationen ermitteln. Dass die Kennzeichen öffentlich sichtbar sind, ändert hieran ebenso wenig wie der Umstand, dass sie selbst den Namen des Fahrzeughalters nicht anzeigen. Maßgeblich ist allein, dass sich das Kennzeichen eindeutig einer bestimmten Person zuordnen lässt und damit personenbezogene Informationen vermitteln kann (vgl. BVerfGE 65, 1, 42;…130, 151, 184). Danach fällt die Durchführung einer Kennzeichenkontrolle nach § 22 PolG unter den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

2. § 22 PolG müsste einen Eingriff in den Schutzbereich enthalten. Eingriff ist das Erheben, Speichern und Verwenden - auch: Verarbeiten - der Daten.

a) Im „Trefferfall“ werden die Kennzeichen mit Bezug auf den Halter erhoben, gespeichert und verwendet. Auch beim „unechten Treffer“ nimmt ein Polizeibeamter Kenntnis von den erfassten Daten und schaltet sich damit in das Erheben ein. In diesen Vorgängen liegt ein Eingriff.

b) Fraglich ist das beim „Nichttreffer“, weil bei diesem nur eine kurzzeitige Speicherung erfolgt und der Datensatz sofort und automatisch gelöscht wird. BVerfG [43, 48-53]

aa) Es entspricht der Rspr. des BVerfG, dass ein Grundrechtseingriff nicht anzunehmen ist, wenn personenbezogene Daten Dritter im Rahmen von elektronischen Datenverarbeitungsprozessen nur zufällig am Rande miterfasst werden und unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder anonym, spurenlos und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden gelöscht werden. Ob das der Fall ist, richtet sich danach, ob sich bei einer Gesamtbetrachtung mit Blick auf den durch den Überwachungs- und Verwendungszweck bestimmten Zusammenhang das behördliche Interesse an den betroffenen Daten bereits derart verdichtet hat, dass ein Betroffensein in einer einen Grundrechtseingriff auslösenden Qualität zu bejahen ist (…).

bb) Unter den Bedingungen der modernen Informationstechnik, die den Abgleich von Kennziffern oder persönlichen Merkmalen mit großen Datenmengen in kürzester Zeit erlauben, ist bei Kontrollvorgängen wie vorliegend der Kennzeichenkontrolle eine solche Verdichtung gegeben. Wenn gezielt mittels Datenabgleich Personen im öffentlichen Raum daraufhin überprüft werden, ob sie oder die von ihnen mitgeführten Sachen polizeilich gesucht werden, besteht an deren Daten auch dann ein verdichtetes behördliches Interesse, wenn diese Daten im Anschluss an die Überprüfung unmittelbar wieder gelöscht werden. Die Einbeziehung der Daten auch von Personen, deren Abgleich letztlich zu Nichttreffern führt, erfolgt nicht ungezielt und allein technikbedingt, sondern ist notwendiger und gewollter Teil der Kontrolle… Dem steht nicht entgegen, dass den Betroffenen im Nichttrefferfall wegen der sofortigen Löschung aller Daten weder Unannehmlichkeiten noch Konsequenzen erwachsen. Denn das ändert nichts daran, dass sie durch die Kennzeichenkontrolle einer staatlichen Maßnahme unterzogen werden, mit der sich ihnen gegenüber ein spezifisches Fahndungsinteresse zur Geltung bringt… Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein (…). Jederzeit an jeder Stelle unbemerkt registriert und darauf überprüft werden zu können, ob man auf irgendeiner Fahndungsliste steht oder sonst in einem Datenbestand erfasst ist, ist damit unvereinbar. Vielmehr sind solche Maßnahmen…als Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigungsbedürftig… Wie andere Überwachungsmaßnahmen auch ist die Kennzeichenkontrolle einheitlich und unabhängig davon zu beurteilen, zu welchem Ergebnis sie im Einzelfall führt. Somit ist auch die Kontrolle beim „Nichttrefferfall“ - entgegen der vom Land L vertretenen Auffassung - ein Eingriff.

cc) BVerfG [52] Weil hier von vornherein personenbezogene Daten erhoben werden, unterscheidet sich der vorliegende Fall von Geschwindigkeits- oder Rotlichtkontrollen im Straßenverkehr. Dort wird das Fahrverhalten zunächst ohne Erfassen des Kennzeichens und damit unabhängig von einer persönlichen Zuordenbarkeit der Kraftfahrzeuge kontrolliert. Personenbezogene Daten werden erst dann erhoben, wenn eine Übertretung gemessen und hierdurch ausgelöst ein Lichtbild erstellt wird. Dass dort ein Grundrechtseingriff nur im Trefferfall anzunehmen ist, lässt sich auf die Kennzeichenkontrolle nicht übertragen.

(Vgl. auch Roggan NVwZ 2019, 346, 349 zur Frage, was das für die Zulässigkeit der elektronischen Gesichtserkennung, der Verwendung von Body-Cams durch die Polizei und für die Videoüberwachung bedeutet; ferner Wiemers NVwZ 2019, 405 zur „Dieselüberwachung“ bei Fahrverboten.)

II. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung steht unter dem aus der Schranke der verfassungsmäßigen (Rechts-) Ordnung (Art. 2 I GG) folgenden Gesetzesvorbehalt und kann deshalb durch ein Gesetz wie § 22 PolG beschränkt werden. Dieses Gesetz muss aber formell und materiell verfassungsmäßig sein. Zur formellen Verfassungsmäßigkeit gehört die Gesetzgebungskompetenz des Landes L. Nach Art. 70 I GG haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz, soweit das GG nicht den Bund für zuständig erklärt.

1. Nach Art. 74 I Nr. 22 i. V. m. Art. 72 I GG ist der Bund für den Straßenverkehr zuständig und hat davon auch weitgehend Gebrauch gemacht (StVG, StVO). BVerfG [60] Jedoch steht der Kompetenz der Länder, Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Fahndung nach Personen und Sachen gesetzlich zu regeln, nicht die Kompetenz des Bundes zur Regelung des Straßenverkehrs entgegen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG betrifft das Straßenverkehrsrecht als sachlich begrenztes Ordnungsrecht und dient allein dem Zweck, die spezifischen Gefahren, Behinderungen und Belästigungen auszuschalten oder wenigstens zu mindern, die mit der Straßennutzung unter den Bedingungen des modernen Verkehrs verbunden sind (vgl. BVerfGE 40, 371, 380). Darum geht es bei der Kennzeichenkontrolle gemäß § 22 PolG nicht. Das StVG und insbesondere die bundesrechtliche Regelung der Straßenverkehrskontrollen in § 36 Abs. 5 StVO stellen folglich die Kompetenz des Landes L zum Erlass dieser Vorschrift nicht in Frage.

2. Nach Art. 74 I Nr. 1 GG ist der Bund zuständig für die Regelung der Strafverfolgung. BVerfG [64] Die dem Bund durch Art. 74 I Nr. 1 GG zugewiesene Kompetenzmaterie „gerichtliches Verfahren“ ist weit zu verstehen. Sie reicht von der Einleitung des Verfahrens bis zur Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung. Umfasst ist das eigentliche gerichtliche und das vorgelagerte behördliche Verfahren, sofern es - wie vom Grundsatz her das in der StPO geregelte polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - mit dem gerichtlichen Verfahren in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang steht (…). Hierzu gehören die Ermittlung und Verfolgung von Straftätern einschließlich der Fahndung nach ihnen. Gegenstand der Regelungen ist die repressive Polizeitätigkeit, also diejenige, welche in Reaktion auf den Verdacht der Beteiligung einer Person an einer geschehenen oder unmittelbar bevorstehenden strafbaren Handlung vorgenommen wird. Folglich fällt die Zulassung von Kontrollen nach § 22 I Nr. 3 PolG „ für Zwecke der Strafverfolgung“ unter das (straf-)gerichtliche Verfahren, das der Bund in der StPO grundsätzlich abschließend geregelt hat ( BVerfG NJW 842 [58-60]). Somit ist § 22 I Nr. 3 PolG wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes L verfassungswidrig.

3. Die Gesetzgebungszuständigkeit für § 22 I Nr. 1, 2 und 4 PolG steht dem Land zu, wenn es sich nicht um Strafverfolgung handelt, sondern um (präventive) Gefahrenabwehr, für die die Länder zuständig sind (BVerfG [62, 64, 65]). Danach gehört Nr. 1 wegen der Verwendung des Begriffs „Gefahr“ zur Gefahrenabwehr; auch Nr. 2 verlangt eine Gefahrenlage; insoweit war also das Land zuständig. Bei Maßnahmen nach Nr. 4 ergibt sich aus der Zweckrichtung „ Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität “, dass Kontrollen sowohl der Strafverfolgung dienen können, etwa um ein Einschleusen von Ausländern (§ 96 AufenthG) zu verfolgen, als auch um die Verhinderung der illegalen Immigration als Aufgabe der Gefahrenabwehr. BVerfG [71-73]:

a) Gefahrenabwehr und Strafverfolgung liegen oft nahe beieinander. Die Regelungsbefugnisse von Bund und Ländern können sich insoweit überschneiden. Die repressive Verfolgung von Straftätern dient zwangsläufig auch präventiv dem Schutz der Sicherheit, ebenso wie umgekehrt präventive Maßnahmen zum Schutz der Rechtsordnung und damit zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger die Ergreifung von Straftätern und anschließende repressive Maßnahmen befördern können. Deshalb ist auch möglich, dass Regelungen doppelfunktional ausgerichtet sind und sowohl der Strafverfolgung als auch der Gefahrenabwehr dienen… Bei doppelfunktionalen Maßnahmen, bei denen sich ein eindeutiger Schwerpunkt weder im präventiven noch im repressiven Bereich ausmachen lässt, steht dem Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum für die Zuordnung zu und können entsprechende Befugnisse sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene geregelt werden. Der Landesgesetzgeber ist folglich nicht deshalb an dem Erlass einer der Gefahrenabwehr dienenden Regelung gehindert, weil diese ihren tatsächlichen Wirkungen nach auch Interessen der Strafverfolgung dient und damit Regelungsbereiche des Bundes berührt. Maßnahmen können vielmehr auch als Landespolizeirecht zulässig sein, wenn sie präventiv und repressiv zugleich wirken… Genauso wie der Bund Maßnahmen zur Strafverfolgung regeln darf, die sich ihrer Wirkung nach zugleich förderlich für die Gefahrenabwehr auswirken, dürfen die Länder Regelungen zur Gefahrenabwehr treffen, die sich zugleich förderlich für die Strafverfolgung auswirken. (Diese Grundsätze galten bisher bereits für die Bestimmung des Rechtswegs gegen Maßnahmen und gelten nunmehr auch auf der Ebene der gesetzlichen Grundlagen; Roggan NVwZ 2019, 348 m. Nachw. Fn. 37.)

b) Danach reicht es für die Bejahung der Landeskompetenz aus, dass § 22 I Nr. 4 PolG auch der Gefahrenabwehr dient wie etwa der Bekämpfung illegaler Immigration oder der Unterbindung eines unerlaubten Aufenthalts (BVerfG [76]). Ob die Behauptung des B zutreffend ist, dass d ie von § 22 PolG behandelten Maßnahmen überwiegend nicht versicherte oder gestohlene Fahrzeuge betreffen, kann offen bleiben, weil das Gesetz sich auf die Erfassung dieser Fälle nicht beschränkt.

4. Dass der Bund nach Art. 73 I Nr. 5 GG die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit für den Grenzschutz hat und § 22 I Nr. 4 PolG sich gegen die grenzüberschreitende Kriminalität richtet, steht der Zuständigkeit des Landes nicht entgegen. BVerfG [58] Eine Befugnis zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität… macht sie nicht zur Regelung des Grenzschutzes im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG. Vielmehr handelt es sich um Regelungen zur Gefahrenabwehr, die zwar an die Offenheit der Grenzen und damit einhergehende Gefahren anknüpfen, jedoch nicht unmittelbar dem Schutz der Bundesgrenze dienen. Mit der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität sind nicht Verstöße speziell gegen Strafvorschriften zum Schutz der Grenze selbst zu verstehen, sondern allgemein Straftaten, die die tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Grenzsituation oder Grenznähe, insbesondere die Erschwerungen grenzüberschreitender Fahndung und Strafverfolgung, ausnutzen (….).

Folglich stand dem Landesgesetzgeber die Kompetenz zum Erlass des § 22 I Nr. 1, 2, 4 PolG zu.

III. § 22 PolG scheidet als Rechtfertigung für einen Eingriff in Art. 2 I, 1 I GG aus, wenn die Vorschrift gegen vorrangiges Recht verstößt.

1. Sie könnte gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verstoßen. Da Bundesrecht Geltungsvorrang vor dem Landesrecht hat (Art. 31 GG), würde ein solcher Verstoß zur Nichtigkeit führen. Jedoch ist das BDSG auf Kontrollen der Landes-Polizei nicht anwendbar. Es ist nach § 1 Nr. 1 BDSG anwendbar auf die Datenverarbeitung öffentlicher Stellen des Bundes und nach § 1 Nr. 2 auf die Datenverarbeitung öffentlicher Stellen der Länder nur, „soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie a) Bundesrecht ausführen oder b) als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt.“ Es ist aber davon auszugehen, dass das Land L - wie alle Bundesländer - ein Datenschutzgesetz hat. Außerdem liegen die weiteren Voraussetzungen a) und b) nicht vor, weil bei der Kennzeichenkontrolle kein Bundesrecht ausgeführt wird und die Polizei bei der Gefahrenabwehr auch nicht als Organ der Rechtspflege tätig wird.

2. Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGV) hat als europäisches Recht gegenüber nationalem Recht Anwendungsvorrang (BVerfGE 126, 286, 301) und könnte, wenn sie eingreift, zur Unanwendbarkeit des § 22 PolG führen. Jedoch findet die DSGV nach Art. 2 II d) „ keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.“ § 22 PolG dient der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

§ 22 PolG ist somit weder mit dem BDSG noch mit der DSGV unvereinbar. (Vertiefend zum Einfluss des Unionsrechts auf Kennzeichenkontrollen Schnieders NVwZ 2019, 397/8.)

IV. Materiell verfassungsmäßig ist § 22 PolG nur, soweit er nicht dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit widerspricht. BVerfG [82] Als Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind Ermächtigungen zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Sie müssen einen legitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (vgl. BVerfGE 7, 157, 173; 120, 378, 427; 141, 220, 265 Rn. 93; st. Rspr.). Dabei bleibt der wegen Kompetenzverstoßes nichtige § 22 I Nr. 3 PolG außer Betracht.

1. Die Abwehr von Gefahren allgemein als auch an gefährlichen Orten sind ebenso wie die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität legitime Zwecke. BVerfG [85, 86] Auch ist die Ermächtigung zu Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Erreichung dieser Zwecke geeignet. Automatisierte Kennzeichenkontrollen…tragen zu diesen Zwecken bei, indem sie zur Fahndung ausgeschriebene Personen oder Sachen identifizieren… Dass der Abgleich unmittelbar nur Kraftfahrzeugkennzeichen zum Gegenstand hat, deshalb Trefferfälle nur mittelbar den Fahrzeughalter identifizieren und dieser auch nicht zwangsläufig die gesuchte Person selbst ist, ändert hieran nichts. Denn die Wahrscheinlichkeit, auf diesem Weg die zur Erreichung des jeweiligen Zwecks der Kontrolle gesuchten Personen oder Sachen zu finden, wird damit jedenfalls erhöht. Dies genügt, um eine Maßnahme für geeignet zu halten, einen legitimen Zweck zu erreichen (vgl. BVerfGE…141, 220, 266 Rn. 97; st. Rspr.).

2. [88] Für die Erreichung dieser Zwecke sind automatisierte Kennzeichenkontrollen auch erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, dass andere Maßnahmen mit geringerem Eingriffsgewicht diesen Zweck vergleichbar effektiv erreichen.

3. Letztlich entscheidend für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist die Angemessenheit der Maßnahmen. Hierfür sind die Zwecke des § 22 I PolG mit dem Gewicht des Eingriffs abzuwägen. Die Gewichtung des Eingriffs nimmt BVerfG [96-99] in der Weise vor, dass es die einzelnen Argumente aufführt und bewertet, einerseits soweit sie das Eingriffsgewicht mindern (u. a. dadurch, dass die Kontrolle im öffentlichen Verkehrsraum stattfindet), andererseits soweit sie das Eingriffsgewicht erhöhen (u. a. weil sie mit einer großen Streubreite stattfinden, verdeckt erfolgen und in der Öffentlichkeit das Gefühl des weitgehenden Überwachtwerdens auslösen). Als Ergebnis stellt es fest: Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen zur Fahndung nach Personen oder Sachen sind bei Gesamtsicht Eingriffe von erheblichem Gewicht… Dem erheblichen Eingriffsgewicht automatisierter Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen entspricht es, dass sie zu ihrer Rechtfertigung auf Gründe gestützt werden müssen, die dem Schutz von Rechtsgütern von erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen. Zu diesen Rechtsgütern zählen zunächst die besonders schutzwürdigen Rechtsgüter wie Leib, Leben und Freiheit der Person und der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder (vgl. BVerfGE 120, 274, 328; 125, 260, 330; 141, 220, 270 Rn. 108). Darüber hinaus kommen auch Rechtsgüter in Betracht, die unterhalb dieser für besonders eingriffsintensive Überwachungsmaßnahmen geltenden Schwelle liegen wie etwa der Schutz von nicht unerheblichen Sachwerten.

a) Dass § 22 I Nr. 1 PolG das Vorliegen einer (einfachen) Gefahr genügen lässt, entspricht diesen Anforderungen nicht. BVerfG [106] Die Vorschrift ermöglicht Kennzeichenkontrollen zur Abwehr jeder Gefahr und damit allgemein zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. In Bezug genommen ist so die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung insgesamt, ohne hinsichtlich der in Frage stehenden Rechtsgüter Gewichtungen vorzunehmen. Dies genügt den dargelegten Anforderungen an einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz nicht. Vielmehr ist geboten, die Kontrollen auf die Abwehr von Gefahren für Rechtsgüter von erheblichem Gewicht zu beschränken. Allein der Verweis auf die Integrität der Rechtsordnung insgesamt, wie er dem Gefahrbegriff der polizeilichen Generalklausel zugrunde liegt, reicht dafür nicht.

b) Bei den nach § 22 I Nr. 2 PolG zulässigen Kontrollen an gefährlichen Orten ist einerseits eingriffsmindernd zu berücksichtigen, dass Zahl und Umfang der danach zulässigen Kontrollen nur eng begrenzt sind; normale Autobahnen und Bundesstraßen sind keine danach gefährlichen Orte. Andererseits dienen sie der Abwehr erheblicher Gefahren, BVerfG [118, 119] Die Vorschrifterlaubt die Kennzeichenkontrolle an Orten, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen, sich Straftäter verbergen oder Personen der Prostitution nachgehen…. Gerechtfertigt ist diese Vorschrift durch das Ziel, zur Sicherheit an diesen Orten beizutragen, und zu verhindern, dass sie zum schutzbietenden Ausgangspunkt für die Verübung von Straftaten werden… Das Ziel, der Gefahr entgegenzuwirken, dass solche Orte zum Sammelpunkt von Straftätern und Personen ohne Aufenthaltsrecht werden, knüpft an ein strukturell erhöhtes Gefahrenpotential an und dient damit einem überwiegenden öffentlichen Interesse von erheblichem Gewicht. § 22 I Nr. 2 PolG ist somit nicht unverhältnismäßig.

c) Nach § 22 I Nr. 4 PolG ist eine Kontrolle bereits dann zulässig, wenn es sich um bestimmte Straßen handelt; weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Diese Maßnahmen werden als Schleierfahndung bezeichnet, bei der verdeckt („verschleiert“) anlasslose Personenkontrollen durchgeführt werden.

aa) Hierfür bedarf es einer besonderen Rechtfertigung. BVerfG [144, 147-149] Die Schleierfahndung wurde vom Gesetzgeber eingeführt, um den unionsrechtlich bedingten Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen zu kompensieren (…). Für diese war nach innerstaatlichem Recht anerkannt, dass sie ohne weiteren Anlass durchgeführt werden dürfen. Dass der Staat an seinen Grenzen ohne weitere Voraussetzungen Kontrollen vornehmen darf, um zu entscheiden, wer ein- und ausreist, gehört zum überlieferten Instrumentarium zur Sicherung der Territorialhoheit und zur Gewährleistung von Recht und Sicherheit auf dem jeweiligen Staatsgebiet. Wenn die BRD auf der Grundlage des Unionsrechts die Grenzen öffnet und auf Grenzkontrollen verzichtet, ist es im Grundsatz gerechtfertigt, als Ausgleich hierfür zur Gewährleistung der Sicherheit die allgemeinen Gefahrenabwehrbefugnisse spezifisch zu erweitern.

bb) Kontrollen sind dann aber nur in dem Umfang zulässig, in dem sie einen konsequenten Grenzbezug haben und dieser gesetzlich in einer den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Weise gesichert ist… Unbedenklich ist, dass Kennzeichenkontrollen in einem Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km durchgeführt werden… Nicht hinreichend bestimmt und begrenzt sind die Kennzeichenkontrollen demgegenüber für Orte, die außerhalb des 30 km-Gürtels vorgenommen werden. Eine Befugnis zu Kontrollen allgemein auf Durchgangsstraßen im ganzen Land ist mit Bestimmtheitsanforderungen nicht vereinbar und reicht zu weit. Indem dort nicht nur Bundesautobahnen und Bundesstraßen, sondern auch „andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr“ genannt sind, ist eine hinreichend klare Beschränkung solcher Kontrollen nicht sichergestellt. Folglich ist § 22 I Nr. 4 PolG unverhältnismäßig, soweit er die Kontrollen nicht auf einen Bereich von 30 km hinter der Grenze beschränkt.

d) Zwei zusätzliche Aspekte sind noch zu berücksichtigen.

aa) BVerfG [154] Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, dass die Kennzeichenkontrollen grundsätzlich verdeckt durchgeführt werden (…). Dies ist zur Erreichung der erstrebten Zwecke geeignet und erforderlich und durch sie gerechtfertigt. Anders als für heimliche Überwachungsmaßnahmen von höherer Eingriffsintensität (vgl. BVerfGE 141, 220, 269 Rn. 105 und 282 f. Rn. 134 ff.) bedarf es insoweit keiner Benachrichtigungspflicht. Das gilt auch im Trefferfall. Vielmehr reicht es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten aus, dass die Betroffenen von den Kontrollen im Rahmen von ihnen gegenüber ergriffenen Folgemaßnahmen erfahren und deren Rechtmäßigkeit dann fachgerichtlich überprüfen lassen können. Zu berücksichtigen ist ergänzend, dass darüber hinaus auch der allgemeine datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch besteht (…).

bb) [156, 157] Nicht vereinbar ist mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass das Gesetz keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für den Einsatz von automatisierten Kennzeichenkontrollen vorsieht. Maßgeblich ist hierfür, dass die Entscheidungen über die Einrichtung einer Kennzeichenkontrolle - anders als zu begründende Verwaltungsakte - den Betroffenen nicht mitgeteilt werden und mitgeteilt werden können. Als verdeckte Maßnahmen werden sie überhaupt nur in den Trefferfällen bekannt und auch dann grundsätzlich nicht begründet. Angesichts dessen kann die Ermächtigung zur Kennzeichenerfassung nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung einer solchen Maßnahme nachvollziehbar und überprüfbar dokumentiert werden (…). Für die Verhältnismäßigkeit ist dies - bezogen auf alle Fälle der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle - von dreifacher Bedeutung: Zum einen rationalisiert und mäßigt es die Entscheidung der Behörde selbst, wenn diese sich über ihre Entscheidungsgrundlagen Rechenschaft ablegen muss. Zum anderen ermöglicht die Dokumentation eine Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten, der in Fällen eingeschränkter individualrechtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten wie hier gesteigerte Bedeutung zukommt. Schließlich wird damit die verwaltungsgerichtliche Kontrolle erleichtert, wenn solche Maßnahmen bekannt werden.

V. Dagegen besteht die von B behauptete Verletzung des Art. 19 IV GG nicht. Dass eine verdeckte Kontrolle zulässig ist und auch keine Benachrichtigungspflicht auslöst, wurde bereits unter IV 3 d aa) ausgeführt. Die fehlende Dokumentationspflicht führte zu einer Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 I, 1 I GG (oben IV 3 d bb). Dass der Betroffene sich nicht wehren kann, ist unzutreffend. Erfährt er von der Kontrolle, obwohl er kein Trefferfall war, kann er nähere Auskunft verlangen und im Falle eines Rechtsschutzbedürfnisses verwaltungsgerichtliche Klage erheben. Ist er ein Trefferfall und deshalb von Folgemaßnahmen betroffen, hat er diesen gegenüber die Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechend deren Rechtscharakter.

C. Ergebnis:

I. Die gegen § 22 PolG gerichtete VfB hat wegen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i. V. m. 1 I GG) Erfolg, soweit

(1) § 22 I Nr. 3 PolG Kennzeichenkontrollen zur Strafverfolgung zulässt (BVerfG NJW 842 Tenor Ziff. 1);

(2) § 22 I Nr. 1 PolG die Kennzeichenerfassung nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse beschränkt (BVerfG NJW 827 Tenor Ziff. 2 a);

(3) § 22 I Nr. 4 PolG die Kennzeichenerfassung uneingeschränkt für Durchgangsstraßen und andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr zulässt und keinen Grenzbezug hat (NJW 827 Tenor Ziff. 2 a);

(4) § 22 PolG keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung der Kontrollen vorschreibt (Tenor NJW 827 Ziff. 2 a).

II. Wird die VfB gegen die verwaltungsgerichtlichen Urteile gerichtet, hat sie ebenfalls Erfolg, weil die Urteile wegen der Anwendung des verfassungswidrigen § 22 PolG gegen Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG verstoßen.

Abschließend wird als Anhang behandelt, welche Entscheidungen das BVerfG im Originalfall - über die Feststellung der Grundrechtsverletzungen (§ 95 I 1 BVerfGG) hinaus - nach § 95 III 2, II BVerfGG getroffen hat.

1. § 22 I Nr. 3 PolG hat das BVerfG als Folge des Verstoßes oben I (1) für nichtig erklärt (NJW 842 Tenor Ziff. 1).

2. Wegen der Verstöße I (2) bis (4) hat das BVerfG § 22 I Nr. 1, 4 und § 22 PolG (nur) für unvereinbar mit Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG erklärt und ihre vorübergehende Weitergeltung angeordnet (Tenor NJW 827 Ziff. 2 a und Ziff. 3). Zur Begründung NJW 842 [94-97] Die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt grundsätzlich zu deren Nichtigkeit. Allerdings kann sich das BVerfG, wie sich aus § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVerfGG ergibt, darauf beschränken, eine verfassungswidrige Norm nur für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären. Die Unvereinbarkeitserklärung kann das BVerfG dabei mit der Anordnung einer befristeten Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung verbinden. Dies kommt in Betracht, wenn die sofortige Ungültigkeit der zu beanstandenden Norm dem Schutz überragender Güter des Gemeinwohls die Grundlage entziehen würde und eine Abwägung mit den betroffenen Grundrechten ergibt, dass der Eingriff für eine Übergangszeit hinzunehmen ist (…st. Rspr.). Bei § 22 I Nr. 1, 4 PolG und bei § 22 PolG, soweit keine Pflicht zur Dokumentation vorgesehen ist, betreffen.… die Gründe für die Verfassungswidrigkeit nicht den Kern der mit ihnen eingeräumten Befugnisse, sondern nur einzelne Aspekte ihrer rechtsstaatlichen Ausgestaltung. Der Gesetzgeber kann die Vorschriften ohne weiteres nachbessern und damit den Kern der mit ihnen verfolgten Ziele auf verfassungsmäßige Weise verwirklichen. Angesichts der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Kennzeichenkontrolle für eine wirksame Gefahrenabwehr beimessen darf, ist unter diesen Umständen deren vorübergehende Fortgeltung eher hinzunehmen als deren Nichtigerklärung. Für die Nachbesserung hat das BVerfG eine Frist gesetzt.

3. Die verwaltungsgerichtlichen Urteile hat das BVerfG wegen Verletzung des Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG aufgehoben und den Rechtsstreit an das BVerwG zurückverwiesen (Tenor NJW 827 Ziff. 4).


Zusammenfassung