Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Verfassungsbeschwerde (§ 90 BVerfGG); richtiger Beschwerdegegenstand bei mehreren inhaltlich zusammenhängenden Hoheitsakten. Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion; Voraussetzungen für die Erhebung. Berufsfreiheit, Art. 12 I GG. Anforderungen an eine demokratische Legitimation bei hoheitlichem Handeln außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung

BVerfG
Beschluss vom 6. 5. 2014 (2 BvR 1139-1141/12) NVwZ 2014, 1306

Fall
(Weinabgabe)

Nach § 37 I (Bundes-) Weingesetz (WeinG) wird der Deutsche Weinfonds als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Er hat die Aufgabe, 1. die Qualität des Weines sowie den Absatz des Weines zu fördern, 2. auf den Schutz der durch Rechtsvorschriften für inländischen Wein festgelegten Bezeichnungen im In- und Ausland hinzuwirken. Finanziert wird dessen Tätigkeit durch die in § 43 WeinG geregelte Weinabgabe. Nach § 43 I Nr. 1 WeinG haben die Winzer eine jährliche Flächenabgabe zu zahlen, die sich auf 0,67 Euro je Ar (= 100 qm) der Weinbergsfläche beläuft. Abfüller und Auslandsvermarkter haben nach § 43 I Nr. 2 eine Mengenabgabe in Höhe von 0,67 Euro je 100 l zu zahlen. In den folgenden Absätzen sind Ausnahmen vorgesehen, so für Betriebe mit einer nur kleinen Fläche; direktvermarktende Weinbaubetriebe sind von der Mengenabgabe befreit. Die Europäische Kommission hat die vorgenannten Regelungen nach Art. 107 AEUV beurteilt und für vereinbar erklärt. Bei der Bearbeitung des Falles ist davon auszugehen, dass der Weinfonds (F) für die Heranziehung zur Weinabgabe zuständig ist.


WI ist Winzer, WK ist eine Weinkellerei. Sie wurden von F zur Flächenabgabe und zur Mengenabgabe herangezogen. Gegen die Bescheide haben sie Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten erhoben und geltend gemacht, für die Einführung der Weinabgabe fehle dem Bund die Gesetzeskompetenz; die Abgabe verletze sie in ihrer Berufsfreiheit und verstoße gegen die Finanzordnung des Grundgesetzes. Auch sei es undemokratisch, dass der Verwaltungsrat des F hoheitliche Befugnisse wahrnimmt, dass seine Mitglieder aber keine Angehörigen des öffentlichen Dienstes sind, sondern aus Kreisen der Wirtschaft (§ 40 I WeinG: Vertreter des Weinbaus, des Weinhandels, der Gaststätten, des Lebensmittelhandels u. a.) und der Verbraucher stammen. Nach § 42 WeinG untersteht der Weinfonds der Aufsicht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Dieses ernennt auch die Mitglieder des Verwaltungsrats.(§ 40 II WeinG).

Die Klagen im Verwaltungsrechtsweg hatten keinen Erfolg und wurden in sämtlichen Instanzen, letztinstanzlich vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Wie ist über die - formell ordnungsgemäß erhobene und ausführlich begründete - Verfassungsbeschwerde zu entscheiden?

A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (VfB)

I. Die VfB muss sich gegen einen Hoheitsakt richten (§ 90 I BVerfGG). Als Hoheitsakte kommen im vorliegenden Fall in Betracht: das WeinG, der Abgabenbescheid, die Urteile der Instanzgerichte VG und OVG sowie das Urteil des BVerwG.

1. Letztlich wenden sich W gegen das WeinG, denn die von ihnen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Weinabgabe erhobenen Argumente betreffen das Gesetz. Gegen ein Gesetz ist eine VfB aber nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer (Bf.) durch das Gesetz unmittelbar betroffen ist. BVerfG DVBl 2007, 1097 [2]: Wenn ein angegriffenes Gesetz zu seiner Durchführung rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen staatlichen Praxis einen besonderen, vom Willen der vollziehenden Stelle beeinflussten Vollziehungsakt voraussetzt, fehlt die unmittelbare Betroffenheit durch das Gesetz. Der Bf. muss grundsätzlich den Vollziehungsakt angreifen und den insofern eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er VfB erhebt (vgl. BVerfGE 109, 279 [306]). Also sind auch im vorliegenden Fall die Bf. nicht unmittelbar durch das WeinG betroffen, sondern müssen sich gegen die Vollziehung des § 43 WeinG wenden.

2. Der Vollziehung des WeinG dienen die Abgabenbescheide des F. Es liegt deshalb nahe, die VfB gegen die Abgabenbescheide zu richten und die verwaltungsgerichtlichen Urteile als Rechtsweg i. S. des § 90 II 1 BVerfGG zu sehen.


3. Andererseits sind auch die verwaltungsgerichtlichen Urteile Hoheitsakte und vollziehen das WeinG. Da die Begründung für einen Eingriff sich letztlich aus den diesen Eingriff rechtfertigenden Urteilen ergibt, kann auch die VfB direkt gegen ein Urteil gerichtet werden. Für die Maßgeblichkeit der Urteile spricht auch § 90 II BVerfG, da das Gebot, den Rechtsweg auszuschöpfen, auch den Sinn hat, dem BVerfG die Kenntnis davon zu verschaffen, wie die Fachgerichte den Fall beurteilen. Letztlich verbindlich ist das Urteil des BVerwG, so dass die Überlegungen zum richtigen Beschwerdegegenstand im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis führen, dass die VfB gegen das Urteil des BVerwG gerichtet ist. (Auch im Fall BVerfG NVwZ 2013, 1468 wurde die VfB nicht gegen die Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes, sondern gegen das diese Maßnahmen billigende Urteil des BVerwG gerichtet.)

4. Das BVerfG hat im vorliegenden Fall die Verfassungsbeschwerden als gegen alle möglichen Hoheitsakte gerichtet angesehen: unmittelbar gegen die Abgabenbescheide, gegen die Urteile des VG, OVG, BVerwG, mittelbar gegen das WeinG. Der Fall, dass sich eine VfB unmittelbar gegen einen Vollzugssakt und mittelbar gegen das ermächtigende Gesetz richtet, ist in § 95 III BVerfG vorgesehen, vgl. dort insbesondere Satz 2. Allerdings ist es in einer Falllösung praktisch kaum möglich, die VfB unter dem Aspekt eines jeden der ergangenen Hoheitsakte zu prüfen; es ist aber auch unnötig, weil sie letztlich dasselbe regeln und nur zu einem einzigen Eingriff führen. Das BVerfG hat nur die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geprüft, diese allerdings gründlich.

II. Der Bf. muss geltend machen, in einem Grundrecht verletzt zu sein (§ 90 I BVerfGG).

1. W machen geltend, sie seien in ihrem Grundrecht aus Art. 12 I GG verletzt. Eine solche Verletzung ist auch möglich, weil die Abgabe sie anlässlich ihrer beruflichen Betätigung als Winzer und Inhaber einer Weinkellerei belastet.

2. Dagegen betreffen die verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der Gesetzeskompetenz, der Finanzordnung und des Demokratieprinzips unmittelbar keine Grundrechte und erfüllen die Anforderungen des § 90 I BVerfG nicht. Sie sind aber nicht bedeutungslos für das Verfahren, sondern können als inzidenter zu prüfende Verfassungserfordernisse ein Grund dafür sein, eine Verletzung des Art. 12 I GG anzunehmen.

III. Die Ausschöpfung des Rechtsweges (§ 90 II 1 BVerfGG) liegt im Durchlaufen des Verwaltungsrechtsweges. Da die VfB auch formell fehlerfrei erhoben wurde, ist sie zulässig.

B. Begründet ist die VfB, wenn W in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) verletzt sind.

Da sich die VfB gegen das Urteil des BVerwG richtet, handelt es sich um eine Urteilsverfassungsbeschwerde. Das Urteil hat die Abgabenbescheide des F bestätigt, die auf das WeinG gestützt waren. Urteil und VAe waren das WeinG vollziehende gebundene Verwaltungsakte. Urteil und VAe verletzen deshalb Art. 12 I GG nicht, wenn das WeinG dieses Grundrecht nicht verletzt. Verletzt dagegen das WeinG Art. 12 I GG, enthalten auch die Vollzugsakte und das Urteil eine Verletzung dieses Grundrechts. Somit hängt die Begründetheit der VfB davon ab, ob die für den vorliegenden Fall relevanten §§ 43 ff. WeinG das Grundrecht der W aus Art. 12 I GG verletzen. Die sonst bei Urteilsverfassungsbeschwerden zu prüfende Frage, ob eine spezifische Verfassungsverletzung vorliegt, braucht hier nicht gestellt zu werden, weil die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, auf das die Vollzugsakte gestützt sind, immer eine spezifische Verfassungsfrage ist, so dass im Falle einer Verneinung der Verfassungsmäßigkeit ohne weiteres eine spezifische Verfassungsverletzung gegeben ist.

I. Das WeinG müsste einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 I GG enthalten.

1. Schutzbereich des Art. 12 I ist die berufliche Betätigung. Sowohl ein Winzer als auch der Betreiber einer Weinkellerei betätigen sich beruflich.

2. Die Auferlegung der Weinabgabe belastet W bei ihrer beruflichen Tätigkeit und enthält deshalb eine berufsspezifische Regelung mit belastender Wirkung, mithin einen Eingriff in die Berufsfreiheit.

II. Da die Weinabgabe eine Regelung der Berufsausübung ist, kann sie über Art. 12 I 2 GG gerechtfertigt sein. Sie ist in einem Gesetz, den §§ 43 ff. WeinG geregelt. Diese Vorschriften müssten auch verfassungsmäßig sein. Für die Verfassungsmäßigkeit ist zunächst erforderlich, dass der Bund über die Gesetzgebungszuständigkeit für ihren Erlass verfügt.

1. Nach Art. 74 I Nr. 11 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das Recht der Wirtschaft und nach Art. 74 I Nr. 17 für die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung. Die Weinabgabe gemäß § 43 WeinG dient der Finanzierung des Weinfonds und damit der Förderung der mit diesem Fonds nach § 37 WeinG verfolgten Zwecke. Die dort benannten Aufgaben, die Qualität und den Absatz des Weines zu fördern sowie auf den Schutz der für inländischen Wein bestehenden Bezeichnungen hinzuwirken, sollen die Weinwirtschaft und die Erzeugung von Wein als eines landwirtschaftlichen Produkts fördern, fallen also unter Art. 74 I Nr. 11 und Nr. 17. BVerfG [111]: Die Gesetzgebungskompetenz…folgt aus den Sachzuständigkeiten des Bundes…für die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG) und das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG). Diese Kompetenzgrundlagen tragen jedenfalls in ihrer Kombination die getroffenen Regelungen, so dass es auf die Frage, inwieweit die Gesetzgebungskompetenz für die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung bereits für sich genommen ausreichend wäre, nicht ankommt.

2. Soweit die Bundeszuständigkeit auf Art. 74 I Nr. 11 gestützt wird, muss zusätzlich eine bundesgesetzliche Regelung i. S. des Art. 72 II GG erforderlich sein. Das ist zu bejahen, BVerfG [113]: Die hier zu beurteilenden Regelungen können als zur Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich (vgl. BVerfG NVwZ 2014, 649 Rn. 115, m. w. N.) angesehen werden. Vertiefend [114]: Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine wirksame und koordinierte Absatzförderung, die auch der Exportwirtschaft Absatzmärkte erschließen können soll, eine Bundesregelung erforderlich macht. Zwar werden vereinzelt auch gebietliche Absatzförderungseinrichtungen im Ausland aktiv. Die Annahme ist jedoch ohne weiteres plausibel, dass die im gesamtstaatlichen Interesse an einer wettbewerbsfähigen deutschen Weinwirtschaft notwendigen Maßnahmen der Förderung und des Bezeichnungsschutzes, besonders in ihren Auslandsbezügen, allein mit regionalen Mitteln nicht zu bewerkstelligen sind. - Genauer zu den Voraussetzungen des Art. 72 II in der bereits vom BVerfG zitierten Entscheidung BVerfG NVwZ 2014, 646, Filmförderabgabe, dort [115-117].


Dem Bund stand somit die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des § 43 WeinG zu.

III. Die Weinabgabe könnte eine unzulässige Sonderabgabe sein.

Begrifflich handelt es sich bei der Weinabgabe weder um eine Steuer noch um eine Gebühr oder einen Beitrag, sondern um eine für einen besonderen Zweck erhobene Sonderabgabe. Sonderabgaben können einen Lenkungszweck oder einen Finanzierungszweck haben. Die Weinabgabe ist eine Sonderabgabe mit Finanzierungszweck. Bei Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion besteht die Gefahr, dass sie die bundesstaatliche Aufteilung der Finanzmittel (Art 106, 107 GG) aushöhlen, die Belastungsgleichheit der Bürger in Frage stellen und, wenn sie nicht im Haushaltsplan (Art. 110 GG) erscheinen, sich der parlamentarischen Finanzkontrolle entziehen. Beispielsweise vermindert eine von Gewerbetreibenden oder Freiberuflern verlangte Sonderabgabe deren Gewinn und verringert dadurch deren Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Für solche Abgaben hat das BVerfG deshalb besondere, aus Art. 105, 106, 110 GG hergeleitete Anforderungen entwickelt, die es unter [116] wie folgt zusammenfasst: Der Gesetzgeber darf sich einer solchen Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden. Die Gruppe muss zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck in einer Beziehung spezifischer Sachnähe stehen, aufgrund deren ihr eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden kann. Das Abgabenaufkommen muss grundsätzlich gruppennützig verwendet werden (vgl. zuletzt BVerfGE 124, 348, 366; BVerfG NVwZ 2014, 646, Rn. 121, jew. m. w. N.…). [117]: Gegenüber den Steuern müssen Sonderabgaben die seltene Ausnahme bleiben.

Diese Voraussetzungen sind nachfolgend zu prüfen.

1. Über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehender Sachzweck

BVerfG [119] Mit der Abgabe nach § 43 Abs. 1 WeinG werden die in § 37 Abs. 1 WeinG genannten, über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehenden Sachzwecke verfolgt. Aus dem Abgabeaufkommen sollen die Qualität und der Absatz des Weins und sonstiger Erzeugnisse des Weinbaus gefördert (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 WeinG) sowie Maßnahmen zum Schutz der durch Rechtsvorschriften für inländischen Wein festgelegten Bezeichnungen (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 WeinG) finanziert werden.

2. Belastung einer homogenen Gruppe

a) [121] Die abgabepflichtigen Erzeuger und Abfüller von Wein aus deutschen Anbaugebieten haben ein gemeinsames Interesse an dem Absatz ihrer Produkte, den der Deutsche Weinfonds zu fördern sucht. Durch dieses gemeinsame Interesse sind sie in der notwendigen, auf den Abgabezweck bezogenen…Weise verbunden und von anderen Gruppen abgrenzbar.

b) [122-131] Vollständige Interessenharmonie ist nicht verlangt (…). Es genügt vielmehr ein die Belastung mit der Sonderabgabe insbesondere unter Gleichheitsgesichtspunkten rechtfertigendes Maß an spezifischer Gemeinsamkeit.

Deshalb steht es der Homogenität der abgabebelasteten Gruppe nicht entgegen, dass Weinerzeuger und Weinabfüller sich als Verkäufer und Abnehmer mit naturgemäß gegenläufigen Interessen begegnen. Die Homogenität einer Gruppe wird durch Konkurrenz oder sonstige Interessengegensätze zwischen Gruppenangehörigen nicht in Frage gestellt, sofern zugleich ein gemeinsames Interesse im Hinblick auf den Abgabenzweck besteht…. Zwischen den Erzeugern und Abfüllern von Wein besteht nicht deshalb ein das gemeinsame Interesse an der Absatzförderung durch den Deutschen Weinfonds ausschließender Interessengegensatz, weil aufgrund der speziellen Bedingungen des Weinmarktes ausschließlich entgegengesetzte Interessen hinsichtlich der Preisgestaltung bestünden. Die Besonderheit, dass der Ausweitung des Gesamtangebots an deutschem Wein gesetzliche Grenzen gesetzt sind (§§ 9, 10 WeinG), verstärkt im Gegenteil das gemeinsame Interesse von Erzeugern und Abfüllern an einer Steigerung der Wertschätzung des deutschen Weins, die sich in erhöhten Gewinnmargen je Mengeneinheit niederschlägt. Dass beide Teilgruppen dabei um einen möglichst großen Anteil am innerhalb der Wertschöpfungskette insgesamt möglichen Gewinn konkurrieren, entspricht dem üblichen internen Verhältnis zwischen Akteuren auf unterschiedlichen Marktstufen und steht der maßgeblichen Gemeinsamkeit des Absatzinteresses im Außenverhältnis zu den Abnehmern nicht entgegen.

Die Homogenität der abgabebelasteten Gruppe wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass…direktvermarktende Winzer nicht in die Pflicht zur Zahlung der Mengenabgabe nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 WeinG einbezogen sind. Der Gesetzgeber ist zwar grundsätzlich gehalten, von der Belastung mit einer Sonderabgabe nicht Gruppen auszuschließen, die zum Sachzweck der Abgabe in gleicher oder gar noch größerer Nähe stehen als die Abgabebelasteten (vgl. BVerfG NVwZ 2014, 646, 651 Rn. 125). Die Nichteinbeziehung der direktvermarktenden Winzer in die Belastung mit der Mengenabgabe ist jedoch nicht zu beanstanden. Sie trägt dem erhöhten betrieblichen Aufwand für den Direktabsatz und dem damit zusammenhängenden Umstand Rechnung, dass Winzer, die sich den Kundenstamm für ihren Wein mit solchem Aufwand selbst erschlossen haben, auf ein Gemeinschaftsmarketing in geringerem Umfang angewiesen sind als andere Abfüller. Dies rechtfertigt es, solche Erzeuger nicht über die Zahlung der Flächenabgabe hinaus an der Finanzierung der Absatzförderung zu beteiligen.

3. Besondere Finanzierungsverantwortlichkeit der belasteten Gruppe

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der einzelnen Unternehmen, die Qualität des Weines und dessen Absatz des Weines zu fördern und auf den Schutz der für inländischen Wein festgelegten Bezeichnungen hinzuwirken. Da die Erfüllung dieser Aufgaben nicht ohne Einsatz finanzieller Mittel möglich ist, ergibt sich daraus eine Finanzierungsverantwortung.

b) Das BVerfG begründet die Finanzierungsverantwortung bereits mit dem Nutzen der von der F zu erfüllenden Aufgaben. [133] Die Finanzierungsverantwortung für die mittels der Abgabe erfüllten Aufgaben ergibt sich im vorliegenden Fall - wie grundsätzlich bei Absatzförderungsabgaben, zu denen Erzeuger und Vermarkter des abzusetzenden Produkts herangezogen werden - daraus, dass die Verwendung des Abgabeaufkommens in spezifischer Weise den Abgabebelasteten zugutekommt.

4. Gruppennützige Verwendung des Abgabenaufkommens

a) Grundsätzlich ergibt sich diese bereits daraus, dass das Aufkommen aus der Abgabe den verpflichteten Unternehmen zugute kommt (vorstehend 3 b).

b) Allerdings liegt in der Verlagerung der Aufgabe der Absatzförderung vom einzelnen Unternehmen zu einer gemeinsamen, vom einzelnen Unternehmen mitzufinanzierenden Stelle eine besondere Belastung, für die ein hinreichender Grund bestehen muss. BVerfG [134] Bei Abgaben, die zum Zweck der Absatzförderung erhoben werden, stellt sich die finanzielle Inanspruchnahme für die staatliche Aufgabenwahrnehmung, die durch hoheitliche Entscheidung an die Stelle des individuellen unternehmerischen Handelns tritt, aus der Sicht des Abgabepflichtigen…als Verkürzung seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit dar und bedarf auch insoweit besonderer Rechtfertigung. Verfassungsrechtlich zulässige Ziele sowie mögliche positive Effekte staatlicher Werbemaßnahmen für einen bestimmten Wirtschaftszweig reichen allein für einen greifbaren Gruppennutzen zur Rechtfertigung einer Finanzierung durch Sonderabgaben statt durch Steuern nicht aus (vgl. BVerfGE 122, 316, 337; 123, 132, 144).

Erforderlich ist vielmehr, dass die Maßnahmen einen besonderen, evidenten Gruppennutzen haben. Dieser ergibt sich im vorliegenden Fall aus Besonderheiten des Weinabsatzes, BVerfG [140-142] Wein wird in weit höherem Maße als die Mehrheit anderer Agrarprodukte in Abhängigkeit von der Herkunft gekauft. Daneben spielt die Rebsorte eine wichtige Rolle. Die für Wein erzielbaren Preise unterliegen einer, verglichen mit den meisten anderen Lebensmitteln, ungewöhnlichen Spreizung in Abhängigkeit von Qualität und Image. Hinzu kommen die rechtlichen Grenzen, die einer Ausweitung des Angebots an deutschem Wein gesetzt sind (§§ 9, 10 WeinG). Quantitative Steigerung scheidet daher als Erfolgsweg für die deutsche Weinwirtschaft als Ganze aus. Die Entwicklungsspielräume liegen stattdessen in Qualitäts- und Imageverbesserungen und der hierdurch ermöglichten Erzielung höherer Preise… Deshalb kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass der deutsche Wein im Vergleich zu Wein aus anderen Weinbaunationen unter Imagenachteilen leidet, die unter anderem durch Produktionsqualitäten früherer Jahrzehnte und den Glykolskandal der achtziger Jahre bedingt sind und denen insoweit sinnvoll durch Maßnahmen der Absatzförderung entgegengewirkt werden kann (…)… Vor diesem Hintergrund ist die Erfüllung der Aufgabe, die Qualität und den Ruf des deutschen Weins insgesamt zu verbessern, für die deutsche Weinwirtschaft besonders bedeutsam und ihr insgesamt evident nützlich.

c) Den Einwand, für die Erfüllung dieser Aufgabe bedürfe es keiner Zwangsabgabe, weil sich bei evidenter Nützlichkeit alle Unternehmen freiwillig beteiligen würden, weist BVerfG [146] damit zurück, er verkenne die Natur des…Trittbrettfahrerproblems. Dieses besteht darin, dass Marktakteure sich an der Finanzierung einer gemeinschaftlich erbrachten Leistung trotz vorhandener Wertschätzung für sie in der Annahme nicht beteiligen, dass sie von ihr auch ohne eigene Beitragsleistung werden profitieren können.

Ergebnis zu III ist, dass die Weinabgabe nach § 43 WeinG eine nicht gegen Art. 105, 106, 110 GG verstoßende Sonderabgabe zu Finanzierungszwecken ist.

Ergänzende Hinweise: Im Urteil NVwZ 2014, 646 hat das BVerfG die Filmförderabgabe nach den gleichen Grundsätzen und im Ergebnis ebenfalls als rechtmäßige Sonderabgabe beurteilt; Besprechung von Selmer in JuS 2014, 477. - Demgegenüber hat BGH DVBl 2014, 1343 bei der zur Förderung erneuerbarer Energien erhobenen EEG-Umlage bereits das Vorliegen einer (Sonder-) Abgabe verneint, [14, 20] Wie das BerGer. zu Recht angenommen hat, fehlt es bei der…EEG-Umlage bereits an der Grundvoraussetzung für eine Sonderabgabe, der Aufkommenswirkung der öffentlichen Hand… Es handelt sich um gesetzliche Preisregelungen für Rechtsbeziehungen zwischen Privaten, deren Einhaltung die Bundesnetzagentur lediglich als Aufsichtsbehörde überwacht, ohne jedoch Zugriff auf die Finanzströme nehmen zu können.

III. Das sonst bei Beschränkungen der Berufsfreiheit auf den verschiedenen Eingriffsstufen zu prüfende Prinzip der Verhältnismäßigkeit hat bei Sonderabgaben keine selbständige Bedeutung. Dass die Erhebung der Sonderabgabe einem legitimen Zweck dient, dafür geeignet und auch notwendig ist, wurde bereits im Zusammenhang mit den speziellen Anforderungen an die Sonderabgabe geprüft und bejaht. Daraus lässt sich auch der Schluss ziehen, dass die Abgabe der Höhe nach angemessen ist. Im übrigen folgt das auch aus den moderaten Abgabesätzen.

IV. § 43 WeinG könnte als Teil eines verfassungswidrigen Gesetzes von dieser Verfassungswidrigkeit erfasst werden. §§ 40 ff. WeinG könnten, wie W geltend machen, wegen der Zusammensetzung des über hoheitliche Befugnisse verfügenden Verwaltungsrats gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 II GG) verstoßen.

1. BVerfG [168] Nach dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) bedarf alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter, gleich ob unmittelbar außenwirksam oder nicht, der demokratischen Legitimation. Es muss sich auf den Willen des Volkes - der Gesamtheit der Bürger - zurückführen lassen und, sofern nicht das Volk selbst entscheidet, ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 77, 1, 40; 83, 60, 71 ff; …130, 76, 123).

a) Der notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird vor allem durch die Wahl des Parlaments, durch die von ihm beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt, durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung sowie durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung hergestellt (…). Ein Amtsträger ist personell uneingeschränkt legitimiert, wenn er sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder durch einen seinerseits personell legitimierten Amtsträger oder mit dessen Zustimmung erhalten hat. Sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch die Bindung an das Gesetz sowie durch Aufsicht und Weisung übergeordneter staatlicher Stellen vermittelt (…). Entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes Legitimationsniveau… Das erforderliche Legitimationsniveau ist abhängig von der Art der zu legitimierenden Entscheidungstätigkeit. Je intensiver die in Betracht kommenden Entscheidungen etwa Grundrechte berühren, desto höher muss das Legitimationsniveau sein (…). Diese Grundsätze betreffen zunächst die unmittelbare Staatsverwaltung.

b) Die Verwaltung des Weinfonds erfolgt durch die von dessen Tätigkeit betroffenen Wirtschaftsteilnehmern, ist also insoweit Selbstverwaltung. BVerfG [169] Außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der in ihrem sachlich-gegenständlichen Aufgabenbereich nicht beschränkten gemeindlichen Selbstverwaltung ist das Demokratiegebot offen für Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt, die insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller, durch Wahl- und Bestellungsakte vermittelter demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichen (vgl. BVerfGE 107, 59, 91; BVerfG NVwZ 2014, 646, 655 Rn. 158). Dementsprechend sind für den Bereich der funktionalen Selbstverwaltung von diesem Erfordernis abweichende Formen der Beteiligung von Betroffenen an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Hinblick darauf gebilligt worden, dass die gelockerte Einbindung in den zentralen, auf das Gesamtvolk zurückgehenden Legitimationszusammenhang ausgeglichen wurde durch ein stärkeres Zurgeltungbringen der gleichfalls im Gedanken der Selbstbestimmung und damit im demokratischen Prinzip wurzelnden Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie (…).

2. Gegen diese Anforderungen verstößt die den Verwaltungsrat betreffende Regelung der §§ 40 ff. WeinG nicht. BVerfG [171] Den Mitgliedern des Verwaltungsrats (§ 40 WeinG), der den grundsätzlichen Handlungsrahmen in den zum Aufgabengebiet des Deutschen Weinfonds gehörigen Fragen bestimmt (§ 40 Abs. 4 WeinG),…vermittelt die Ernennung durch den zuständigen Bundesminister (§ 40 Abs. 2 WeinG) als Mitglied der dem Parlament verantwortlichen Regierung demokratische Legitimation (vgl. zum Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt BVerfG NVwZ 2014, 646 ff., Rn. 160, 162). Hinzu kommt, dass F unter der Aufsicht des Ministeriums steht (§ 42 WeinG). Im Hinblick auf die Erhebung der Abgaben sind keine hohen Anforderungen an das Legitimationsniveau zu stellen, weil Voraussetzungen und Höhe sich bereits aus dem WeinG ergeben. BVerfG [174] Die Bewirtschaftung des Abgabenaufkommens zur Erfüllung der Aufgaben nach § 37 Abs. 1 WeinG ist zwar, anders als die Abgabenerhebung, nicht gesetzlich detailliert vorgeprägt. Sie berührt andererseits aber auch nicht in besonders intensiver, hohe Anforderungen an die demokratische Legitimation begründender Weise die Grundrechte der Abgabepflichtigen oder Drittbetroffener. Grundrechte der Abgabepflichtigen wären durch die Verwendung der Fördermittel allenfalls insofern berührt, als eine zweckwidrige oder sonst willkürliche Verwendung des Abgabeaufkommens mittelbar auf die Rechtfertigungsfähigkeit der Abgabenerhebung zurückwirken oder Grundrechtsrelevanz durch Wettbewerbswidrigkeit entfalten könnte. Dagegen schützt aber die staatliche Aufsicht. In der Zusammenschau ergibt sich danach ein in personeller und sachlicher Hinsicht insgesamt ausreichendes Legitimationsniveau.

Somit verstoßen §§ 40 ff. WeinG nicht gegen das Demokratieprinzip.

V. Das WeinG ist insgesamt verfassungsmäßig. Es rechtfertigt somit den in der Erhebung der Weinabgabe liegenden Eingriff in die Berufsfreiheit. Art. 12 I GG der W ist nicht verletzt. Die VfB ist unbegründet.


Zusammenfassung