Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

EU-Recht; Charta der Grundrechte der EU; Anwendbarkeit, Art. 51 GRCh. Eigentum, Art. 17 GRCh. Unternehmerische Freiheit, Art. 16 GRCh. Rechtfertigung von Eingriffen in den Grenzen des Art. 52 GRCh. Verhältnismäßigkeit. Verhältnis der GRCh zur EMRK


EuGH Urteil vom 22. 1. 2013 AZ. C-283/11

Fall (Kurzberichterstattung - Sky Österreich)

Art. 15 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (im Folgenden: Art. 15 RiLi) bestimmt in Absatz 1: Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass jeder Fernsehveranstalter, der in der Union niedergelassen ist, zum Zwecke der Kurzberichterstattung einen Zugang zu Ereignissen hat, die von großem öffentlichen Interesse sind und die von einem der Rechtshoheit der Mitgliedstaaten unterworfenen Fernsehveranstalter exklusiv übertragen werden. Nach Art. 15 Abs. 3 wird dieser Zugang dadurch garantiert, dass der Zugang zum Sendesignal des übertragenden Fernsehveranstalters gewährt wird, aus dem frei kurze Ausschnitte ausgewählt werden dürfen. Nach Art. 15 Abs. 5 darf die Kurzberichterstattung nur in allgemeinen Nachrichtensendungen verwendet werden. Wird eine Kostenerstattung vorgesehen, darf diese gemäß Art. 15 Abs. 6 die mit der Gewährung des Zugangs zum Signal unmittelbar verbundenen Kosten nicht übersteigen. Diese Richtlinie hat der EU-Mitgliedstaat S in einem Gesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte (Fernseh-Exklusivrechtegesetz, FERG) nahezu wortgleich umgesetzt; insbesondere hat er bestimmt, dass nur durch den technischen Zugang entstehende und keine weiteren Kosten verlangt werden können.

Nach Erlass dieser Vorschriften hat die Sky-GmbH im Staat S (im Folgenden: Sky) gegen Zahlung mehrerer Millionen Euro pro Jahr die Exklusivrechte für die Fernsehübertragung der Fußball-Europa League für S erworben. Sie hält die Verpflichtung, eine unentgeltliche Kurzberichterstattung dulden zu müssen, für eine Verletzung ihrer Grundrechte und verweigert sie anderen Fernsehveranstaltern. Unstreitig entstehen Sky für die Gewährung des technischen Zugangs keine Kosten. Der öffentlich-rechtliche Fernsehsender S-TV hat Klage auf Zugang zur unentgeltlichen Kurzberichterstattung vor dem zuständigen Gericht in S erhoben. Das Gericht hat Zweifel, ob das anderen Fernsehveranstaltern eingeräumte Recht zur unentgeltlichen Kurzberichterstattung mit den Grundrechten von Sky vereinbar ist, und hat diese Frage dem EuGH nach Art. 267 AEUV vorgelegt. Wie wird der EuGH über diese Frage entscheiden ? Dabei ist von der Zulässigkeit der Vorlage auszugehen.

Da von der Zulässigkeit der Vorlage auszugehen ist, ist sogleich die Frage zu behandeln, ob das anderen Fernsehveranstaltern eingeräumte Recht zur unentgeltlichen Kurzberichterstattung mit den Grundrechten von Sky vereinbar ist.

A. Dabei müssen sich die Überlegungen im Rahmen der dem EuGH durch Art. 267 AEUV übertragenen Prüfungskompetenz halten. Folglich sind Grundrechte nach dem Recht des Staates S nicht zu prüfen. Der EuGH ist bei den ihm übertragenen Zuständigkeiten, insbesondere bei Entscheidungen über Vertragsverletzungen (Art. 258, 259 AEUV), bei Klagen gegen Rechtsakte der Unionsorgane (Ar. 263 AEUV) und bei Vorabentscheidungen (Art. 267 AEUV), auf die Anwendung des Unionsrechts (Europarechts) beschränkt.

Würde der Fall in Deutschland spielen, könnten deutsche Grundrechte auch nicht vom BVerfG geprüft werden. Denn das BVerfG prüft Unionsrecht und deutsches, auf Unionsrecht beruhendes Recht grundsätzlich nicht mehr anhand deutscher Grundrechte („Solange-Rspr.“). V erfassungsbeschwerden, die sich gegen die Anwendung unionsrechtlich vollständig determinierter Bestimmungen des nationalen Rechts richten, sind grundsätzlich unzulässig (BVerfG NJW 2011, 3428 [53]; BVerfGE 125, 260, 306). Daraus folgt die Bedeutung, die die nachfolgend geprüfte Vereinbarkeit mit den Grundrechten des europäischen Rechts hat.

B.
Es könnten Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRCh) verletzt sein.

I. Dann müsste die GRCh anwendbar sein. Das richtet sich nach Art. 51 I GRCh.

1. Nach Art. 51 I 1 gilt die GRCh für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union. Sie ist deshalb im vorliegenden Fall anwendbar, soweit Art. 15 RiLi auf seine Vereinbarkeit mit Grundrechten zu prüfen ist. Die Richtlinie wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen; dabei war die GRCh zu beachten.

2. Nach Art. 51 I 1 GRCh gilt die GRCh auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Die Richtlinie bedurfte der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber (Art. 288 III AEUV). Diese Umsetzung bedeutete eine Durchführung des Rechts der Union, weil sich die Umsetzung nach der Richtlinie zu richten hatte und diese dabei anzuwenden war. Die GRCh war also auch bei Erlass des FERG, soweit dessen Inhalt durch die Richtlinie bindend vorgegeben war, zu beachten.

II. Es könnte das in Art. 17 GRCh geschützte Grundrecht auf Eigentum verletzt sein. Danach hat jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben (Art. 17 I Satz 1). Nach Satz 2 ist eine Enteignung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach Satz 3 kann die Nutzung des Eigentums gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.

1. Sky müsste im vorliegenden Fall über Eigentum verfügen. Eigentum könnten die durch Aufwendung eines hohen Betrages erworbenen exklusiven Fernsehübertragungsrechte an den Spielen der Europa League sein. Ebenso wie bei Art. 14 GG wird auch bei Art. 17 GRCh der Begriff des Eigentums weit gefasst und auf vermögenswerte Rechte ausgedehnt, die eine gesicherte Rechtsposition gewähren und ihrem Inhaber eine selbstständige Ausübung ermöglichen.

a) EuGH [34, 35]: Es stellt sich die Frage, ob sich die durch Art. 17 Abs. 1 der Charta gewährten Garantien auf vertraglich erworbene exklusive Fernsehübertragungsrechte erstrecken. Der durch diesen Artikel gewährte Schutz bezieht sich nicht auf bloße kaufmännische Interessen oder Aussichten, deren Ungewissheit zum Wesen der wirtschaftlichen Tätigkeiten gehört (…), sondern auf vermögenswerte Rechte, aus denen sich im Hinblick auf die Rechtsordnung eine gesicherte Rechtsposition ergibt, die eine selbständige Ausübung dieser Rechte durch und zugunsten ihres Inhabers ermöglicht. Die exklusiven Fernsehübertragungsrechte werden Fernsehveranstaltern gegen Entgelt durch eine vertragliche Bestimmung eingeräumt und ermöglichen es diesen Veranstaltern, bestimmte Ereignisse exklusiv zu übertragen, so dass jedwede Übertragung dieser Ereignisse durch andere Fernsehveranstalter ausgeschlossen ist. Deshalb sind diese Rechte nicht als bloße kaufmännische Interessen oder Aussichten, sondern als vermögenswerte Rechte anzusehen.

b) EuGH [36 – 40]: Im Hinblick auf die Umstände des Ausgangsverfahrens stellt sich aber die Frage, ob die betreffenden Exklusivrechte eine gesicherte Rechtspositiondarstellen. Insoweit schreibt das Unionsrecht… vor, das Recht der Fernsehveranstalter auf Kurzberichterstattung über Ereignisse von großem öffentlichen Interesse zu garantieren, die Gegenstand exklusiver Fernsehübertragungsrechte sind, ohne dass die Inhaber eines solchen Rechts eine Kostenerstattung verlangen dürfen, die die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs zum Signal verbundenen zusätzlichen Kosten übersteigt. Angesichts dieser unionsrechtlichen Vorschriften, die die Mitgliedstaaten in ihr innerstaatliches Recht umzusetzen haben, kann eine vertragliche Klausel wie diejenige im Ausgangsverfahren [d. h. der vertragliche Erwerb exklusiver Fernsehrechte] einem Fernsehveranstalter keine durch Art. 17 Abs. 1 der Charta geschützte Rechtsposition verschaffen… Ein Wirtschaftsteilnehmer wie Sky Österreich, der nach Inkrafttreten der Richtlinie…vertraglich exklusive Fernsehübertragungsrechte erworben hat,…kann sich im Hinblick auf das Unionsrecht nicht wirksam auf eine durch Art. 17 Abs. 1 der Charta geschützte gesicherte Rechtsposition berufen, da die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet waren und diese Umsetzung jederzeit erfolgen konnte und jedenfalls bis spätestens 19. Dezember 2009 vollzogen sein musste. Unter diesen Umständen kann sich ein Inhaber exklusiver Fernsehübertragungsrechte für Ereignisse von großem öffentlichen Interesse nicht auf den Schutz durch Art. 17 Abs. 1 der Charta berufen.

2. Der EuGH verneint also bereits das Vorliegen von Eigentum. Nach deutscher Grundrechtsdogmatik hätte es wohl näher gelegen, das Sky zustehende exklusive Übertragungsrecht als Eigentum zu qualifizieren, aber die Pflicht zur Duldung der Kurzberichterstattung als eine Nutzungsbeschränkung i. S. des Art. 17 I 3 zu rechtfertigen, die zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. Da aber ein Fernsehübertragungsrecht kein Recht mit einem feststehenden Inhalt ist - anders als etwa das Grundstückseigentum - und weil das Übertragungsrecht von vornherein mit der Duldung der Kurzberichterstattung belastet ist, lässt es sich gut vertreten, geschütztes Eigentum, soweit es um diese Belastung geht, von vornherein zu verneinen. Art. 17 GRCh ist nicht verletzt.

II. Sky könnte in seinem Grundrecht aus Art. 16 GRCh verletzt sein. Während Art. 12 I GG die unselbstständige und die selbstständige Tätigkeit in einem einzigen Grundrecht zusammenfasst, schützt die GRCh die Freiheit der beruflichen Tätigkeit zunächst in Art. 15 und die Freiheit des selbständigen Unternehmers in Art. 16.

1. Art. 16 schützt nach seinem Schutzbereich die unternehmerische Freiheit gegen Eingriffe.

a) Die Tätigkeit von Sky als eines auf Gewinnerzeilung gerichteten Unternehmens fällt unter den Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit. Zu dieser Freiheit gehört insbesondere, erworbene Rechte wie die Fernsehübertragungsrechte nach eigener Entscheidung einzusetzen und sie keinem Konkurrenten zukommen zu lassen. Zugleich fällt diese Befugnis unter die zur Tätigkeit des Unternehmens gehörende Vertragsfreiheit. EuGH [42, 43]: Der durch Art. 16 gewährte Schutz umfasst die Freiheit, eine Wirtschafts‑ oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb… Zur Vertragsfreiheit gehört u. a. die freie Wahl des Geschäftspartners (…) sowie die Freiheit, den Preis für eine Leistung festzulegen (…).

b) In diese Freiheit müsste eingegriffen worden sein.

aa) EuGH [44]: Art. 15 der Richtlinie 2010/13 hat zur Folge,… dass der Inhaber exklusiver Fernsehübertragungsrechte nicht frei wählen kann, mit welchen Fernsehveranstaltern er eine Vereinbarung über die Einräumung eines Kurzberichterstattungsrechts schließt. Ebenso kann im Hinblick auf Art. 15 Abs. 6…der Inhaber exklusiver Fernsehübertragungsrechte nicht frei über den Preis entscheiden, zu dem er den Zugang zum Signal zum Zweck der Kurzberichterstattung gewährt. Insbesondere verwehrt es diese Vorschrift einem solchen Inhaber, Fernsehveranstalter, die Kurzberichte senden, an den Kosten des Erwerbs der exklusiven Fernsehübertragungsrechte zu beteiligen.

bb) Fraglich ist aber, ob bereits die RiLi den Eingriff enthält. Eine belastende Richtlinie bindet nur den Mitgliedstaat (Art. 288 III AEUV) und hat keine Rechtswirkungen gegenüber Privaten und Unternehmen. Indem die RiLi aber den Mitgliedstaaten die Umsetzung zwingend vorschreibt, steht bereits mit ihrem Erlass fest, dass die in der RiLi vorgegebenen Regelungen sich auch gegenüber Privaten und Unternehmen auswirken. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Rechtswirkungen der Umsetzung bereits der RiLi zuzurechnen. Dementsprechend hat EuGH [44] ausgeführt: Folglich greift Art. 15 Abs. 6 in die unternehmerische Freiheit der Inhaber exklusiver Fernsehübertragungsrechte ein. Ein Eingriff in das Grundrecht von Sky aus Art. 16 GRCh liegt somit vor.

2. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein.

a) Obwohl Art. 16 GRCh keinen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten von Eingriffsmöglichkeiten durch Rechtsakte des EU-Rechts enthält, sind solche Eingriffe möglich. EuGH [45, 46]: Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt die unternehmerische Freiheit jedoch nicht schrankenlos, sondern ist im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen (…). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung und angesichts des Wortlauts von Art. 16 der Charta, der sich von dem der anderen grundrechtlich geschützten Freiheiten, die in ihrem Titel II verankert sind, unterscheidet und dabei dem Wortlaut einiger Bestimmungen ihres Titels IV ähnelt, kann die unternehmerische Freiheit einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können.

b) Welche Anforderungen an einen Eingriff zu stellen sind, ergibt sich aus Art. 52 I GRCh.

(1) Die Einschränkung muss gesetzlich vorgesehen sein.

aa) Ein solches Gesetz sind im vorliegenden Fall Art. 15 RiLi und das sie umsetzende FERG.

bb) Diese Gesetze müssen sich im Rahmen der Zuständigkeit der EU halten. Maßnahmen, die außerhalb der Zuständigkeit liegen, können Grundrechte nicht rechtmäßig einschränken. Der Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts, wonach in Grundrechte eingreifende Maßnahmen formell und materiell rechtmäßig sein müssen, gilt als allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsatz auch im EU-Recht (vgl. Art. 2 EUV). Die Veranstaltung und Verbreitung von Fernsehen fällt unter die Dienstleistungsfreiheit, so dass Art. 62 AEUV anwendbar ist. Dieser verweist auf Art. 51 - 54 aus dem Recht der Niederlassungsfreiheit. Nach Art. 53 I AEUV können Richtlinien für die Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung selbstständiger Tätigkeiten erlassen werden. Eine solche Vorschrift ist Art. 15 RiLi. Somit ergibt sich die Zuständigkeit der EU aus Art. 62, 53 I AEUV (vgl. dazu die Einleitung vor den Erwägungsgründen der RiLi 2010/13).

cc) Verfahrensmäßig verweist Art. 53 I AEUV auf das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, geregelt in Art. 289 AEUV. Die hier einschlägige RiLi wurde vom Parlament und vom Rat gemeinsam erlassen, entsprach also den Anforderungen dieses Verfahrens. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Verfahrensvorschriften der Art. 294, 296, 297 AEUV beachtet wurden. Somit ist die RiLi und insbesondere ihr Art. 15 formell fehlerfrei erlassen worden.

(2) In materieller Hinsicht darf die RiLi nicht den Wesensgehalt des eingeschränkten Grundrechts antasten (Art. 52 I 1 GRCh). EuGH [48, 49]: Nach Art. 52 I muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein, deren Wesensgehalt achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer entsprechen. Insoweit ist festzustellen, dass Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie 2010/13 den Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit nicht antastet. Denn durch diese Bestimmung wird der Inhaber exklusiver Fernsehübertragungsrechte an der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit als solcher nicht gehindert. Sie schließt auch nicht aus, dass dieser Inhaber sein Recht verwertet, indem er entweder selbst das fragliche Ereignis entgeltlich überträgt oder dieses Recht vertraglich gegen Entgelt an einen anderen Fernsehveranstalter oder einen beliebigen Wirtschaftsteilnehmer veräußert.

(3) Zu prüfen bleibt die Verhältnismäßigkeit. EuGH [50]: Zur Verhältnismäßigkeit des festgestellten Eingriffs ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei zu beachten ist, dass dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (…).

aa) Was den mit Art. 15 I RiLi verfolgten Zweck betrifft, zielt Art. 15 RiLi nach EuGH [51 - 53] darauf, das durch Art. 11 Abs. 1 der Charta garantierte Grundrecht auf Information zu wahren und den durch Art. 11 Abs. 2 der Charta geschützten Pluralismus durch die Vielfalt der Nachrichten und Programme zu fördern. Die Wahrung der durch Art. 11 der Charta geschützten Freiheiten stellt ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel dar (…), dessen Bedeutung in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft nicht genug betont werden kann (…). Diese Bedeutung zeigt sich ganz besonders bei Ereignissen von großem öffentlichen Interesse. Daher ist festzustellen, dass Art. 15 der Richtlinie 2010/13 ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt.

Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie 2010/13 ist auch
geeignet, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten. Denn diese Bestimmung versetzt jeden Fernsehveranstalter dadurch, dass sie ihm einen Zugang zu den genannten Ereignissen garantiert, in die Lage, Kurzberichte zu senden und damit die Öffentlichkeit über exklusiv vermarktete Ereignisse, die für sie von großem Interesse sind, zu informieren.


bb) EuGH [54 - 57]: Was die Erforderlichkeit einer solchen Regelung angeht, ist festzustellen, dass als weniger belastende Maßnahme eine Kostenerstattung für die Inhaber exklusiver Fernsehübertragungsrechte hätte vorgesehen werden können, die die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs zum Signal verbundenen zusätzlichen Kosten übersteigt, insbesondere, um die Fernsehveranstalter, die Kurzberichte senden, an den Kosten für den Erwerb dieser Exklusivrechte zu beteiligen. Es zeigt sich jedoch, dass durch eine solche weniger belastende Regelung die Erreichung des mit Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie 2010/13 verfolgten Ziels nicht genauso wirksam sichergestellt werden könnte wie durch die Anwendung dieser Bestimmung. Es könnte Fernsehveranstalter geben, die die Kosten für den Erwerb kostenpflichtiger Übertragungsrechte nicht aufbringen können und die deshalb ihre Zuschauer mit den Inhalten, obwohl diese von großer Bedeutung sind, nicht versorgen können. Demgegenüber garantiert Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie 2010/13 jedem Fernsehveranstalter einen Zugang zu dem Ereignis, der gemäß Art. 15 Abs. 1 unter Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gewährt wird…, so dass jeder Fernsehveranstalter in die Lage versetzt wird, tatsächlich Kurzberichte zu senden. Unter diesen Umständen war der Unionsgesetzgeber zu der Annahme berechtigt, dass mit einer Regelung, die eine Kostenerstattung für die Inhaber exklusiver Fernsehübertragungsrechte vorsieht, die die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs zum Signal verbundenen zusätzlichen Kosten übersteigt, das angestrebte Ziel nicht genauso wirksam erreicht werden könnte wie mit einer Regelung wie Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie 2010/13…

cc) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Sinne der Angemessenheit durch EuGH [59 - 67] geht dieser davon aus, dass der Unionsgesetzgeber die unternehmerische Freiheit auf der einen und das Grundrecht der Unionsbürger auf Information sowie die Freiheit und den Pluralismus der Medien auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen hatte. Die unternehmerische Freiheit der betroffenen Fernsehveranstalter mit exklusiven Rechten wird durch Art. 15 RiLi nicht schwerwiegend beeinträchtigt. Aus dem Begriff der Kurzberichterstattung ergibt sich, dass nur ganz kurze Berichte von maximal 90 Sekunden erlaubt sind. Wer an einem Fußballspiel interessiert ist, wird sich mit 90 Sekunden nicht begnügen, sondern die 90minütige oder jedenfalls ausführlichere Übertragung von Sky vorziehen. Nach Art. 15 Abs. 5 darf die Kurzberichterstattung nicht als Sportsendung und auch nicht in Unterhaltungssendungen, sondern nur im Rahmen der allgemeinen Nachrichtensendungen erfolgen, wodurch die Verwertbarkeit der unentgeltlich erlangten Kurzberichte stark eingeschränkt wird und die Sendungen selbst nur wenig beeinträchtigt werden. Andererseits wird zunehmend davon Gebrauch gemacht, Berichte zur exklusiven Ausstrahlung zu vergeben und dadurch andere Medien von ihrer Verbreitung und Teile der Bevölkerung von ihrer Kenntnisnahme auszuschließen. Unter diesen Umständen hat das Interesse an auf einer wenn auch nur kurzen Information über Ereignisse von großem öffentlichen Interesse ein großes Gewicht.

EuGH: Unter Berücksichtigung einerseits der Bedeutung, die der Wahrung des Grundrechts auf Information sowie der Freiheit und dem Pluralismus der Medien, wie sie durch Art. 11 der Charta garantiert werden, zukommt, und andererseits des Schutzes der unternehmerischen Freiheit, wie ihn Art. 16 der Charta gewährt, stand es dem Unionsgesetzgeber frei, Bestimmungen wie die in Art. 15 der Richtlinie 2010/13 zu erlassen, die Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit vorsehen und zugleich im Hinblick auf die erforderliche Gewichtung der betroffenen Rechte und Interessen den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen gegenüber der Vertragsfreiheit privilegieren. Der Unionsgesetzgeber konnte daher berechtigterweise den Inhabern exklusiver Fernsehübertragungsrechte die in Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie 2010/13 vorgesehenen Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit auferlegen und annehmen, dass die Nachteile, die sich aus dieser Bestimmung ergeben, im Hinblick auf die mit ihr verfolgten Ziele nicht unverhältnismäßig sind und geeignet sind, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen grundrechtlich geschützten Rechten und Freiheiten herzustellen, die im vorliegenden Fall betroffen sind.

Infolgedessen ist der Eingriff verhältnismäßig, insgesamt gerechtfertigt und verletzt das Grundrecht aus Art. 16 GRCh nicht.


C. Es könnten Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt sein.

I. Die EMRK ist durch Art. 6 II, III EUV Bestandteil des Unionsrecht geworden, so dass deren Vorschriften für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU bindend sind.

II. Das Eigentum wird durch Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK geschützt. Das Übertragungsrecht von Sky fiel aber, soweit es durch die Pflicht zur Duldung der Kurzberichterstattung eingeschränkt wurde, nicht unter Art. 17 GRCh. Bei Art. 1 des Zusatzprotokolls ist gleich zu entscheiden. Das Eigentumsgrundrecht aus der EMRK ist somit nicht verletzt.

III. Die Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit sind in der EMRK nicht als Grundrechte aufgeführt, können deshalb nicht verletzt sein.

IV. Im Übrigen bestimmt Art. 52 III GRCh: Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird. Folglich kann die EMRK keinen weiter gehenden Schutz gewähren als die GRCh und ist deshalb zumindest praktisch subsidiär gegenüber der GRCh. Umgekehrt bleibt ein weitergehender Schutz durch die GRCh erhalten (Art. 52 III 2 GRCh).

Ergebnis: Auch Grundrechte der EMRK sind nicht verletzt. Dementsprechend hat der EuGH entschieden: „D ie Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie 2010/13/EU…beeinträchtigen könnte.“


Zusammenfassung