Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Urteilsverfassungsbeschwerde, Beschränkung der Prüfung auf spezifische Verfassungsverletzungen. Grundrecht auf Freiheit der Kunst, Art. 5 III GG. Rechtfertigung von Eingriffen in vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte durch verfassungsimmanente Schranken. Verfassungstreuepflicht als kollidierendes Verfassungsgut


BVerfG
Urteil vom 6. 5. 2008 (2 BvR 337/08) NJW 2008, 2568

Fall
(Rechtsextremer Rockmusiker als Arbeitsrichter)

B wurde auf Vorschlag des Christlichen Gewerkschaftsbundes zum ehrenamtlichen Richter beim Arbeitsgericht in S berufen. Später wurde bekannt, dass B schon seit vielen Jahren in der Rockband „Noie Werte“ mitwirkt, zunächst als Bassist, später als Gitarrist. Eine Reihe der von der Band gespielten Stücke ist rechtsextrem, insbesondere ausländerfeindlich. Zusammen mit anderen rechtsextremen Skinhead-Bands ist die Band „Noie Werte“ in über 200 Konzerten aufgetreten. Bei bestimmten Textstellen hat das Publikum den Hitler-Gruß gezeigt. In letzter Zeit hat sich die Band an der Propaganda-Offensive von Rechtsextremisten, dem „Projekt Schulhof“, beteiligt und in diesem Zusammenhang eine CD aufgenommen, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wegen ausländerfeindlichen Gedankengutes als jugendgefährdend indiziert worden ist.

Nach Anhörung des B wurde dieser vom hierfür zuständigen Landesarbeitsgericht unter Berufung auf § 27 ArbGG seines Amtes enthoben. Satz 1 dieser Vorschrift lautet: Ein ehrenamtlicher Richter ist…seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflicht grob verletzt. Zur Begründung hat das LAG ausgeführt: Auch außeramtliches Verhalten eines ehrenamtlichen Richters könne eine grobe Amtspflichtverletzung darstellen. B habe sich seit vielen Jahren gegen die Verfassung gestellt. Bereits das äußere Erscheinungsbild der Rockband lasse eine Zuordnung zur rechtsextremistischen Skinhead-Szene erkennen. In den Liedtexten spiegele sich die verfassungsfeindliche Ideologie der Rockband wider. Der Beschwerdeführer sei Mitglied der Band und an Live-Auftritten beteiligt gewesen. Durch die Veröffentlichungen von Liedern auf der genannten CD gebe B deutlich zu erkennen, dass er sich mit denjenigen solidarisiere, welche die bestehende demokratische Grundordnung beseitigen wollten. Wer Liedtexte wie die der Band „Noie Werte“ singe oder mit der Gitarre begleite, könne bei der Amtsausübung als ehrenamtlicher Richter in einem Verfahren, an dem ausländische Arbeitnehmer oder Arbeitgeber beteiligt seien, nicht mehr nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person urteilen.

B hat gegen den Beschluss, gegenüber dem ein Rechtsmittel nicht vorgesehen ist, in zulässiger Weise Verfassungsbeschwerde beim BVerfG erhoben. Er wendet sich in erster Linie gegen die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts durch das LAG. Ein Fehlverhalten seinerseits sei nicht nachgewiesen. Auch werde seine Amtsführung als Arbeitsrichter durch das ihm vorgeworfene Verhalten nicht in Mitleidenschaft gezogen. Es seien Unterstellungen, wenn das LAG die „Noien Werte“ als Neonazi-Rockband darstelle und ihm vorwerfe, er habe sich an Diffamierungskampagnen beteiligt. Er sei auch kein Mitglied der - überdies nicht verbotenen - NPD. Wie wird das BVerfG entscheiden ?

Die - laut Sachverhalt zulässige - VfB ist begründet, wenn B durch den Beschluss des LAG in einem Grundrecht verletzt ist.

A. B könnte in seinem Grundrecht auf Freiheit der Kunst (Art. 5 III GG) verletzt sein.

I. Dann müsste ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts vorliegen.

1. Die Betätigung des B als Gitarist in einer Band ist eine künstlerische Tätigkeit, sowohl was sein eigenes Spielen betrifft, als auch die Darbietung der von den Textern und Komponisten geschaffenen Musikstücke. Insoweit lässt sich der sog. formale Kunstbegriff heranziehen, nach dem sich aus einem bestimmten Werktyp (hier: musikalische Darbietungen) das Vorliegen von Kunst ergibt. BVerfG Rdnr. 14: Als Mitglied einer Rockband kann der Bf. für alle mit dieser Mitgliedschaft zusammenhängenden, hier in Rede stehenden Aktivitäten - die Mitwirkung als Gitarrist bei Auftritten der Gruppe wie auch die Herstellung und Verbreitung von deren Tonträgern - den Schutz der Kunstfreiheit in Anspruch nehmen. Die Kunstfreiheitsgarantie, die nicht durch wertende Einengung des Kunstbegriffs eingeschränkt werden darf (BVerfGE 67, 213 [224]), betrifft in gleicher Weise den „Werkbereich“ und den „Wirkbereich“ des künstlerischen Schaffens. Beide Bereiche bilden eine unlösbare Einheit. Nicht nur die künstlerische Betätigung (Werkbereich), sondern darüber hinaus auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks sind sachnotwendig für die Begegnung mit dem Werk als eines ebenfalls kunstspezifischen Vorganges; dieser „Wirkbereich“, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird, ist der Boden, auf dem die Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG vor allem erwachsen ist (BVerfGE 30, 173 [189]). Danach fällt das Musizieren des B wesentlich in den Wirkbereich.

2. Wenn B als Folge dieser Tätigkeit die Amtsenthebung als ehrenamtlicher Arbeitsrichter hinnehmen muss, ist das ein erheblicher Nachteil als Folge eines Grundrechtsgebrauchs, der als Eingriff zu werten ist. Somit liegt ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 III vor.

II. Der Eingriff könnte gerechtfertigt sein.

1. Hierfür bedarf es einer Schranke im GG. Denn nur eine vom GG eingeräumte Eingriffsbefugnis kann Grundlage einer Rechtfertigung sein. Art. 5 III unterliegt keiner geschriebenen Schranke, insbesondere keinem Gesetzesvorbehalt. Die Kunstfreiheit gehört zu den vom GG vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten (wie die Grundrechte des Art. 4 I, II; Art. 8 I im Hinblick auf Versammlungen in geschlossenen Räumen). Solche Grundrechte sind zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Sie unterliegen Schranken, die aus anderen Bestimmungen des GG hergeleitet und als verfassungsimmanente Schranken bezeichnet werden.

a)
BVerfG Rdnr. 15: Die Garantie des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG findet ihre Grenzen nicht nur in den Grundrechten Dritter. Vielmehr kann sie mit Verfassungsbestimmungen aller Art kollidieren (vgl. BVerfGE 30, 173 [193]; 67, 213 [228] ). In allen Fällen, in denen andere Verfassungsgüter mit der Ausübung der Kunstfreiheit in Widerstreit geraten, muss ein verhältnismäßiger Ausgleich der gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen…gefunden werden (vgl. BVerfGE 77, 240 [253] ); der Konflikt zwischen der Kunstfreiheit und anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern ist also im Wege fallbezogener Abwägung zu lösen. Dabei müssen zunächst anhand einzelner Grundgesetzbestimmungen diejenigen verfassungsrechtlich geschützten Güter konkret herausgearbeitet werden, die bei realistischer Einschätzung der Tatumstände mit der Wahrnehmung des Rechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG kollidieren (vgl. BVerfGE 81, 278 [292 f.] m. w. N.).

b) BVerfG Rdnr. 16: Zu diesen Rechtsgütern gehört der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass von Beamten und Richtern - einschließlich der ehrenamtlichen Richter - zu fordern ist, für die Verfassungsordnung, auf die sie vereidigt sind, einzutreten (vgl. BVerfGE 39, 334 [346]).

aa) BVerfG Rdnr. 17 -19: Berufsbeamte und Berufsrichter unterliegen einer politischen Treuepflicht, die zu den von Art. 33 Abs. 5 GG garantierten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt. Gemeint ist damit nicht eine Verpflichtung, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Gemeint ist vielmehr die Pflicht zur Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik üben zu dürfen, für Änderungen der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. Unverzichtbar ist, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt.… Diese politische Treuepflicht fordert vom Beamten, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerfGE 39, 334 [347 f.]).

bb) Zum öffentlichen Dienst im Sinne des Art. 33 Abs. 5 zählen auch die hauptamtlichen Richter… Nicht nur hauptamtliche, sondern auch ehrenamtliche Richter unterliegen einer Pflicht zur besonderen Verfassungstreue. Dies folgt - unbeschadet der Tatsache, dass Art. 33 Abs. 5 nur die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums anerkennt und somit auf Ehrenbeamte und ehrenamtliche Richter nicht unmittelbar anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 6, 376 [385] ; Battis, in: Sachs, GG, 4. Aufl., 2007, Art. 33 Rn. 69; Jachmann, in: von Mangold/Klein/Starck, GG Band 2, 5. Aufl., Art. 33 Abs. 5 Rn. 42; Masing, in: Dreier, GG Band II, 2. Aufl., 2006, Art. 33 Rn. 78) - aus der Funktion ehrenamtlicher Richter als den hauptamtlichen Richtern gleichberechtigte Organe genuin staatlicher Aufgabenerfüllung.

In einer Besprechung dieses Falles in NJW 2008, 3041, 3043 sieht Anger darin eine Argumentation „aus der Einheit der Verfassung“. Auf S. 3043 unter V. weist Anger auch darauf hin, dass diese Anforderung für alle ehrenamtlichen Richter gilt, also auch für Schöffinnen und Schöffen bei den Strafgerichten. Allerdings fehlt bei diesen eine - dem § 27 ArbGG entsprechende - Rechtsgrundlage für Sanktionen bei Verletzung, insbesondere können diese mangels einer solchen nicht aus dem Amt entfernt werden.

2. Auch Eingriffe in vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht auf Grund einer verfassungsimmanenten Schranke bedürfen - ebenso wie beim Gesetzesvorbehalt - einer gesetzlichen, verfassungsmäßigen Grundlage.

a) BVerfG Rdnr. 23: Eingriffe in das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bedürfen einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage (vgl. für den Fall des Eingriffs in das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG BVerfGE 108, 282 [299] ). Zudem bestimmt § 44 Abs. 2 DRiG, dass ein ehrenamtlicher Richter vor Ablauf seiner Amtszeit nur unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen (und gegen seinen Willen nur durch Entscheidung eines Gerichts) abberufen werden kann. Damit ist jedenfalls auch der Vorschrift des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Genüge getan, nach der niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf; denn nur wenn und soweit die Amtsenthebung selbst gesetzlich vorgesehen ist, kann sie dazu führen, dass der Betreffende nicht mehr gesetzlicher Richter nach der zunächst geltenden Geschäftsverteilung ist. Gesetzliche Vorschrift in diesem Sinn ist im vorliegenden Fall § 27 ArbGG.

b) Diese Vorschrift müsste auch verfassungsmäßig sein. BVerfG Rdnr. 24, 25: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Norm bestehen nicht. Insbesondere ist die Vorschrift hinreichend bestimmt. Wenn sie die Amtspflichten der ehrenamtlichen Richter nicht im Einzelnen normiert, ist dies mit der Situation im Disziplinarrecht der hauptamtlichen Richter und Beamten vergleichbar, wo sich seit jeher Generalklauseln finden, nach denen die schuldhafte Verletzung von Berufspflichten mit einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarstrafen geahndet wird (vgl. etwa § 46 DRiG i. V. m. § 77 Abs. 1 BBG für Richter des Bundes; vgl. ferner § 30 Abs. 1 Nr. 2 DRiG). Diese Generalklauseln sind nach der Rechtsprechung des BVerfG selbst unter dem strengen Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden, weil eine vollständige Aufzählung der mit einem Beruf verbundenen Pflichten nicht möglich und in der Regel auch nicht nötig ist; denn es handelt sich um Normen, die nur den Kreis der Berufsangehörigen betreffen, sich aus der ihnen gestellten Aufgabe ergeben und daher für sie im allgemeinen leicht erkennbar sind (BVerfGE 26, 186 [203 f.]; vgl. auch BVerwGE 93, 269 [274]).

Die Vorschrift verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. § 27 Satz 1 ArbGG trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung, dass er dessen Berücksichtigung bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „groben Amtspflichtverletzung" erlaubt. Es ist auch nicht von Verfassungs wegen geboten, im Falle von Amtspflichtverletzungen ehrenamtlicher Richter eine dem Disziplinarrecht der hauptamtlichen Richter (vgl. etwa §§ 63 Abs.1, 64 DRiG i. V. m. §§ 5 Abs. 1 BDG) vergleichbare Abstufung von Sanktionsmöglichkeiten vorzusehen.…Die gesetzliche Ausgestaltung ist den sachlichen Unterschieden zwischen hauptamtlicher und ehrenamtlicher Tätigkeit geschuldet. Die Amtsenthebung des ehrenamtlichen Richters trifft diesen schon deshalb ungleich weniger scharf als die Entlassung des hauptamtlichen Richters jenen, weil sie dem ehrenamtlichen Richter nicht gleichzeitig die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzieht, die im Falle des hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richters unter dem Gesichtspunkt der Garantie der persönlichen Unabhängigkeit Art. 97 Abs. 2 GG auch verfassungsrechtliches Gewicht hat.

3. § 27 ArbGG müsste im vorliegenden Fall auch verfassungsmäßig angewendet worden sein.

a) Der Anwendung einer Vorschrift vorgelagert ist deren Auslegung.

aa) Das LAG hat § 27 ArbGG dahin ausgelegt, dass auch das außeramtliche Verhalten eines ehrenamtlichen Arbeitsrichters unter dem Gebot der Verfassungstreue steht. Dazu BVerfG Rdnr. 27 - 29: Es begegnet unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes keinen Bedenken, dass das LAG eine Amtspflicht des ehrenamtlichen Richters zu verfassungstreuem Verhalten angenommen hat, die auch das außerdienstliche Verhalten erfasst…

Zwar enthalten weder das Arbeitsgerichtsgesetz noch das Deutsche Richtergesetz oder das Landesrichtergesetz Bad.-Württ. Normen, die ausdrücklich eine Amtspflicht ehrenamtlicher Richter zur Verfassungstreue statuieren, wie dies etwa im nordrhein-westfälischen Landesrecht durch Verweis auf das allgemeine Beamtenrecht (§ 6 des Richtergesetzes NRW i. V. m. §§ 183, 55 Abs. 2 Landesbeamtengesetz NRW) der Fall ist (vgl. dazu LAG Hamm NZA 1994, 45). Die Annahme einer solchen Amtspflicht ist jedoch bereits vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Grundsätze über die Verfassungstreue der ehrenamtlichen Richter nahe liegend. Dass auch das Bundes- wie das bad. - württ. Landesrecht die Pflicht zur Verfassungstreue voraussetzen, hat sich in den Vorschriften über die Vereidigung niedergeschlagen…. Denn nach § 45 Abs. 3, 4 DRiG und entsprechend nach § 13 Abs. 1, 2 LRiG Bad. - Württ. schwört oder gelobt der ehrenamtliche Richter bei seiner Vereidigung, die Pflichten eines ehrenamtlichen Richters getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. Der Eid oder das Gelöbnis machen diese Pflicht für den einzelnen ehrenamtlichen Richter leicht erkennbar.

Die gerade auch nach den Vorschriften über die Eidesleistung vorausgesetzte Treue zur Verfassung ist eine persönliche Eigenschaft, die aus verfassungsrechtlicher Sicht Voraussetzung der Eignung für das Amt des ehrenamtlichen Richters ist (vgl.…BVerfGE 48, 300 [321] ). Damit liegt es nahe, die Treuepflicht - wie es das LAG getan hat - über die eigentliche Richtertätigkeit hinaus auf das Verhalten außerhalb der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen zu erstrecken; auch im Schrifttum wird dies befürwortet (vgl. …Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., 2008, § 27 Rn. 7; Schwab/Weth, ArbGG, 2. Aufl., 2008, § 27 Rn. 7 f.).

bb) BVerfG Rdnr. 30, 31: Auch im Übrigen hat das LAG den Inhalt der Pflicht zu verfassungstreuem Verhalten in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bestimmt; insbesondere genügt die Auslegung den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Die Entfernung eines hauptberuflichen Beamten oder Richters aus dem Dienst wegen eines Verstoßes gegen die von Art. 33 Abs. 5 GG geforderte Treuepflicht ist nur aufgrund eines begangenen konkreten Dienstvergehens möglich. Das Dienstvergehen besteht nicht einfach in der „mangelnden Gewähr“ des Beamten dafür, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde, sondern in der nachgewiesenen Verletzung der Amtspflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten…

Das LAG hat diese Grundsätze im Rahmen des § 27 Satz 1 ArbGG sinngemäß auf den Bereich der ehrenamtlichen Richter übertragen und sich durch das Erfordernis eines gewichtigen Fehlverhaltens auch für den Einzelfall die Möglichkeit offengehalten, die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Einzelfall zu berücksichtigen.

b) Auch die Subsumtion des Falles unter das Gesetz, d. h. hier unter das Tatbestandsmerkmal des § 27 ArbGG „grobe Verletzung der Amtspflicht“, muss verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen. In diesem Zusammenhang ist auch die Abwägung der beiden kollidierenden Verfassungsgüter Kunstfreiheit und Verfassungstreuepflicht vorzunehmen.

aa) Allerdings prüft das BVerfG die Rechtsanwendung des Fachgerichts nicht in vollem Umfang nach. Andernfalls würde es zu einer „Superberufungs- bzw. Superrevisionsinstanz“, was aber nicht Aufgabe eines Verfassungsgerichts sein kann. Vielmehr gelten bei der Nachprüfung des Beschlusses des LAG die Grundsätze über Urteilsverfassungsbeschwerden, bei denen die Prüfung des BVerfG auf spezifische Verfassungsverletzungen beschränkt ist.

BVerfG Rdnr. 10, 11: Die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde auf die Frage, ob eine gerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruht, deren Verletzung geltend gemacht wird, oder ob das Auslegungsergebnis selbst die geltend gemachten Grundrechte verletzt (BVerfGE 30, 173 [188]). Hat das Gericht, dessen Entscheidung mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wird, Grundrechtsbestimmungen unmittelbar selbst ausgelegt und angewendet, so obliegt es dem BVerfG, Reichweite und Grenzen der Grundrechte zu bestimmen und festzustellen, ob Grundrechte nach ihrem Umfang und Gewicht in verfassungsrechtlich zutreffender Weise berücksichtigt worden sind (BVerfGE 108, 282 [294]).

Dagegen sind die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall grundsätzlich allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das BVerfG entzogen; nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das BVerfG auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (st. Rspr. seit BVerfGE 18, 85 [92 f.]).

bb) Im vorliegenden Fall hat das BVerfG unter Rdnrn. 34 - 38 folgende Nachprüfung des LAG-Beschlusses vorgenommen:

(1) Verfassungsrechtlich relevante Fehler des LAG bei der Feststellung des Sachverhalts sind nicht zu erkennen. Die vom Beschwerdeführer monierten Fehler bei der Wiedergabe von Liedtexten beschränken sich auf unwesentliche Details…

(2) Die Würdigung des Auftretens und der Liedtexte der Band „Noie Werte" durch das LAG verkennt auch nicht die aus der Kunstfreiheit des Bf. folgenden besonderen Anforderungen. Künstlerische Darstellungen müssen von den Gerichten anhand der der Kunst eigenen Strukturmaßstäbe unter Anlegung werkgerechter Maßstäbe interpretiert werden (BVerfGE 30, 173 [188]; 75, 369 [376]). Sind verschiedene Interpretationsmöglichkeiten denkbar, so darf das Gericht nicht ohne nähere Auseinandersetzung mit den Alternativen von einer Deutung ausgehen, die sich als rechtswidrig darstellt (vgl. BVerfGE 67, 213 [229 f.] ). Vorliegend ist das LAG in eingehender Auseinandersetzung mit den Liedtexten und dem Auftreten der Band „Noie Werte" zu dem Schluss gekommen, dass diese bei einer Gesamtwürdigung der Umstände Assoziationen zum nationalsozialistischen Regime weckten, gewaltverherrlichend seien und von einer verfassungsfeindlichen Ideologie zeugten. Eine plausible anderweitige Deutung lässt sich insbesondere auch dem Vorbringen des Bf. nicht entnehmen; er beschränkt sich vielmehr darauf, die Feststellungen des LAG anzuzweifeln.

 

(3) Dass das LAG in der über den Zeitpunkt seines Amtsantritts am 1. Januar 2004 herausreichenden Mitwirkung des Bf. bei den Aktivitäten der Band „Noie Werte" ein die Amtsenthebung rechtfertigendes gewichtiges Fehlverhalten gesehen hat, begründet keinen im Ergebnis unverhältnismäßigen Eingriff in die Kunstfreiheit.

Es oblag insofern in erster Linie dem LAG, die kollidierenden Güter von Verfassungsrang, also die Kunstfreiheit und den Grundsatz der Verfassungstreue der ehrenamtlichen Richterschaft, gegeneinander abzuwägen und den Konflikt nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertsystems zu lösen, also einen verhältnismäßigen Ausgleich der gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen mit dem Ziele ihrer Optimierung zu finden (vgl. BVerfGE 30, 173 [193]; 77, 240 [253]; 81, 278 [292] ). Auf der Ebene des einfachen Rechts ist ein Spielraum für die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Anforderungen in erster Linie durch das Tatbestandsmerkmal der „groben Amtspflichtverletzung" eröffnet. Das LAG hat sich dementsprechend explizit mit der Frage eines Eingriffs in die Kunstfreiheit des Beschwerdeführers durch die Amtsenthebung befasst; es ist zu dem Schluss gekommen, dass ein solcher Eingriff gerechtfertigt und der Verstoß des Beschwerdeführers gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue als grob im Sinne des § 27 Satz 1 ArbGG anzusehen sei.

Dass das Ergebnis dieser Abwägung zwingend anders als tatsächlich geschehen hätte ausfallen müssen, lässt sich nicht sagen. Das Verhalten des Bf. dürfte zwar nicht zur schwerwiegendsten Kategorie denkbarer Verletzungen der Verfassungstreuepflicht zählen, zumal nach den Feststellungen des LAG zu Gunsten des Beschwerdeführers davon auszugehen ist, dass sein pflichtwidriges Verhalten sich auf die eigentliche richterliche Tätigkeit nicht ausgewirkt hat; doch ist der Verstoß des Bf. auch nicht völlig unerheblich. Andererseits ist die Belastung des Bf. durch den in der Amtsenthebung liegenden Eingriff als zwar nicht nur geringfügig, aber immerhin deutlich weniger schwerwiegend als etwa im Fall der Entlassung eines hauptamtlichen Richters anzusehen.

c) Somit lassen sich bei der Anwendung des Gesetzes keine spezifischen Verfassungsverletzungen feststellen. Folglich war die Gesetzesanwendung verfassungsgemäß.

4. Der Eingriff in die Kunstfreiheit des B ist gerechtfertigt. Art. 5 III GG ist nicht verletzt.

B. In dem Bekenntnis des B zu rechtsextremen Positionen kann auch eine Meinungsäußerung i. S. des Art. 5 I GG gesehen werden.

Das BVerfG verneint aber auch eine Verletzung dieses Grundrechts, Rdnr. 40: Der angegriffene Beschluss des LAG bewegt sich innerhalb der durch die allgemeinen Gesetze, hier §§ 27, 21 Abs. 5 Satz 2 bis 5 ArbGG, gezogenen Schranken der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 2 GG) und greift nicht unverhältnismäßig in das Grundrecht des Bf. ein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Blickwinkel der Garantien von Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Inhalt und Entwicklungsstand bei der Auslegung des Grundgesetzes in Betracht zu ziehen sind, wenn auch die VfB auf eine behauptete Verletzung der EMRK als solcher nicht gestützt werden kann (vgl. im Einzelnen BVerfGE 74, 102 [128]; 74, 358 [370]; zur Berücksichtigung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte BVerfGE 111, 307 [315 ff.] ). Es ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geklärt, dass die Verpflichtung zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst der Verfolgung berechtigter Ziele im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EMRK dient und dass den innerstaatlichen Behörden und Gerichten ein gewisser Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage zusteht, ob eine Maßnahme verhältnismäßig und somit in einer demokratischen Gesellschaft, wie von Art. 10 Abs. 2 EMRK gefordert, notwendig ist (vgl. EGMR, Vogt/Deutschland, NJW 1996, 375 [376 f.]).

Ergebnis: Grundrechte des B werden durch den Beschluss des LAG nicht verletzt. Die VfB ist als unbegründet zurückzuweisen. (Im Originalfall hat das BVerfG die VfB bereits nicht zur Entscheidung angenommen und dies in dem Nichtannahmebeschluss, wie oben dargestellt, begründet.)


Zusammenfassung