Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Vorläufiger Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO). Regelungsanordnung; Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Herausgabeanspruch auf Pkw nach Abschleppen. Zurückbehaltungsrecht wegen der Kosten. Aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 I VwGO. Aufschiebende Wirkung als Verwirklichungshemmung

VGH Bad.-Wü. Beschluss vom 18.7.2019 (1 S 871/19) NJW 2020, 701

Fall (Abschleppen wegen Marathon)

A parkte seinen Pkw Ende März an einer Straße in der im Lande L gelegenen Stadt S. Am 3.4. ließ die Stadtverwaltung Verkehrsschilder mit einem absoluten Halteverbot aufstellen, weil am 8.4.ein Marathonlauf durch diese Straße führen sollte. Als der Pkw am Morgen des 8.4. die Laufstrecke versperrte, wurde die Polizei (P) herbeigerufen. Diese versuchte vergeblich, A zu erreichen, und ließ schließlich den Pkw von einem Unternehmen abschleppen und auf einen Verwahrplatz bringen. Das Unternehmen berechnete der P dafür Abschleppkosten und Standgebühren. Als A sich nicht meldete, teilte P dem A am 18.4. die entstandenen Kosten mit und forderte ihn auf, das Fahrzeug abzuholen. Zugleich erklärte sie, bis zur Bezahlung der Kosten werde sie ihr Zurückbehaltungsrecht ausüben. Nach einem Anhörungsschreiben, auf das A nicht reagierte, erließ P am 8.8. einen Kostenbescheid über 1.415 Euro. Der Betrag umfasste die Abschleppkosten, eine Verwaltungsgebühr und die bis dahin aufgelaufenen Kosten der Verwahrung. Am 28.8. schrieb A der P, der verlangte Betrag sei überhöht und übersteige den Wert des Autos. Er werde keine 1.415 Euro zahlen. P antwortete am 10.9., ohne Zahlung werde das Auto nicht herausgegeben. Die Höhe der Kosten habe A dadurch mitverschuldet, dass er das Auto monatelang nicht abgeholt habe. In einem weiteren Schriftwechsel beanstandete A, dass P auf sein Schreiben vom 28.8. nicht mit einem förmlichen Bescheid reagiert habe, sondern weiterhin zu Unrecht auf dem Zurückbehaltungsrecht beharre. Nachdem er keinen positiven Bescheid erhielt, hat A am 18.10. beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht beantragt, das Land L im Wege des Eilverfahren zu verpflichten, den Pkw herauszugeben. Wie wird das VG entscheiden?

Hinweise zum anwendbaren Recht:

1. Das Land L hat von der Ermächtigung des § 68 I 2 VwGO keinen Gebrauch gemacht. Im Land L ist also weiterhin ein Widerspruch zulässig.

2. § 10 Landes-Verwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG) bestimmt unter der Überschrift „Ersatzvornahme“: „Wird die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt, so kann die Behörde einen anderen mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen beauftragen.“

3. § 83 PolG des Landes L lautet: „Die Polizei kann die Herausgabe einer Sache, die sie aufgrund einer Ersatzvornahme erlangt hat, von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig machen.“

4. Das LVwVG enthält keine Vorschrift über die Vollziehbarkeit von Kostenbescheiden.

Lösung

A. Zulässigkeit des von A gestellten Antrags

I. Für den Antrag müsste der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO eröffnet sein.

1. Voraussetzung ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Sie liegt vor, wenn die streitentscheidende Norm zum öffentlichen Recht gehört.

Letztlich ist im vorliegenden Fall streitentscheidend, ob A einen Anspruch gegen das Land (die Polizei) auf Herausgabe des Pkw hat. Die Polizei hat den Pkw aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften des Polizeirechts und des § 10 LVwVG, also aufgrund hoheitlicher Befugnisse, abschleppen lassen. Deshalb beruht auch ihre fortdauernde Verfügungsgewalt über den Pkw auf öffentlichem Recht. Soll diese durch Herausgabe des Pkw beendet werden, kann das nur aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs erfolgen. Einer näheren Bezeichnung dieses Anspruchs an dieser Stelle bedarf es nicht. Das Herausverlangen einer hoheitlich in Besitz genommenen Sache begründet eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art und keinem anderen Gericht zugewiesen. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

II. Beim Eilverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gibt es zwei Verfahrensarten: das in §§ 80, 80 a VwGO eingebettete Vollzugsaussetzungsverfahren, das vorrangig ist, und die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO (oder beim Normenkontrollverfahren nach § 47 VI VwGO).

1. Der gerichtliche Antrag auf Aussetzung des Vollzugs eines VA durch Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs (§ 80 V VwGO) muss sich gegen einen VA richten. Das Hauptverfahren müsste eine Anfechtungsklage sein. Das ist beim Antrag auf Herausgabe eines Pkw nicht der Fall; dabei erfolgt keine Anfechtung eines VA. Dass der am 8.8. ergangene Kostenbescheid ein VA ist, hat an dieser Stelle keine Bedeutung. Er ist in dem Verfahren auf Herausgabe nicht Streitgegenstand, sondern wird nur dem Herausgabeanspruch als Einrede entgegengehalten.

2. Somit handelt es sich um einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO). Diese Verfahrensart bestimmt sich durch Abgrenzung zum Vollzugsaussetzungsverfahren. Nach § 123 V VwGO darf kein „Fall der §§ 80 V, 80 a“ vorliegen, d. h. der Antrag darf sich nicht gegen den Vollzug eines belastenden VA richten, was hier der Fall ist (vorstehend II 1). Im Hauptsacheverfahren würde es sich um eine Leistungsklage handeln. Bei dieser ist die einstweilige Anordnung die statthafte Antragsart für den Eilrechtsschutz

III. Da bei der Leistungsklage § 42 II VwGO analog anzuwenden ist, gilt dies auch für die einstweilige Anordnung. A kann geltend machen, er habe einen Herausgabeanspruch. Auch verletze die Verweigerung der Herausgabe des Pkw ihn in seinem Eigentumsrecht. Er beruft sich also auf eine Rechtsverletzung.

IV. Gegen das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen wie Beteiligtenfähigkeit, Prozessfähigkeit und Rechtsschutzbedürfnis bestehen keine Bedenken.

V. Der Antragsgegner entspricht dem Klagegegner in der Hauptsache. Bei der Leistungsklage ist Klagegegner der Verwaltungsträger, von dem die Leistung verlangt wird. Im vorliegenden Fall ist es das Land L als Träger der - für das Land handelnden - Polizei.

Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig.

B. Begründetheit des Antrags

Für den Einstieg in die Begründetheitsprüfung enthält § 123 I VwGO zwei Fälle: die Sicherungsanordnung (§ 123 I Satz 1) und die Regelungsanordnung (§ 123 I Satz 2). Beide Fälle werden im Wesentlichen gleich geprüft und führen in der Regel auch zu keinem unterschiedlichen Ergebnis (vgl. OVG Münster DVBl 2011, 303). Die übliche Prüfung orientiert sich in beiden Fällen an den Voraussetzungen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund (§ 123 III VwGO i. V. m. § 920 II ZPO). Nach § 123 I 1 VwGO ist eine Sicherungsanordnung begründet, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Bei der Sicherungsanordnung will der Antragsteller eine Verschlechterung seiner Rechtsstellung verhindern. Auf das Herausgabebegehren des A trifft das nicht zu. Vielmehr will A seine Rechtsstellung verbessern, indem er den Besitz an dem Pkw zurückerhält. In Betracht kommt deshalb eine Regelungsanordnung nach § 123 I 2 VwGO, deren Begründetheit voraussetzt, dass eine „Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint“.

I. Der Anordnungsanspruch bei der Regelungsanordnung ist ein streitiges Rechtsverhältnis, das zu Gunsten des Antragstellers besteht und ihm eine Rechtsstellung gewährt. In der Regel ist der Anordnungsanspruch ein Recht, das im Falle einer Hauptsacheklage zu deren Begründetheit führen würde. Allerdings brauchen bei der einstweiligen Anordnung - im Unterschied zur Hauptsacheklage - die für den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund benötigten Tatsachen vom Antragsteller nur glaubhaft gemacht zu werden. In der Praxis ist vielfach auch nur eine summarische Prüfung durch das VG möglich. Im vorliegenden Fall besteht ein Anordnungsanspruch, wenn A gegen die Polizei einen Anspruch auf Herausgabe des Pkw hat, der im Hauptsacheverfahren zum Erfolg einer Leistungsklage führen würde.

1. Grundlage für einen Herausgabeanspruch ist das Eigentum des A an dem Pkw. Allerdings enthält das Verwaltungsrecht keinen Anspruch, der - wie § 985 BGB - lediglich auf Eigentum und Besitz abstellt. Verwaltungsrechtliche Ansprüche beziehen sich in aller Regel auf ein Handeln der Verwaltung, so dass Eigentum und Besitz nicht ausreichen. Durch Art. 14 GG wird zwar das Eigentum verfassungsrechtlich geschützt. Dieses Grundrecht besagt aber nichts darüber, was mit einer Sache zu geschehen hat, die von der Polizei ursprünglich rechtmäßig in Besitz genommen wurde. Es sind deshalb die folgenden Anspruchsgrundlagen in Betracht zu ziehen.

a) Im Falle einer Sicherstellung bestimmen die Polizeigesetze, dass die sichergestellte Sache zurückzugeben ist, wenn die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind (z. B. § 50 BPolG; § 46 PolG NRW). Jedoch erfolgt beim Abschleppen eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs keine Sicherstellung. Diese setzt voraus, dass die Behörde die Sache in ihren Besitz bringen will, weil von der Beschaffenheit der Sache eine Gefahr ausgeht. Beim Abschleppen ist aber das betroffene Auto als solches nicht gefährlich, es stört nur durch seine Lage an einer bestimmten Stelle. Dieser Störung trägt ein Wegfahrgebot Rechnung, das durch Ersatzvornahme (§ 10 LVwVG) durchgesetzt wird (BVerwGE 102, 316, 318; BGH MDR 2014, 589 [6]; Waldhoff JuS 2010, 92; Hong JURA 2012, 474). Über eine Sicherstellung lässt sich somit kein Anspruch begründen.

b) Anspruchsgrundlage kann ein Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) sein. § 113 I 2 VwGO regelt einen FBA als Annexantrag zur Anfechtungsklage. Im Rahmen eines auf Herausgabe gerichteten Antrags auf eine einstweilige Anordnung ist diese Vorschrift nicht anwendbar. Der FBA ist aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 113 I 2 VwGO als materiellrechtlicher Anspruch anerkannt (BVerfG NJW 2011, 511 [26]; BVerwGE 94, 103: gewohnheitsrechtlich).

aa) Voraussetzungen sind zunächst, dass ein hoheitlicher Eingriff in ein subjektives Recht erfolgt ist. P hat hoheitlich das Abschleppen des Pkw des A angeordnet, dadurch dem A den Besitz daran entzogen und damit in sein Eigentum eingegriffen.

bb) Ursprünglich war der Eingriff allerdings nicht rechtswidrig. Seine andauernde Wirkung ist aber dadurch rechtswidrig geworden, dass der Zweck des Abschleppens entfallen ist und kein Grund mehr dafür besteht, dem A weiterhin den Besitz vorzuenthalten. Mittelbar hat P das auch dadurch anerkannt, dass sie A zum Anholen des Pkw aufgefordert hat.

A steht somit ein FBA auf Herausgabe des Pkw zu.

c) Außerdem könnte A den Pkw aufgrund eines Anspruchs aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung zurückverlangen.

aa) Die öffentlich-rechtliche Verwahrung ist als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis anerkannt (vgl. ihre Erwähnung in § 40 II 1 VwGO; ferner Ossenbühl/Cornils, StaatshaftungsR, 2013, S. 406). Sie ist zwischen A und P (dem Land L) dadurch entstanden, dass P nicht nur das Abschleppen veranlasst hat, sondern den Pkw - durch das Abschleppunternehmen als Verwaltungshelfer - auf einen Verwahrplatz hat bringen lassen. Auf die öffentlich-rechtliche Verwahrung sind §§ 688 ff. BGB (analog) anwendbar. Folglich hat A nach Beendigung des Verwahrzwecks einen Rückgabeanspruch analog § 695 BGB.

bb) Dass § 40 II 1 VwGO vermögensrechtliche Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung in den Zivilrechtsweg verweist, steht der Geltendmachung im Verwaltungsrechtsweg nicht entgegen. Der Verwaltungsrechtsweg wird durch § 40 I VwGO i. V. mit dem FBA eröffnet. Nach § 17 II 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) entscheidet das Gericht „den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten“, also auch in Anwendung einer rechtswegfremden Anspruchsgrundlage. Eine der Ausnahmen des § 40 II 2 VwGO liegt nicht vor.

Somit greift § 695 BGB (analog) als weitere Anspruchsgrundlage für den Herausgabeanspruch ein. Der Herausgabeanspruch des A stützt sich auf einen FBA und auf § 695 BGB (analog).

2. Der Polizei könnte ein Zurückhaltungsrecht nach § 83 PolG zustehen, so dass sie den Pkw nur gegen Zahlung der im Kostenbescheid vom 8.8. festgesetzten 1.415 Euro herauszugeben braucht und, da A diese Zahlung nicht leistet, derzeit nicht zur Herausgabe verpflichtet ist.

a) P hat den Pkw des A aufgrund einer Ersatzvornahme erlangt (oben B I 1 a). Nach Auffassung der P sind Kosten in Höhe von 1.415 Euro entstanden. Deren Berechtigung wird zwar von A bestritten. Jedoch steht fest, dass Abschleppkosten entstanden sind. Das reicht für den Tatbestand des § 83 PolG jedenfalls solange aus, als der Verpflichtete keine Zahlung leistet. In Anwendung des Wortlauts des § 83 PolG besteht also ein Zurückbehaltungsrecht. P hat sich auch darauf berufen. Dafür war ein VA nicht vorgeschrieben, es genügte eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung.

b) Das Zurückbehaltungsrecht könnte dadurch entfallen sein, dass A gegen den Kostenbescheid Widerspruch eingelegt und dieser aufschiebende Wirkung hat. Nach § 68 I 1 VwGO ist ein Widerspruch gegen einen VA zulässig. Das Landesrecht des Landes L macht keine Ausnahme. Der Kostenbescheid vom 8.8. ist als Zahlungsgebot im Einzelfall ein VA.

aa) A müsste einen Widerspruch erhoben haben. VGH [10, 11] Die VwGO enthält keine ausdrücklichen Anforderungen an den Inhalt eines Widerspruchs. Er muss insbesondere nicht als solcher bezeichnet werden. Es genügt, wenn der Betroffene deutlich macht, dass er sich von der angegriffenen Maßnahme beschwert fühlt, sich deshalb dagegen wehrt und die Überprüfung sowie Aufhebung der Maßnahme begehrt… Danach hat A mit seinem Schreiben vom 28.8. gegen den Kostenbescheid vom 8.8. Widerspruch eingelegt. Er hat hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich durch die darin erfolgte Festsetzung von Kosten und Gebühren in Höhe von 1.415,10 EUR beschwert fühlt und die Aufhebung der Maßnahme begehrt. Das ergibt sich vor allem aus dem Satz, er werde keine 1.415 Euro zahlen.

bb) Nach § 80 I 1 VwGO hat der Widerspruch - neben der Anfechtungsklage - aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Widerspruch zulässig und begründet ist. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber in den Fällen des § 80 II VwGO (und kraft einer Spezialregelung so wie in § 212 a BauGB bei Widerspruch und Klage gegen eine Baugenehmigung).

Nach § 80 II Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Abschleppkosten sind keine öffentlichen Abgaben oder Kosten im Sinne dieser Vorschrift. VGH [15, 16] Von den öffentlichen Abgaben werden Kosten für das Abschleppen von Fahrzeugen nicht erfasst, da die für den Wegfall des Suspensiveffekts tragende Erwägung, im Interesse der Sicherung einer geordneten Haushaltsführung der öffentlichen Hand die Stetigkeit des Mittelflusses zu gewährleisten, hier nicht einschlägig ist… Unter öffentlichen Kosten sind die in einem Verwaltungsverfahren nach tariflichen Vorgaben oder doch leicht erkennbaren Merkmalen erhobenen (Verwaltungs-)Gebühren nebst den mit ihnen verbundenen Auslagen zu verstehen. Demgegenüber zählen hierzu nicht die durch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles geprägten Kostenerstattungsansprüche, mit denen die Behörde den Ersatz von finanziellen Aufwendungen fordert, mit denen sie der Sache nach für den Schuldner in Vorlage getreten ist. Das trifft insbesondere auf die Kosten zu, die der Behörde durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstanden sind… Gleiches gilt für die Kosten einer - wie hier - Ersatzvornahme.

cc) Meist bestimmt das Landesrecht, gestützt auf § 80 II Nr. 3 VwGO, dass Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung keine aufschiebende Wirkung haben (z. B. § 112 JustizG NRW). Falls es auch im Land L eine solche Vorschrift gibt, steht sie gleichwohl der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 28.8. nicht entgegen, weil ein Kostenbescheid keine Maßnahme „in“ der Verwaltungsvollstreckung ist, sondern ein Bescheid nach durchgeführter Vollstreckung.

dd) Da auch eine sofortige Vollziehung nach § 80 II Nr. 4 VwGO nicht angeordnet wurde, hatte der Widerspruch des A aufschiebende Wirkung.

c) Primäre Rechtsfolge der aufschiebenden Wirkung ist eine Vollzugshemmung und verhindert eine Vollstreckung. Allerdings beabsichtigt P keine Vollstreckung im Sinne einer Beitreibung des Kostenbetrages aus dem Bescheid vom 8.8. Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts ist keine Vollstreckung und auch kein sonstiger Vollzug des Bescheids. Ob sie gleichwohl von der aufschiebenden Wirkung erfasst wird, hängt vom grundsätzlichen Verständnis der aufgrund der aufschiebenden Wirkung eintretenden Rechtsfolge ab. Dass die aufschiebende Wirkung eine über die Vollzugshemmung hinausgehende Rechtswirkung haben muss, folgt aus der Einbeziehung des nicht vollzugsfähigen rechtsgestaltenden und feststellenden VA durch § 80 I 2 VwGO, die andernfalls keinen Sinn hätte. Wie diese weitergehende Wirkung zu verstehen ist, ist umstritten. (Soweit Bundesländer den Widerspruch weitgehend abgeschafft haben, wie z. B. NRW, hat die Streitfrage beim Widerspruch nur noch eine geringe Bedeutung; sie behält ihre Bedeutung aber bei der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage.)

aa) Nach der Lehre von der Wirksamkeitshemmung führt die aufschiebende Wirkung zur vorläufigen Unwirksamkeit des VA. Danach hätte P derzeit überhaupt keinen Anspruch und damit auch kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 83 PolG. Jedoch lässt die aufschiebende Wirkung die Wirksamkeit des VA unberührt (BVerwGE 132, 250 [12]). VGH [19] Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO beseitigt nicht die Wirksamkeit des mit dem Widerspruch angefochtenen VA. Dafür spricht auch, dass in § 80 II Nr. 4 VwGO keine Anordnung der „vorläufigen Wirksamkeit“, sondern nur der „sofortigen Vollziehung“ vorgesehen ist.

bb) Nach der herrschenden Vollziehbarkeitstheorie hat die aufschiebende Wirkung die Bedeutung, dass der Behörde verboten wird, aus dem angefochtenen VA für den Adressaten nachteilige Folgen zu ziehen, insbesondere diesen zu verwirklichen; die aufschiebende Wirkung bewirkt also eine Verwirklichungshemmung. VGH [19] Die aufschiebende Wirkung hemmt im umfassenden Sinn eines Verwirklichungsverbots dessen Vollziehbarkeit (BVerwGE 13, 1; 99, 109; näher zur sog. Vollziehbarkeitstheorie Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. Erg.-Lfg., § 80 Rn. 136 m. w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 80 Rn. 22). Verbotene Vollziehung ist jede selbständige und hoheitliche Maßnahme der Behörde zur Durchsetzung der getroffenen Anordnung im Wege des Zugriffs auf Rechtsgüter des Adressaten des VA (vgl. auch BVerwGE 132, 250: einseitige Durchsetzung der im Bescheid getroffenen Regelung mit hoheitlichen Mitteln).

[20] Danach ist die Ausübung der Zurückbehaltungsbefugnis eine „Vollziehung“ des Kostenbescheids. Denn P greift mit dieser Maßnahme durch eine selbständige und hoheitliche Maßnahme unmittelbar auf das Fahrzeug des A als Adressat des Kostenbescheids zu, um die in dem Bescheid festgesetzte Forderung durchzusetzen… (HambOVG NJW 2007, 3513: „Druckfunktion“ zur effizienten Forderungsdurchsetzung). Bei einer solchen „als Druckmittel konzipierten Folgebeziehung“ erfordert es auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), dem Widerspruch gegen den Kostenbescheid aufschiebende Wirkung mit der Folge eines Wegfalls des Druckmittels beizulegen.

d) Somit durfte P den Bescheid vom 8.8. nicht durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts verwirklichen. Die öffentlich-rechtliche Willenserklärung, durch die das Zurückbehaltungsrecht gleichwohl geltend gemacht wurde, war unwirksam. Ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Herausgabeanspruch des A nicht entgegen.

3. Da die Ausübung des Rechts nach § 83 PolG im Ermessen steht („kann“) und das Ermessen durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt wird, könnte der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts - zusätzlich zum Verstoß gegen die aufschiebende Wirkung - ein Ermessensfehler oder eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzip entgegenstehen. Jedoch lässt sich das nicht sinnvoll prüfen. Ohne die noch ausstehende Entscheidung über den Widerspruch ist der Kostenbescheid nicht bestandskräftig, und es steht nicht endgültig fest, ob er rechtmäßig ist und durchgesetzt werden darf. Nach den Überlegungen B I 2 c darf das Zurückbehaltungsrecht überhaupt nicht ausgeübt werden. Ist aber über die Rechtmäßigkeit eines durchzusetzenden Bescheids noch nicht endgültig entschieden und besteht kein Zurückbehaltungsrecht, ist es nicht sinnvoll zu prüfen, ob das Zurückbehaltungsrecht in verhältnismäßiger Weise und ermessensfehlerfrei ausgeübt wurde; rechtmäßig kann nur sein, es überhaupt nicht auszuüben. (Der VGH [22-30] hat geprüft, ob die Zurückbehaltung wegen ihrer Dauer unverhältnismäßig ist, und ist zum Ergebnis gekommen, dass [22] die Ausübung einer Zurückbehaltungsbefugnis nach § 83 PolG nicht allein wegen der Dauer der Zurückbehaltung über einen Zeitraum von - wie hier - mehr als sechs Monaten unverhältnismäßig wird.)

4. Ergebnis zu I. ist, dass A mit dem Herausgabeanspruch ein Anordnungsanspruch zusteht.

II. Ein Anordnungsgrund besteht bei der Regelungsanordnung, wenn sie erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden, und die Sache eilbedürftig ist. Dazu hat VG Freiburg als Vorinstanz (AZ. 4 K 7058/18) ausgeführt, [23] A hat den erforderlichen Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 VwGO) glaubhaft gemacht. Es ist ihm nicht zuzumuten, dass die Antragsgegnerin ihm…den Besitz an seinem Fahrzeug weiter vorenthält. Deshalb steht auch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen.

Ergebnis: Der Antrag des A ist zulässig und begründet. Der P (dem Land) wird aufgegeben, das - näher zu bezeichnende - Fahrzeug an A herauszugeben.


Zusammenfassung