Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Schutz des Urheberrechts durch das Verbot der Umgehung des Kopierschutzes. § 95a UrhG. Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch analog §§ 1004 I 2, 823 II BGB; § 95a UrhG als Schutzgesetz. Grundrechte als Rechtfertigungsgrund im Zivilrecht. Schutz eines Internet-Newsletters durch Meinungs- und Pressefreiheit, Art. 5 I 1, 2 GG, einschließlich elektronischer Verweise (Links). Anwendung der EU-Grundrechtecharta (Art. 11, 51) auf nationales, deutsches Recht. Abwägung kollidierender Grundrechte


BGHZ 187, 240
(Urteil vom 14. 10. 2010, AZ I ZR 191/08) und BVerfG NJW 2012, 1205 (Beschluss vom 15. 12. 2011, AZ 1 BvR 1248/11)

Fall (AnyDVD)

Die K-AG verfügt über Bild- und Tonträgerrechte an Musik-DVDs und -CDs und ist berechtigt, die nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) an den Bild- und Tonträgern bestehenden Rechte geltend zu machen. Die DVDs und CDs werden teilweise mit einem Kopierschutz versehen.

Der H-Verlag betreibt unter der Internetadresse www.heise.de den Nachrichtendienst „heise online". Dort veröffentlichte H mehrere Beiträge, die sich mit dem Unternehmen SlySoft und dessen „Kopierschutzknacker“ AnyDVD befassten. Darin hieß es unter der Überschrift „A nyDVD überwindet Kopierschutz“ unter anderem: „So rühmt sich SlySoft, mit AnyDVD Sonys DVD-Kopiersperre ARccOS aushebeln zu können. ‘Wir knacken den Kopierschutz schneller, als die Filmindustrie ihn unter die Leute bringen kann’, freut sich SlySoft-Chef B über die wenig effektiven Schutzverfahren. ‘Vielleicht sieht die Filmindustrie ja ein, wie sinnlos so ein Kopierschutz eigentlich ist. Er ist kostspielig und führt oft zu Kompatibilitätsproblemen beim Kunden.’ Eines erwähnt B jedoch nicht: AnyDVD hebelt reihenweise die Verfahren aus, die die Industrie zusätzlich zu dem eigentlich als Abspielkontrolle gedachten CSS einsetzt; und es ist in vielen Ländern - so auch in Deutschland - verboten und strafbar.“ Es wird weiter mitgeteilt, dass SlySoft das Verfahren AnyDVD für nicht illegal halte, während die Musik- und Filmindustrie das natürlich anders sehe.

In den Beiträgen war die Bezeichnung AnyDVD jeweils als elektronischer Verweis (Link) ausgestaltet. Der Link führte zum Internetauftritt des Unternehmens SlySoft unter der Domainadresse slysoft.com. Dort heißt es u. a. : „AnyDVD ist ein Programm, das Film-DVDs automatisch im Hintergrund für Windows-Programme lesbar macht.“ Der Beitrag in heise online schreibt dazu: „ Für das Betriebssystem und alle Programme scheint diese DVD niemals einen Kopierschutz gehabt zu haben… AnyDVD entschlüsselt nicht nur DVDs, sondern ermöglicht auch das Abspielen und Kopieren kopiergeschützter Audio-CDs.“ Auch hier führte der Link zu AnyDVD und der Möglichkeit, diese herunterzuladen.

Die K-AG verlangt von H, es zu unterlassen, durch Links auf das Unternehmen SlySoft den Erwerb der Software AnyDVD zu ermöglichen. Sie bezieht sich zur Begründung auf den - der Umsetzung einer EU-Richtlinie dienenden - § 95a UrhG. Demgegenüber beruft sich H auf die Pressefreiheit nach Art. 5 GG und Art. 11 der EU-Grundrechte-Charta. Ist der Unterlassungsanspruch der K begründet ?

A. Nach § 97 UrhG besteht ein Anspruch auf Unterlassung, wenn das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt wird. Eine Verletzung liegt vor, wenn eine Handlung vorgenommen wird, die dem Urheber ausschließlich zugewiesen ist. Diese Handlungen sind in §§ 15 ff. UrhG aufgeführt. Danach hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk zu verwerten und öffentlich wiederzugeben. Jedoch bedeutet das Setzen eines Links auf eine Software, die einen Kopierschutz aufheben kann, weder eine Verwertung noch eine Wiedergabe der DVDs oder CDs, die mit einem Kopierschutz ausgestattet sind. § 97 UrhG gewährt K somit keinen Unterlassungsanspruch.

B. Nach § 95a UrhG dürfen wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes nicht umgangen werden. Speziell § 95a III Nr. 3 verbietet die Herstellung und Verbreitung von Erzeugnissen und die Erbringung von Dienstleistungen, deren Zweck darauf gerichtet ist, die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Im vorliegenden Fall könnte ein Verstoß gegen das Verbot vorliegen, Erzeugnisse zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen zu verbreiten.

I. § 95 a III enthält aber zunächst nur ein Verbot und ist keine Anspruchsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch. Die Vorschrift könnte aber als wesentliche Voraussetzung zu einem Unterlassungsanspruch führen. Einen Unterlassungsanspruch begründet § 1004 I 2 BGB zugunsten des Eigentums (sog. negatorischer Eigentumsanspruch). Er wird durch gesetzliche Verweisungen auf andere dingliche Rechte (z. B. § 1027 BGB) ausgedehnt, nach h. M. auch analog auf die anderen absoluten, in § 823 I BGB geschützten Rechte sowie auf die Schutzgesetze i. S. des § 823 II BGB angewendet. In seiner analogen Anwendung wird er als quasinegatorischer (Unterlassungs-)Anspruch bezeichnet (z. B. in BGHZ 150, 352; NJW-RR 1997, 17). Er könnte im vorliegenden Fall über § 95a UrhG als Schutzgesetz eingreifen. Allerdings scheidet von vornherein aus, dass H als Anspruchsgegner selbst das Schutzgesetz verletzt - H stellt AnyDVD weder her noch verbreitet er diese Software -; H kommt aber als Teilnehmer in Betracht (§ 830 II, I BGB). Somit ergibt sich die mögliche Anspruchsgrundlage für den Unterlassungsanspruch der K gegen H aus §§ 1004 I 2 BGB analog, 95a III Nr. 3 UrhG, 830 II, I BGB.

II. Es sind die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage zu prüfen.

1. § 95a UrhG ist ein Schutzgesetz zu Gunsten der Urheber und derer, die über Rechte aus dem UrhG verfügen. Das folgt bereits aus § 95a I, wonach Gegenstand dieser Regelung „Maßnahmen zum Schutz“ eines Werkes oder eines anderen Schutzgegenstandes sind.

2. Da nicht ausgeschlossen ist, dass die Anwendung des § 95a auf einen an die Allgemeinheit gerichteten Internet-Beitrag einen Eingriff in die Presse- oder Meinungsfreiheit enthält, könnte die Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit Art. 5 I GG und Art. 11 der EU-Grundrechte-Charta (GRCh) in Frage stehen, was zur Nichtigkeit oder Unanwendbarkeit des § 95a führen könnte. Welches dieser Grundrechte anwendbar ist, richtet sich danach, ob die EU-RiLI, die durch § 95a umgesetzt wurde, dem deutschen Gesetzgeber einen Spielraum gelassen hat.

a) Ist das nicht der Fall - wie das BVerfG [27] dargelegt hat, hat der deutsche Gesetzgeber bei Erlass des § 95a keinen Spielraum gesehen -, richtet sich die Rechtmäßigkeit des § 95a nicht mehr nach deutschem Verfassungsrecht, sondern ausschließlich danach, ob die umgesetzte Richtlinie und der darauf gestützte § 95a UrhG mit EU-Recht in Einklang stehen (BVerfG NJW 2011, 4328, Le-Corbusier-Möbel, unter [53]); im vorliegenden Fall unter [27]). Danach wäre Art. 11 GRCh der Prüfungsmaßstab. Die Aufgabenstellung des Sachverhalts bezeichnet allerdings die maßgebliche EU-Richtlinie nicht, so dass nicht entschieden werden kann, ob der deutsche Gesetzgeber einen Spielraum hatte. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass eine dahingehende Prüfung verlangt wird. Auch wäre diese Frage von einem deutschen Gericht dem EuGH nach Art. 267 I b) AEUV vorzulegen und von diesem zu entscheiden. Für die weitere Bearbeitung des Falles ist deshalb davon auszugehen, dass § 95a UrhG nicht gegen Art. 11 GRCh verstößt.

b) Hatte der Gesetzgeber dagegen bei der Umsetzung der Richtlinie einen Spielraum, ist insoweit Art. 5 I GG anwendbar (BVerfG NJW 2011, 3428 [54]). Unter welches in Art. 5 I enthaltenes Grundrecht der Nachrichtendienst heise online fällt, kann an dieser Stelle noch offen bleiben. Denn § 75a UrhG ist ein allgemeines Gesetz i. S. des Art. 5 II. Er richtet sich nicht gegen eine bestimmte Meinung, sondern soll das Urheberrecht schützen. Er ist auch verhältnismäßig, weil illegale Kopien schwerwiegende Verletzungen des unter Art. 14 I GG fallenden Urheberrechts sind, die durch den Kopierschutz zumindest erschwert werden sollen, so dass die Verbote des § 95a UrhG zum Schutze des Urheberrechts geeignet, erforderlich und angemessen sind. Art. 5 I GG wird durch § 95a nicht verletzt.

§ 95a III UrhG ist rechtswirksam und im vorliegenden Fall anwendbar.

3. H müsste die Verwirklichung des Tatbestandes des § 95a III Nr. 3 UrhG durch Beihilfe (§ 830 II BGB) mit bewirkt haben.

a) Der Kopierschutz ist eine technische Maßnahme i. S. des § 95a II 1 UrhG. Er ist auch wirksam i. S. des § 95a II 2. Dass seine Wirkung durch eine andere technische Maßnahme (AnyDVD) außer Kraft gesetzt werden kann, muss unberücksichtigt bleiben. Denn § 95a will solche anderen Maßnahmen gerade verhindern, was nicht möglich wäre, wenn bereits das Vorhandensein der anderen Maßnahme die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen in Frage stellen und damit die Erfüllung des Tatbestandes des § 95a ausschließen würde.

b) AnyDVD ist ein Erzeugnis und eine Dienstleistung, die hergestellt und verbreitet werden, um den Kopierschutz unwirksam werden zu lassen, was zur Umgehung des Kopierschutzes führt. Somit verstößt SlySoft durch das gewerbliche Verwenden von AnyDVD auch in Deutschland gegen das Verbot des § 95a III Nr. 3 UrhG.

c) Internetbenutzer, die heise online lesen und über den Link zu SlySoft und deren Angeboten gelangen, können dadurch veranlasst werden, AnyDVD zu erwerben. Dadurch wird heise online mitursächlich für bestimmte Fälle der Verbreitung von AnyDVD und damit für eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 95a III Nr. 3. Darin liegt eine Beihilfe des H-Verlages zum Verstoß gegen § 95a III Nr. 3.

III. Die Verwendung des Links in einem Nachrichtendienst könnte aber durch Grundrechte gerechtfertigt sein.

1. Es ist anerkannt, dass Grundrechte auch im Privatrecht mittelbare Rechtswirkungen haben können. Sie sind zunächst bei der Auslegung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen, bei deren Anwendung ein grundrechtlich geschütztes Verhalten beschränkt werden kann, zu berücksichtigen. Bei der bisherigen Prüfung der Anspruchsgrundlage aus §§ 1004 I 2 BGB analog, 95a III Nr. 3 UrhG, 830 II, I BGB hat sich allerdings kein Begriff angeboten, bei dessen Auslegung Grundrechte berücksichtigt werden könnte. Offensichtlich deshalb führt der BGH die Grundrechte als Rechtfertigungsgrund für das Handeln des H ein (vgl. [14] „gerechtfertigt“, [17] „Rechtfertigung“). Auch das BVerfG argumentiert in diese Richtung, wenn es unter [28] als für die Streitigkeit als maßgeblich beschreibt, ob ein nach den Grundsätzen der Teilnehmerhaftung in Verbindung mit § 95a UrhG möglicherweise bestehender zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch im konkreten Fall wegen der entgegenstehenden Grundrechtsposition des Beklagten zu versagen ist. Somit ist Ausgangspunkt für die weitere Prüfung die Frage, ob das Handeln des H durch Grundrechte gerechtfertigt und der Unterlassungsanspruch deshalb zu versagen ist.

2. Zunächst bedarf es der Klärung, welche Grundrechte heranzuziehen sind.

a) Soweit bei der Umsetzung der EU-RiLi kein Spielraum bestand (oben II 2a), richtet sich die Rechtmäßigkeit allein nach EU-Recht. Dann sind die Grundrechte der GRCh anzuwenden. Denn diese binden nicht nur die Organe der EU, sondern auch die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union (Art. 51 I 1 GRCh). Eine (mittelbare) Durchführung des Rechts der Union liegt auch dann vor, wenn die Mitgliedstaaten nationales Recht anwenden, das durch EU-Recht determiniert ist. Vgl. dazu BGH [20]: Bei der Auslegung der Richtlinie sowie des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts (§ 95a UrhG) sind nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta die in dieser niedergelegten Grundrechte zu beachten. Ebenso Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, GR-Charta Art. 51 Rdnr. 7; Jarass NVwZ 2012, 457, 460: Der Grundrechtsbindung unterliegt auch die Auslegung und Anwendung „des zur Umsetzung von EU-Recht ergangenen nationalen Rechts“. Die danach im vorliegenden Fall heranzuziehenden Grundrechte sind Art. 11 II GRCh, wonach die Freiheit der Medien zu achten ist, und die in Art. 11 I GRCh geschützte Meinungsfreiheit.

b) Soweit ein Spielraum bestand und Art. 5 I GG zur Anwendung kommt (oben II 2b), könnte die Pressefreiheit des Art. 5 I 2 Prüfungsmaßstab sein. Dann müsste ein online-Nachrichtendienst Presse sein. Bisher war der Begriff der Presse auf zur Verbreitung bestimmte, an Träger wie Papier, CDs oder DVDs gebundene Informationen beschränkt. Insoweit ist es folgerichtig, wenn in Sachs, Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2011, Art. 5 Rdnr. 90a, ein elektronischer „Newsletter“ zum Rundfunk gerechnet wird. Dagegen wenden BGH und BVerfG primär das Grundrecht der Pressefreiheit an, was wegen der großen Ähnlichkeit des online-Newsletters mit einer Zeitung folgerichtig erscheint (so der BGH im Leitsatz und bei [15, 19, 24] und das BVerfG unter [23, 31]). Somit liegt Presse i. S. des Art. 5 I 2 GG auch vor, wenn die Information über das Internet verbreitet wird. Folglich wird ein Nachrichtendienst im Internet durch die Pressefreiheit (Art. 5 I2 GG) geschützt, wobei der BGH das auch mit dem Recht auf freie Berichterstattung beschreibt ([22]).

Soweit in dem Nachrichtendienst Meinungen geäußert werden, wird außerdem das Grundrecht der (allgemeinen) Meinungsfreiheit angewendet (BGH im Leitsatz und bei [15, 19, 24]). Dem stimmt das BVerfG unter [31] zu: Danach hat der BGH die Darstellung in dem Online-Artikel zu Recht auch der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterstellt. Denn sie ist Teil des meinungsbildenden Diskussionsprozesses, dessen Schutz Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Sinn hat…. Die Pressefreiheit schützt - insoweit darüber hinausgehend - auch die bloß technische Verbreitung von Äußerungen Dritter, selbst soweit damit keine eigene Meinungsäußerung des Verbreiters verbunden ist (vgl. BVerfGE 21, 271, 278 f.)

c) Die Schutzbereiche des Art. 11 II, I GRCh und des Art. 5 I 1, 2 GG decken sich für die Rechtsanwendung weitgehend und insbesondere im vorliegenden Fall. (Auch die Einschränkungsmöglichkeiten sind weitgehend gleich: für Art. 11 GRCh gilt Art. 52 I 2 GRCh, für Art. 5 I GG Art. 5 II GG.) Die im vorliegenden Fall anwendbaren Grundrechte werden deshalb vom BGH - unbeanstandet vom BVerfG - unter [15] zusammen gezogen und wie folgt bezeichnet: Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 6 EUV i.V.m. Art. 11 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und freie Berichterstattung (Art. 6 EUV i.V.m. Art. 11 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).

3. Die genannten Grundrechte können nur dann im Rahmen eines Rechtfertigungsgrundes dem Unterlassungsanspruch der K entgegen gehalten werden, wenn auch das Setzen eines Links vom Schutzbereich dieser Grundrechte erfasst wird (allgemein zum Schutzbereich der Meinungsfreiheit neuestens BVerfG NJW 2012, 1273). Dafür spricht zunächst, dass der Online-Artikel insgesamt unter den Schutzbereich dieser Grundrechte fällt und der Link ein Teil des Artikels ist.

a) Im Hinblick auf die Meinungsfreiheit hatte allerdings das OLG, das der Unterlassungsklage stattgegeben hatte, dem mit einer Argumentation widersprochen, die der BGH [17] wie folgt wiedergibt: Die mit dem Verbot des streitgegenständlichen Links verbundene Einschränkung der Pressefreiheit betreffe nur den Aspekt, die Verbindung zur fraglichen Website zu ermöglichen. Insoweit gehe es nicht um die Mitteilung von Meinungen oder Tatsachen zur Meinungsbildung, die in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit falle und deren Rahmenbedingungen dem Kernbereich der Medienfreiheit zuzuordnen seien, sondern um die weniger zentrale Frage, welchen Service ein Medienunternehmen über die Informationsverschaffung hinaus erbringen dürfe. Der Link diene lediglich der Ergänzung der redaktionellen Berichterstattung.

b) Anders aber der BGH [22-24]: Der beanstandete Link…beschränkt sich nicht auf eine bloß technische Erleichterung für den Aufruf der betreffenden Internetseite. Vielmehr erschließt ein Link vergleichbar einer Fußnote zusätzliche Informationsquellen (vgl. BGZ 156, 1, 15 - Paperboy). Indem das BerGer. diesen informationsverschaffenden Charakter des Links auf der einen Seite und seine in der Erleichterung des Aufrufs der verlinkten Internetseite bestehende technische Funktion auf der anderen Seite als zwei gesondert zu würdigende Aspekte betrachtet, berücksichtigt es nicht hinreichend, welche Bedeutung den vom Beklagten gesetzten Links auf fremde Internetseiten nach dem Gesamteindruck der beanstandeten Beiträge…für das Recht auf freie Berichterstattung zukommt. Die in dem Beitrag…verwendeten Links sollen, wie für den Leser schon aus dem Beitrag selbst ersichtlich ist, weitere Informationen über das Unternehmen SlySoft, über UnCDs, die in dem Beitrag genannten Kopierschutzprogramme ARccOS und Settec Alpha-DVD sowie über die Regelung des § 95a UrhG zugänglich machen. Sie dienen im Zusammenhang des gesamten Beitrags damit entweder als Beleg für einzelne ausdrückliche Angaben oder sollen diese durch zusätzliche Informationen ergänzen… Die Links in den Beiträgen des Bekl…sind in die Beiträge und in die in ihnen enthaltenen Stellungnahmen als Belege und ergänzende Angaben eingebettet und werden schon aus diesem Grund nicht nur vom Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit, sondern auch von der Meinungsfreiheit erfasst (vgl. dazu BVerfG NJW-RR 2010, 470 Rn. 58 f.). Also fällt auch die Linksetzung unter sämtliche hier anwendbaren Grundrechte.

4. Bei dem das Rechtsverhältnis zwischen K als Berechtigte aus Urheberrechten und H als Verlag regelnden Rechtfertigungsgrund dürfen auch Grundrechte der Urheberrechtsberechtigten nicht unberücksichtigt bleiben.

a) Zugunsten der K greift Art. 14 I GG ein, wenn Urheberrechte Eigentum i. S. des Art. 14 sind. Eigentum i. S. des Art. 14 ist jedes vermögenswerte Privatrecht, also auch ein Urheberrecht. BVerfG [21]: Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Das Urheberrecht ist „geistiges“ Eigentum.

b) Ein Rechtfertigungsgrund, der den durch § 95a UrhG gewährten Schutz des Urheberrechts verringert, ist für das Urheberrecht als Eigentumsrecht nachteilig. Somit ist auch das Urheberrecht auf Seiten der K für den Rechtfertigungsgrund von rechtlicher Bedeutung.

c) Daran ändert sich nichts dadurch, dass nach Art. 14 I 2 der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums regeln kann. Eine solche Regelungsbefugnis - die der des Art. 5 II entspricht - besteht nur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. In diesem Zusammenhang muss gewährleistet sein, dass die Beeinträchtigung des Urheberrechts nicht unangemessen ist.

5. Da sowohl auf der Seite des H als auch auf der Seite der K Grundrechtspositionen berührt werden, kann nur durch eine einzelfallbezogene Abwägung entschieden werden, welchem Grundrecht im vorliegenden Fall der Vorrang gebührt (BGH [25-28]; BVerfG [22-24]).

a) Wegen der großen Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft spricht der erste Anschein dafür, diesen Grundrechten den Vorrang einzuräumen.

b) Etwas anderes könnte sich daraus ergeben, dass der Link zu einem Vorgang (AnyDVD) führt, der nach § 95a III UrhG verboten und rechtswidrig ist.

aa) Macht sich derjenige, der durch einen Link auf Texte mit einem rechtswidrigen Inhalt verweist, diesen Inhalt zu eigen, gebührt ihm kein Schutz. Dann ist dieses Verhalten selbst rechtswidrig und nicht schutzwürdig. Im vorliegenden Fall hat sich H aber durch den Hinweis „Eines erwähnt B jedoch nicht: AnyDVD…ist in vielen Ländern - so auch in Deutschland - verboten und strafbar“ ausreichend von dem Angebot von SlySoft distanziert, insbesondere hat er dieses Angebot nicht zum Inhalt einer Empfehlung gemacht. BVerfG [35]: Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin wird der Inhalt der durch einen Link in Bezug genommenen Internetseite nicht schon qua Verlinkung zum Teil der vom Presseorgan geäußerten eigenen Meinung.

bb) Das OLG hatte eine Schutzbedürftigkeit des H mit der Begründung verneint, H habe die Links in Kenntnis dessen gesetzt, dass sie zu einem rechtswidrigen Vorgang leiten. Dazu BGH [26,27]: Der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit umfasst auch Informationen, die Dritte beleidigen, aus der Fassung bringen oder sonst stören können (…). Grundsätzlich darf daher auch über Äußerungen, durch die in rechtswidriger Weise Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigt worden sind, trotz der in der Weiterverbreitung liegenden Perpetuierung oder sogar Vertiefung des Ersteingriffs berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse besteht und der Verbreiter sich die berichtete Äußerung nicht zu eigen macht (vgl. EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 59 ff.; BVerfGK 10, 153 = GRUR 2007, 1064 Rn. 19; BVerfG NJW 2004, 590, 591). Ein solches überwiegendes Informationsinteresse kann auch gegeben sein, wenn die Berichterstattung eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung zum Gegenstand hat (vgl. BVerfGK 10, 153 = GRUR 2007, 1064 Rn. 19), also gegebenenfalls selbst dann, wenn dem Verbreiter die Rechtswidrigkeit des Vorgangs bekannt ist, über den er berichtet. Im Gegensatz zur Auffassung des OLG kann gerade die Schwere des in Frage stehenden Verstoßes ein besonderes Informationsinteresse begründen.

Im vorliegenden Fall bestand ein hohes Interesse der Leser von heise online daran, sich darüber informieren zu können, wie effektiv bzw. ineffektiv die Verschlüsselungstechniken der Film- und Musikindustrie sind. Daraus folgt das besondere Interesse, durch den Link auch zu einem auf dem Markt aktuell vorhandenen Angebot geführt zu werden.

c) Sprechen die bisherigen Überlegungen bereits für einen Vorrang der Presse- und Meinungsfreiheit, kommt hinzu, dass nach BGH [27] der Eingriff in die urheberrechtlichen Befugnisse der Klägerin durch die Setzung des Links auf die Internetseite von SlySoft nicht erheblich vertieft worden ist. Denn für den durchschnittlichen Internetnutzer war es bereits aufgrund der Angabe der Unternehmensbezeichnung SlySoft mit Hilfe von Suchmaschinen ohne weiteres möglich, den Internetauftritt dieses Unternehmens aufzufinden. Die Grundrechtsposition der K wird also durch den Link nur geringfügig beeinträchtigt. Dass somit die Abwägung zugunsten der Meinungs- und Pressefreiheit ausfallen durfte, hat auch das BVerfG unter [30] gebilligt (und die Verfassungsbeschwerde der K gegen das Urteil des BGH als aussichtslos nicht zur Entscheidung angenommen). Es hat allerdings darauf hingewiesen, dass auch ein anderes Ergebnis verfassungsrechtlich vertretbar gewesen sein mag…

6. Somit haben die Grundrechte des H Vorrang. Sie rechtfertigen den online-Artikel und stehen dem mit dem Verbot des § 95a III UrhG begründeten Unterlassungsanspruch der K entgegen. (Insoweit entspricht der übliche Hinweis, dass der Verfasser eines Beitrags im Internet für fremde Seiten, die durch einen Link erreicht werden, nicht verantwortlich ist, der Rechtslage.)

Gesamtergebnis: K hat gegen H keinen Unterlassungsanspruch.


Zusammenfassung