Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Kaufvertrag; Rechtsmangel oder Sachmangel bei öffentlich-rechtlicher Bindung, § 435 BGB. Kaufrechtliche Wirkungen einer Beschlagnahme nach §§ 94, 111 b StPO. Rechtsfolgen eines Rechtsmangels. Bedeutung des Parteivorbringens in einem zivilrechtlichen Fall

BGH Urteil vom 18. 2. 2004 (VIII ZR 78/03) NJW 2004, 1802

Fall (In Paris gestohlener Pkw)

Mit Vertrag vom 2. 5. kaufte K von V einen gebrauchten Pkw der oberen Preisklasse zum Preise von 49.000 €. K zahlte bar und nahm das Auto mit. Dieses war bereits im Februar in Paris als gestohlen gemeldet, so dass die dortige Polizei wegen Diebstahls ermittelte. Als das Auto in Deutschland auftauchte, leiteten die deutschen Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen wegen Hehlerei ein, die sich gegen Mitglieder einer Autoschieberbande richteten und bei denen auch V und K in den Verdacht einer Beteiligung gerieten. Im Zuge dieses Verfahrens wurde das Fahrzeug auf Anordnung der Staatsanwaltschaft durch die Polizei beschlagnahmt und sichergestellt. V und K, die sowohl den Diebstahl als auch die Beteiligung an einer Hehlerei bestritten, legten Rechtsmittel ein, die aber erfolglos blieben. Amtsgericht und das im Wege der Beschwerde angerufene Landgericht erklärten die Maßnahme mit der Begründung für rechtmäßig, die beschuldigten Personen, zu denen auch V und K gehörten, stünden im Verdacht, das Auto in Kenntnis seiner Herkunft verschoben zu haben. Es sei als Beweismittel von Bedeutung, auch lägen die Voraussetzungen für einen Verfall und eine Einziehung vor. Später gab die Polizei das Auto an die vermeintliche Eigentümerin zurück. K verlangte von V, ihm das Fahrzeug wieder zu verschaffen, und setzte hierfür eine Frist. Nach Fristablauf fragt K, ob er den Kaufpreis zurückverlangen kann. Benutzt hatte er das Auto noch nicht.

Im Originalfall war noch früheres Recht anwendbar. Die zu prüfenden Voraussetzungen haben sich aber sachlich nicht geändert, so dass die früher geltenden Vorschriften durch die Vorschriften des neuen Kaufrechts ersetzt werden können. Auf den Unterschied bei den Rechtsfolgen wird in der Lösung hingewiesen. Beim Sachverhalt wurden einige Umstände des Originalfalles im Interesse einer klaren Lösung modifiziert.

A. Ein Anspruch auf Rückzahlung könnte sich daraus ergeben, dass V seine Hauptleistungspflicht zur Eigentumsverschaffung (§ 433 I 1 BGB) nicht erfüllt hat, K deshalb nach § 323 I BGB eine Frist zur Erfüllung setzen konnte und nach deren vergeblichem Ablauf zurücktreten und den Kaufpreis nach § 346 BGB zurückverlangen kann (vom BGH nicht geprüft).

1. Da V hinsichtlich des verkauften Autos die Einigung erklärt und das Auto übergeben hat (§ 929 BGB), läge eine Nichtverschaffung des Eigentums nur dann vor, wenn V nicht Eigentümer gewesen wäre und ein gutgläubiger Erwerb durch K nicht möglich war, weil das Auto gestohlen war (§ 935 I BGB). Ein solcher Sachverhalt ist angesichts der polizeilichen Ermittlungen durchaus möglich und sogar wahrscheinlich.

2. Im Verhältnis zwischen K und V dürfen aber die beiderseitigen Stellungnahmen zum Sachverhalt nicht außer Betracht bleiben, insbesondere wären diese in einem Zivilprozess zwischen K und V nach dem zivilprozessualen Verhandlungsgrundsatz maßgebend. Sowohl V als auch K bestreiten einen Diebstahl. K geht also selbst davon aus, dass das Auto nicht gestohlen wurde, sondern dass er es auf rechtmäßige Weise von V erworben hat. Dann war V zur Eigentumsverschaffung in der Lage. K ist gehindert, V die Nichtverschaffung des Eigentums vorzuwerfen, so dass ihm auch kein Anspruch wegen Nichterfüllung der Pflicht aus § 433 I 1 zusteht.

B. Anspruchsgrundlage für einen Rückzahlungsanspruch des K gegen V könnte die Mängelregelung der §§ 437 Nr. 2, 323 I, 346 I BGB sein.

I. Dann müssten die Voraussetzungen des § 437 Nr. 2 vorliegen. Ein Kaufvertrag wurde zwischen V und K geschlossen. Der Pkw müsste mangelhaft gewesen sein. Da § 437 sowohl Sachmängel als auch Rechtsmängel erfasst, kommt hier ein Rechtsmangel nach § 435 BGB in Betracht.

1. BGH S. 1802 unter 1: Nach §§ 433 I 2, 435 ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können. Unerheblich ist dabei, ob der Dritte sein Recht erst nach Gefahrübergang ausübt. Der Verkäufer ist verpflichtet, schon die bloße Gefahr der Inanspruchnahme zu beseitigen (RGZ 111, 86 [89]…).

2. Rechte Dritter i. S. des § 435 können zunächst privatrechtliche Rechte sein, beispielsweise Grunddienstbarkeiten oder Hypotheken an einem Grundstück, auch schuldrechtliche zum Besitz berechtigende Rechte wie die eines Mieters oder Pächters, ferner Urheber- oder Patentrechte (Hk-BGB/Saenger § 435 Rdnr. 3). Ein solches Recht scheidet im vorliegenden Fall aus.

3. Hier kommt als Grundlage für einen Rechtsmangel die polizeiliche Beschlagnahme des Autos in Betracht. Auch aus einer öffentlich-rechtlichen Bindung kann sich ein Mangel der Kaufsache ergeben. Dabei kann diese zu einem Sachmangel oder einem Rechtsmangel führen.

a) Eine öffentlich-rechtliche Bindung führt zu einem Sachmangel, wenn dadurch die Verwendbarkeit der Sache i. S. § 434 I beeinträchtigt wird und der Verkäufer diese nicht beseitigen kann, z. B Baubeschränkungen, Zweckentfremdungsverbote (vgl. Hk-BGB/Saenger § 435 Rdnr. 4; Palandt/Putzo § 434 Rdnr. 61; § 435 Rdnr. 13).

b) Als Beispiel für einen Rechtsmangel wird herangezogen die Verpflichtung, ein Grundstück der Gemeinde für Zwecke des Straßenbaus zur Verfügung zu stellen (BGH NJW 1983, 275; Palandt a. a. O. Rdnr. 12), denn die Gemeinde ist Dritte und kann aus dieser Verpflichtung gegen den Grundstückserwerber vorgehen. Ein Rechtsmangel kann auch bei der Konstellation des vorliegenden Falles gegeben sein. BGH S. 1802 unter 1: Unter die Rechtsmängel fallen öffentlich-rechtliche Befugnisse wie eine staatliche Beschlagnahme, sofern diese tatsächlich ausgeübt wird, zu Recht erfolgt und den Verfall oder die Einziehung der Sache zur Folge haben kann (RGZ 111, 86 [89]; mit w. Nachw. u. a. auf Westermann, in: MünchKomm § 434 Rdnr. 10).

aa) Soweit das Auto im vorliegenden Fall als Beweismittel beschlagnahmt wurde (nach § 94 StPO), begründet dies nach der vorangegangenen These des BGH keinen Rechtsmangel (so auch Palandt § 435 Rdnr. 13). Eine solche Beschlagnahme erfolgt nur vorübergehend und begründet deshalb kein Recht, das gegen den Eigentümer geltend gemacht werden kann.

bb) Außerdem wurde die Beschlagnahme vom AG und LG damit begründet, es lägen die Voraussetzungen für einen Verfall und eine Einziehung vor, was auf eine Sicherstellung nach § 111 b StPO zielt. BGH S. 1802/3 unter 1: Eine Sicherstellung nach § 111 b I StPO ist zulässig, wenn Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für den Verfall oder die Einziehung des sicherzustellenden Gegenstands nach §§ 73, 74 StGB vorliegen. Für den Käufer besteht die Gefahr, dass ihm die Kaufsache durch den staatlichen Eingriff entzogen wird und das Eigentum an der Sache auf den Staat nach § 73 e I 1 StPO übergeht. Gleiches gilt nach § 111 b V StPO, wenn die Beschlagnahme der Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche des durch die Tat Verletzten dienen soll. Auch in diesem Fall läuft der Käufer Gefahr, seine Rechtsstellung zu verlieren. Zu einem Rechtsmangel führt dies jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Käufer durch die Beschlagnahme seine Rechte an der Sache nicht nur vorübergehend, sondern endgültig verliert… Hier ist dem Kläger durch die Beschlagnahme der Pkw entzogen worden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kl. im weiteren Verlauf des Verfahrens tatsächlich möglich gewesen wäre, das Fahrzeug wieder in Besitz zu nehmen.

cc) Nach BGH oben b) muss die Beschlagnahme rechtmäßig sein. Ob im vorliegenden Fall wirklich entsprechend § 111 b StPO die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Voraussetzungen für Verfall oder Einziehung vorliegen, lässt sich nach dem Sachverhalt nicht entscheiden. Da aber AG und LG als die zuständigen Gerichte dies rechtskräftig bejaht haben, ist von der Rechtmäßigkeit auszugehen. Somit liegt ein Rechtsmangel vor.

4. Was den maßgebenden Zeitpunkt betrifft, wird grundsätzlich angenommen, der Rechtsmangel müsse im Zeitpunkt der Vollendung des Erwerbs vorliegen, bei Grundstücken also bei Eintragung in das Grundbuch (Hk-BGB/Saenger § 435 Rdnr. 2; Palandt/Putzo § 435 Rdnr. 7: bei Erwerb des verkauften Gegenstandes). K sollte das Eigentum an dem Auto am 2. 5. durch Einigung und Übergabe (§ 929 BGB) erwerben. An diesem Tage war die Beschlagnahme noch nicht erfolgt. Der BGH lässt aber ausreichen, dass der Sachverhalt, auf Grund dessen die Beschlagnahme erfolgte, bereits bei Gefahrübergang bestand (so im LS und S. 1802 unter 1). Sachverhalt in diesem Sinne ist im vorliegenden Fall der mögliche Diebstahl und eine anschließende Hehlerei. Dieser Vorgang hatte sich jedenfalls vor dem 2. 5. abgespielt. Somit lag der Rechtsmangel auch bei Gefahrübergang am 2. 5. vor.

5. Auf ein Verschulden des Verkäufers kommt es bei den Voraussetzungen für § 437 nicht an. Auch ein Mitverschulden des K wäre unerheblich. Anspruchsausschließend nach § 442 sind allerdings Kenntnis und grundsätzlich auch grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers vom Mangel. Auch insoweit ist möglich, dass K die Umstände, unter denen das Auto letztlich in seinen Besitz geriet, kannte, dass er sogar an einem rechtswidrigen Erwerb beteiligt war. Jedoch kann V, weil er ebenso wie K diese Umstände bestreitet, dies dem K nicht entgegenhalten (wie oben A 2).

II. Zur Rechtsfolge nach Bejahung eines Rechtsmangels:

1. Die Rechtsfolgen eines Rechtsmangels ergeben sich aus § 437 und sind, abweichend vom früheren Recht, die gleichen wie beim Sachmangel. Der Abgrenzung von Sach- und Rechtsmangel kommt deshalb heute keine größere praktische Bedeutung mehr zu. Insbesondere bei der Einordnung öffentlich-rechtlicher Bindungen (oben I 3) könnte in einem Zweifelsfall sogar offen bleiben, ob ein Sachmangel oder ein Rechtsmangel vorliegt, sofern sich feststellen lässt, dass entweder die Voraussetzungen des § 434 oder des § 435 vorliegen.

2. Für die weitere Prüfung des von K geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs ist von § 437 Nr. 2 auszugehen. Die Vorschrift verweist auf das Rücktrittsrecht nach § 323 I. Dementsprechend hat K dem V eine Frist gesetzt, die ohne Ergebnis verstrichen ist. Nunmehr kann K den Rücktritt erklären und dadurch den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach § 346 I auslösen.

3. K braucht keine empfangenen Leistungen oder Nutzungen herauszugeben: Das Auto hat er nicht mehr im Besitz. Wertersatz braucht er nach dem Rechtsgedanken des § 346 III Nr. 3 nicht zu leisten, weil die Beschlagnahme bei K erfolgt ist und dem K speziell hinsichtlich dieser Beschlagnahme keine Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen ist. Nutzungen hat K noch keine in Anspruch genommen. Dass er das Auto während der offenbar kurzen Zeit, in der es im Besitz hatte, im Sinne des § 347 I hätte benutzen müssen, lässt sich nicht feststellen.

Somit kann K nach Erklärung des Rücktritts den gezahlten Kaufpreis von V zurückverlangen.

Zusammenfassung