Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Autoverkauf durch Händler im Kundenauftrag (Agenturgeschäft). Umgehung i. S. des § 475 I 2 BGB durch Agenturgeschäfte

BGH Urteil vom 26. 1. 2005 (VIII ZR 175/04) NJW 2005, 1039

Fall (Opel-Coupè vom Händler privat)

A hatte beim Gebrauchtwagenhändler B, dem späteren Beklagten, ein Fahrzeug der Marke BMW gekauft. Ein Teil des Kaufpreises sollte dadurch beglichen werden, dass A dem B ein von ihm bisher benutztes und in seinem Eigentum stehendes Opel Astra Coupè überließ, damit er es für ihn verkaufte. Die endgültige Abrechnung sollte nach Durchführung des Verkaufs und entsprechend dem dabei erzielten Erlös vorgenommen werden. Es wurde ein bestimmter Verkaufspreis erwartet, den B nur nach Rücksprache mit A unterschreiten durfte. B stellte den Opel in seinen Geschäftsräumen aus, wo er von K besichtigt und am 28. 10. für 14.990 € gekauft wurde. Dabei wurde ein schriftlicher Kaufvertrag unter Verwendung eines Formulars geschlossen, das mit „Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines Kraftfahrzeugs“ überschrieben war und in das handschriftlich der Name und die Adresse des A als Verkäufer eingesetzt wurde. Der Vertrag enthielt folgende Klausel: „Das Kfz. wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft, soweit nicht eine Garantie übernommen wird. Der Ausschluss gilt nicht für Schadensersatzansprüche, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers beruhen, sowie bei Körperschäden.“ Der Vertrag wurde auf Verkäuferseite von einem Mitarbeiter des B mit dem Zusatz „i. A.“ unterschrieben. Ferner unterzeichneten K und der Mitarbeiter die „Vereinbarung Nr. 44736“, nach der die G-GmbH eine Garantie für wesentliche Fahrzeugkomponenten für die Dauer eines Jahres übernahm. Den Kaufpreis zahlte K an B, der diesen gegenüber A abrechnete. Nach Übernahme des Fahrzeugs stellte K fest, dass die Elektronik nicht in Ordnung war mit der Folge, dass das Fahrzeug liegen blieb und sich nicht mehr starten ließ. Er verlangte von B Nachbesserung, die dieser aber ablehnte. Daraufhin erklärte K gegenüber B den Rücktritt vom Vertrag und verlangt den gezahlten Kaufpreis zurück. Zu Recht ?

Anspruchsgrundlage sind §§ 346 I, 437 Nr. 2, 323 BGB.

I. Zwischen K und B müsste ein Kaufvertrag über das Opel Astra Coupè zu Stande gekommen sein. Dass das Auto verkauft wurde, ist nicht zweifelhaft. Fraglich ist jedoch, ob B Verkäufer war.

1. BGH S. 1039 unter a): Nach dem Inhalt des schriftlichen Kaufvertrages hat der Kläger (K) das Fahrzeug nicht von dem Beklagten (B), sondern von A, dessen Name und Anschrift an der dafür vorgesehenen Stelle des Formulars handschriftlich eingetragen sind, gekauft. Der Beklagte selbst erscheint in der Vertragsurkunde weder namentlich noch unter der von ihm im Geschäftsverkehr verwendeten Bezeichnung. Der Mitarbeiter des Beklagten, mit dem der Kläger wegen des Fahrzeugkaufs verhandelte, hat die Vertragsurkunde in der für den Verkäufer vorgesehenen Unterschriftszeile mit dem Zusatz „i. A.“ unterzeichnet. Der Beklagte ist nach dem Vertragstext eindeutig nicht als Verkäufer des Fahrzeugs in Erscheinung getreten. Verkäufer war vielmehr A, für den B als Vertreter mit einer ihm von A erteilten Vollmacht sowie sein Mitarbeiter mit Untervollmacht gehandelt haben. B hat den Verkauf für A nur vermittelt. Ein solcher Verkauf wird als Agenturgeschäft bezeichnet.

2. Gegenüber dem eindeutigen Vertragsinhalt hält es der BGH S. 1039 unter b) für unerheblich, dass bei der Präsentation der Fahrzeuge auf dem Betriebsgelände des B zunächst nicht erkennbar war, welche Fahrzeuge nur im Kundenauftrag verkauft werden sollten, und dass B und sein Mitarbeiter den K nicht ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass die Firma B den Verkauf für A nur vermitteln wollte. K hatte auch nicht vortragen können, dass und warum bei ihm ein falscher Eindruck von der vorgenommenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre.

3. Nach den bisherigen Überlegungen ist zwischen K und B ein Verbrauchsgüterkauf, bei dem ein Ausschluss der Sachmängelhaftung nicht zulässig gewesen wäre (§ 475 I 1 BGB) und bei dem B für den Mangel einstehen müsste, nicht zu Stande gekommen (zur Unzulässigkeit des Gewährleistungsausschlusses beim Verbrauchsgüterkauf und zu den Ausnahmen vgl. auch Tiedtke/Burgmann NJW 2005, 1154).

II. Etwas anderes könnte gelten, wenn die vorgenommene Gestaltung eine Umgehung i. S. des § 475 I 2 wäre. Dann müsste B sich so behandeln lassen, als hätte er dem K das Auto verkauft, wobei es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handeln würde.

1. Es könnte die Auffassung vertreten werden, dass Agenturgeschäfte, weil sie zum Wegfall des Verbraucherschutzes nach §§ 474 ff. führen, generell als Umgehungsgeschäfte zu werten sind. Diese Auffassung wird vom BGH aber abgelehnt, so S. 1040 unter c): Agenturgeschäfte, insbesondere im Gebrauchtwagenhandel, sind eine seit langem bekannte Erscheinung. Vor Einführung der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) im Jahre 1990 wurden sie vom gewerblichen Gebrauchtwagenhandel als Gestaltungsmittel benutzt, um beim Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen den Anfall der Umsatzsteuer zu vermeiden. In der Rspr. des Senats sind sie als legitimes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anerkannt worden (…). In der Diskussion um die Neufassung des Kaufrechts im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung ist für den Gebrauchtwagenhandel auf das Agenturgeschäft und die Gefahr einer Umgehung des angestrebten verstärkten Verbraucherschutzes hingewiesen worden (Reinking DAR 2001, 8, 10). Der in diesem Zusammenhang erhobenen Forderung, die Möglichkeit einer Umgehung der strengen Bestimmungen des Verbrauchsgüterkaufs durch ein Ausweichen auf Agenturgeschäfte von vornherein zu verhindern, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Das lässt nur den Schluss zu, dass Agenturgeschäfte auch im Bereich des gewerblichen Handels mit gebrauchten Sachen Privater jedenfalls nicht generell als Umgehungsgeschäfte im Sinne des § 475 Abs. 1 Satz 2BGB angesehen werden können (so jetzt auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdnr. 976).

2. Der BGH folgt andererseits auch nicht der Mindermeinung (Nachw. S. 1040 d, u. a. auf Erman/Grunewald, BGB, 11. Aufl., § 475 Rdnr. 7), wonach Agenturgeschäfte generell keinen Umgehungscharakter haben.

3. Er verweist auf die in der Lit. überwiegend vertretene, differenzierende Meinung, wonach eine Umgehung vorliegt, wenn das Agenturgeschäft missbräuchlich dazu eingesetzt wird, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers zu verschleiern (Müller NJW 2003, 1975, 1978 f.;…Faust in Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 474 Rdnr. 7; S. Lorenz in MünchKommBGB, 4. Aufl., § 474 Rdnr. 19, § 475 Rdnr. 30; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB [2004] § 475 Rdnr. 45 ff., 49;…jeweils für den Fall des Weiterverkaufs eines vom Händler in Zahlung genommenen Gebrauchtwagens).

Entscheidende Bedeutung kommt hierbei auch nach Auffassung des Senats der Frage zu, wie bei wirtschaftlicher Betrachtung die Chancen und Risiken des Gebrauchtwagenverkaufs zwischen dem bisherigen Eigentümer des Fahrzeugs [= Vorbesitzer] und dem Fahrzeughändler verteilt sind (so insbesondere Faust, Matusche-Beckmann jeweils aaO; S. Lorenz aaO § 475 Rdnr. 30).

a) Hat der Händler ein Gebrauchtfahrzeug, das er „im Kundenauftrag“ weiterveräußert, dergestalt in Zahlung genommen, dass er dem Eigentümer des Fahrzeugs [= Vorbesitzer] einen bestimmten Mindestverkaufspreis für das Altfahrzeug garantiert und ihm beim Kauf eines Neuwagens den entsprechenden Teil des Kaufpreises für das Neufahrzeug gestundet hat, ist…von einem Ankauf des Altfahrzeugs durch den Händler auszugehen mit der Folge, dass er beim Weiterverkauf des Gebrauchtwagens als dessen Verkäufer anzusehen ist und das gleichwohl gewählte Agenturgeschäft nach § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Anerkennung finden kann.

b) Hat dagegen der Neuwagenkäufer [= Vorbesitzer] das Risiko des Weiterverkaufs seines bisherigen Fahrzeugs zu tragen, ist das Agenturgeschäft auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu akzeptieren; ein Umgehungstatbestand ist danach nicht anzunehmen.

Ein solcher Fall ist hier gegeben (BGH S. 1040 unter e). B hat keine Garantie für einen beim Weiterverkauf zu erzielenden Mindestpreis übernommen. Das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs lag daher bei A. Dafür spricht ferner, dass die Abrechnung des Beklagten mit seinem Auftraggeber ausweislich…des Abrechnungsschreibens vom 15. 11. erst nach Abwicklung der Verkaufs an den Kläger erfolgte und dass eine Unterschreitung des mit A vereinbarten Verkaufspreises…nur nach Rücksprache mit dem Auftraggeber A zulässig gewesen wäre. Folglich handelte es sich um ein echtes Vermittlungsgeschäft und nicht um einen nur als Agenturgeschäft deklarierten Eigenverkauf des B. Eine Umgehung i. S. des § 475 I 2 liegt nicht vor.

Ergebnis: B ist nicht Verkäufer und muss sich auch nicht als solcher behandeln lassen. K hat gegen ihn keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises.

Auch ein Anspruch gegen A besteht nicht, weil die Sachmängelhaftung bei diesem Privatverkauf wirksam ausgeschlossen wurde (vgl. dazu Tiedtke/Burgmann NJW 2005, 1156) und von einem arglistigen Verschweigen des Mangels durch A nicht ausgegangen werden kann.

Zusammenfassung